Die Kerze
Bevor ich einst erlösche
(ich hoff, es geht ganz sacht),
will ich noch gerne sagen,
was ich der Welt gebracht.
Das war nicht viel, ich weiß es,
die Sonne war ich nicht,
doch brannte ich für alle
mit meinem kleinen Licht.
Bei mir war's nicht nur helle,
ihr habt bestimmt gemerkt,
dass meine schwache Wärme
sich nah bei euch verstärkt.
Ich leuchtete nicht stetig,
ich zitterte im Wind
und drückte mich was nieder,
war ich fast selber blind.
So war's, ich will nicht klagen.
Ich weiß ja, was ich bin.
Doch sollt ihr von mir sagen:
Für uns gab sie sich hin.
Zu lesen: Weihnachten 1947
Zu lesen: Kurzgeschichten
Kurzgeschichte
2068 liest ein Mann einen alten Liebesroman
Eigentlich wäre jetzt eine die Stimmung aufhellende Droge angebracht. Aber er würde doch wieder in der Wirklichkeit erwachen und sich in einem neuen Tag der Langeweile befinden.
Er griff nach einem Liebesroman aus längst vergangen Zeiten.
Es ist Größe und Schönheit in diesen Liebesgeschichten. Das ist nicht zu leugnen. Ein Mann gibt sein Leben für die Zuneigung einer Frau, oder beide gehen zugrunde aus Liebe.. Oder ein junger Mann liebt eine verheiratete Frau und und nimmt sich das Leben wie in dem Roman „Die Leiden des jungen Werther“.
No Sex mit der begehrten Frau.. Ja, da kann man sich nur erschießen.Warum sagte er ihr nicht, was er wollte? Sex wollte er! Bestimmt wollte sie das
Gleiche. Im Grunde wollten das damals alle, die so leidenschaftlich von Liebe redeten! Was eigentlich meinten sie damit?
Etwas Überirdisches? Womöglich hielten sie sich für geistige Wesen. Oder sie wollten es sein.
Gott sei Dank sind wir klüger als unsere Vorfahren. Wir wissen, Sex gehört zu unserer Natur und wir genießen ihn, so oft wir wollen.. Und finden wir nicht den Partner oder die Partnerin dazu, so gibt es genug Sextoys oder elektronischen Ersatz.
Langsam fangen wir schon an, uns zu langweilen. Für solche Fälle gibt es die Drogen.Oder die Möglichkeit, mit allem Komfort aus dem Leben zu scheiden, Was für eine aufregende und kitzelnde Vorstellung! Der Tod als letzte und größte Befriedigung der Gier nach Sensationen.
Warum las er solche Romane? Sie stimmten ihn traurig. Aber die Traurigkeit hatte eine Zugabe von Sehnsucht.. Es war die Sehnsucht nach etwas, das er nie haben würde. Und während er die Geschichte einer unglücklichen Liebe las, wuchs in ihm mit jeder Buchseite ein Behagen, das er mit einem vergessenen Wort bezeichnete: Wollust.
Und er dachte: So lang ich so schön traurig bin, bleib ich erst mal am Leben.
Und er begann den nächsten Liebesroman zu lesen. .Aus: Kurzgeschichten
Ein Berliner schimpft. Zu lesen: Schwedisches
Kurzgeschichte
Mein Kampf mit dem Kater
Unser Kater ist schwarz, schwarz wie der Teufel. Meine Frau sagt, er sei uns zugelaufen. Aber das stimmt nicht. Er hatte mich ausgespäht. Er war mir von Anfang an
nicht geheuer und die Geschichte sollte mir recht geben.
Gleich am ersten Tag machte er sich auf meinem Stammplatz breit. Ich sagte ihm, der Platz auf dem Sofa gehöre mir. Er gähnte. Ich schubste ihn runter, obwohl er
fauchte.
Am nächsten Tag lag er wieder dort. Also runter mit ihm. Und so ging es weiter. Er kapierte einfach nicht, dass ich der Stärkere war.
Und dann eines Abends, gerade hatte ich ihn wieder verscheucht, blickte die Frau durch die Tür: „Abendbrot ist fertig“.
„Gleich!“ sagte ich „Erst noch die Nachrichten!"
Nanu? Wer hatte da miaut? Der Kater war doch gar nicht da.
Die Frau starrte mich an. Ich wiederholte meine Bemerkung. Und wieder ein „Miau“. Es kam eindeutig aus meinem Mund. Meine Frau knallte die Tür zu.
Ich eilte ihr nach, wollte ihr erklären, dass der verfluchte Kater mich verhext haben müsse. Das war ein Fehler. Ich miaute und je mehr ich miaute, um so böser wurde sie.
Und dann miaute es hinter mir. Ich drehte mich um. Das Töchterchen! Es miaute noch mal und sah mich begeistert an. Entsetzlich.
Man denke! Zwei Jahre alt, konnte schon ein paar Sätze sagen, und jetzt das! Hatte ich es etwa angesteckt?
Meine Frau riss das Kind an sich und lief die Treppe hinauf, da hörte ich es schrein: „Will zu Papakatze!“
Gott sei Dank. Die Kleine hatte mich bloß nachgemacht.
Danach erklärte meine Frau, sie müsse über das Sorgerecht des Kindes nachdenken. Was sollte ich antworten? Auf Katzisch? Ich schwieg.
Nachts, aus dem gemeinsamen Schlafzimmer verbannt, sozusagen in Quarantäne, lag ich auf dem Sofa. Ich begann mit der Übung. Ich musste meine Sprache wieder finden.
Um halb zwölf schallte es aus dem Schlafzimmer: „Halt endlich die Klappe!"
Am nächsten Tag blieb ich zu Hause. Nicht
auszudenken, was mein Chef zu meiner Aussprache sagen würde. Meine Frau brachte die Kleine in die Kita und fuhr zur Arbeit. Ich war mit dem Kater allein und teilte ihm in seiner Sprache mit: Bekomme ich nicht sofort meine Sprache zurück, murks ich dich ab.
Der Kater zeigte mir seine feuerrote Zunge und machte sich durch die Katzenklappe davon.
Danach saß ich mit einem Küchenmesser neben der Klappe. Der Kater kehrte zurück gemeinsam mit Frau und Töchterchen.
Beim Abendbrot stand nichts für mich da, nicht mal ein leerer Teller. Da stellte mir das Töchterchen den Fressnapf des Katers hin, mit seinem Lieblingsfutter:
Pastete „Ente mit Gans“.
So was, dachte ich. Die Mutter verleitet das Kind zu einer Schandtat gegen den eigenen Vater!
Plötzlich Katzengekreisch. Nicht von mir, der Kater war's. Er sprang auf den Tisch und machte sich über das Futter her. Da platzte mir der Kragen. Ich schrie:
„Runter, du Mistkerl! Das ist mein Fressen!“
Stille, dann großes Staunen. Ja, was sagt man dazu. Ich hatte meine Sprache wieder. Und das verdankte ich meinem klugen Töchterchen. Hatte den Kater
ausgetrickst!
Danach versöhnten wir uns und – auf Bitte meiner Frau – ich auch mit dem Kater.
Am nächsten Tag kaufte ich mir ein eigenes Sofa.
Aus: Kurzgeschichten
Hörtexte auf YouTube
Gehirnleben. Zu lesen: Kurzgeschichten
Die Odinquelle. Zu lesen: Schwedisches
Der Denker. Zu lesen: Verse auf der Kachelwand