Mit der Entdeckung, dass sich im menschlichen Gehirn die elektronische Zentrale der Emotionen, Empfindungen und Lustgefühle befindet, begann die totale Umwälzung des Lebens - und der Weg der Menschen von der Realität in die Virtualität. Die Wirtschaft nutzte sofort ihre Chance. Durch elektronische Kontakte im Gehirn des Konsumenten war sie bald in der Lage, fast jeden seiner Wünsche zu erfüllen – gegen Bezahlung natürlich. So waren auch alle Spielarten der Sexualität abrufbar. Dieser Sex war bequemer, unabhängig vom Mitwirken eines Partnes und daher immer perfekt, dazu war er jederzeit und überall zu haben.
Seltsam, dass es Menschen gab, die so etwas ablehnten. In eine Welt vor hundert Jahren hatten sie sich zurückgezogen, in eine Art Naturkolonie. Sie lebten dort, wie es hieß, rein biologisch. Biomenschen eben. "Leben in einer Konserve" nenne ich es.
Eines Tages besuchte ich dort eine Frau. Mir war nicht an einer Befriedigung gelegen, mich reizte es, den Unterschied zwischen Natursex und dem elektronischen Sex zu erfahren.
Das Verhalten der Frau war interessant.
Ihre Augen glitten über meinen Körper, neugierig mit fast klinischem Interesse, was mich überraschte, denn ich hatte Triebhaftigkeit erwartet. Ihr Gesicht war gerötet, ihre Stirn glänzte und ich dachte: Was geht dahinter vor? Überhaupt: was sieht mich jetzt an – denn jetzt sah sie mir in die Augen: war es das Sexualhormon, das mich prüfte? Plötzlich wurde ihr Blick ganz weich und sie begann sich leicht zu bewegen.
Später erinnerte ich mich immer wieder ihrer Augen. Sie schloss sie nicht. Und wenn ich mir auch sage, dass das Feuer in den Augen Feuer vom Sexualhormon angefacht wurde, so leuchteten sie doch und sahen mich an, währen die Augen der heutigen Menschen ein reines, aber kaltes Licht ausströmen und etwas sehen, was es in Wirklichkeit nicht gibt, denn längst hat sich die virtuelle Welt mit der realen vermischt. Die Frau in der Naturkolonie jedoch sah nur mich und nichts anderes. Und es war merkwürdig: Indem sie mich so ansah, spürte ich meine Existenz wie nie zuvor. Und das machte mich auf eine Weise glücklich, das ich die Begegnung am liebsten wiederholen würde. Aber ich weiß auch: ich würde nach ihr süchtig werden und vermutlich, nein, ganz sicher würde ich in die Naturkolonie übersiedeln wollen.
Aber was verlöre ich alles! Was immer wir uns heute wünschen, unser Wunsch wird erfüllt. Mit weißen Gesichtern sind wir in Polstern und Kissen versunken, unsere Glieder regen sich manchmal, ohne dass wir es wissen. Wir sind vollkommen glücklich.
Ein alter Menschheitstraum hat sich erfüllt, nach tausenden von Jahren des Fortschritts haben wir das ersehnte Ziel erreicht. Wir leben in einem Paradies.
Aber nach dem Erlebnis mit der Biofrau habe ich manchmal das Empfinden, als sammelte sich abgenutztes Glück in mir, wie Asche, die mich zu ersticken droht.
Ich frage mich: Kann es sein, dass wir uns im Ziel geirrt haben? Vielleicht gibt es noch ein anderes, ein besseres? Ein Ziel, bei dem wir Biomenschen bleiben und trotzdem allmächtig sind? Konkret gesprochen: könnten wir nicht auch Wesen sein mit den Fähigkeiten eines Gottes und den Eigenschaften des Menschen – so wie die griechischen Götter der Antike?