Der Kellner hatte mir mein Essen gebracht, knusprige Ente, süßsauer, und ein Pils, als sich ein kleiner Mann näherte, bestens gekleidet, grauer Maßanzug, dunkelroter Schlips, fein gescheiteltes
Haar, in der Hand einen kleinen Aluminiumkoffer. Er sah sich suchend um. Alle Tische waren besetzt.
Ich winkte ihm.
Er näherte sich, verbeugte sich, sagte: „Meinen herzlichsten Dank!“
„Müssen Sie nicht. Der Stuhl ist ja frei.“
„Gewiss, gewiss, aber Sie laden mich ein. Sehr liebenswürdig.“ Er setzte sich und schob seinen Aluminiumkoffer mit den Füßen unter den Tisch. „Muss nicht jeder gleich sehen.“
Er sah meinen erstaunten Blick.
„Ich bin Erfinder. Darin sind meine Patente.“
„Und die tragen Sie mit sich herum? Ich würde die lieber im Tresor lassen.“
„Gewiss, gewiss, aber ich verkaufe sie im Auftrag einer übergeordneten Stelle.“
Ich lächelte. Was für eine antiquierte Sprache.
Er lächelte zurück und sagte, indem er die rechte Hand hob: „Nicht dass Sie mich missverstehen.“ Er zeigte mit einem Finger nach oben. „Nicht im Auftrag von dem. Sondern von dem !“ Er zeigte nach
unten.
Wer zum Teufel.. dachte ich.
„Genau!“ sagte der freundliche Herr. „ Der das Böse will und das Gute schafft, wie ihr großer Dichter sagt.“ Er nickte versonnen vor sich hin. „Ob er das voraus gesehen hat? Verzeihen Sie,
ich vergaß zu sagen, es handelt sich um Erfindungen, bestens geeignet für das Töten von Menschen, einzeln oder massenweise.“
„Sie meinen Waffen.“
„Nicht so laut, leider ist das Wort negativ behaftet, aber wie schon gesagt: Er will das Böse, schafft aber das Gute. In diesem Falle senkt er die Überbevölkerung. Die Menschheit sollte ihm
dankbar sein.“
Der Mann hat doch ne Schraube locker.
Ich nahm einen Schluck von meinem Bier. Verdammt, das ist ja lauwarm. Ich wollte den Kellner schon rufen, da richtete mein Gegenüber einen, wie mir schien, kalten Blick auf das Glas, sofort
war es mit Frost beschlagen. Der Erfinder nickte mir zu.
„Trinken Sie!“
Fantastisch. Ein gut gekühltes Bier.
Als wäre nichts geschehen, fuhr er fort: „Diesmal hab ich was Neues dabei. Etwas total Neues. Da kommen Sie nie drauf. Mücken!“
Der Mann nahm mich auf den Arm. Na, das konnte ich auch.
„Aha. Statt Drohnen. Sehr preiswert!“
Der Mann kicherte.
„Sie sind lustig. Aber so falsch liegen Sie gar nicht. Ja, in der Tat, die Mücken sind tatsächlich wie Drohnen beladen. Na, mit was wohl.. Mit einem Virus natürlich.“
„Also daher Corona!“ witzelte ich. „Ich danke Ihnen. Endlich wissen wir’s.“
Er drohte mir neckisch mit dem Finger. „Sie nehmen mich nicht ernst. Sie kennen doch Putin? Der hat es schon, unser neu entwickeltes Größenwahn-Virus. Eine Idee der
Marketingabteilung, um den Absatz zu steigern. Wie das wirkt, das sehen Sie doch. Größenwahnsinnige zetteln Kriege an, dafür brauchen sie Waffen, die anderen brauchen Waffen zur Verteidigung.
Perfekt, was? Übrigens habe ich ein Glas Mücken im Koffer. Möchten Sie einen Blick darauf werfen, bevor ich sie freilasse?“
„Nein, danke.“ Hastig griff ich zum Glas und trank es leer. „Und wo..“ Die Frage fiel mir nicht leicht. „Wo lassen Sie die Mücken heute frei? “
Er kicherte. „Ja, das möchten Sie wohl gern wissen.“
„Doch nicht hier in Deutschland!“
„Würde Sie das erstaunen?“ Er zuckte zusammen, als hätte ihn ein Schlag getroffen. „Entschuldigung“, murmelte er, „man ruft mich.“
Der Stuhl gegenüber war leer und der Koffer war weg. Am Nachbartisch saß ein junges Pärchen, der Mann hatte ausrasierte Schläfen und einen ebensolchen Nacken. Beim genauen Hinsehen
entdeckte ich an seinem Hals eine Mücke.
Ich warf 20 Euro auf den Tisch und verließ das Restaurant, so schnell ich konnte.