Eine Wintergeschichte für Kinder
Die Meise und die unsichtbare Wand
Ich ging mit dem Eimer voll Vogelfutter zum Futterplatz der Vögel, das ist unser Fliederbaum vorm Haus. Da sah ich sie, direkt vor meinen Füßen. Die Meise steckte sozusagen bis zu den Knöcheln im Schnee. Sie schlug mit den Flügeln heftig auf den Schnee, aber sie kam nicht hoch. Sie war gegen die Fensterscheibe geflogen
Ich hob sie auf und brachte sie ins Haus.
Dann sahen wir uns beide an. Sie saß mit zusammengelegten Flügeln auf dem Sofa.
„Wie fühlst du dich?“ fragte ich.
Blöde Frage. Sie war vor Entsetzen stocksteif. Wie sollte sie das auch begreifen!
Saust beim Fliegen gegen etwas unsichtbar Hartes und stürzt zu Boden! In diesem Augenblick bricht alles in ihr zusammen, alles was sie bis jetzt gesehen, gehört und erfahren hat. Ihr Leben ist nur noch ein Trümmerhaufen.
Wenn jetzt dem Vogel keiner hilft, dachte ich, wird er nie mehr fliegen können.
Ein Arzt muss her, dachte ich. Nicht für die Flügel, sondern für sein Leben. Wenn so was bei Menschen passiert, gehen sie zum Seelenarzt, legen sich auf die Couch und erzählen ihm, wie ihr Leben zerbrochen ist. Und der hilft ihnen, ein neues Leben zu finden.
Glücklicherweise hatte ich die Meise schon aufs Sofa gesetzt, und das ist auch die Vogelart fürs Liegen. Ich sah dem Vogel an, dass er mir etwas Entsetzliches sagen wollte, aber nicht konnte. Ich kam ihm zuvor und sagte:
„Schon gut. Du brauchst mir nichts zu sagen. Ich kenne das. Weißt du, gegen etwas Unsichtbares fliegen und sich den Kopf stoßen, das passiert schon mal. Passiert auch uns Menschen. Wie oft rennen wir gegen eine unsichtbare Wand. Ich zum Beispiel will seit einer Woche, dass meine Frau endlich mal wieder einen Nusskuchen backt. Der schmeckt nämlich vorzüglich. Aber sie tut es nicht. Immer wieder versuch ich es, aber ich renn da gegen eine Wand. Lass ich deswegen den Kopf hängen? Oder meine Flügel? Sieh mal...“
Ich weiß nicht, ob in diesem Moment die Heilung einsetzte. Jedenfalls flattert die Meise plötzlich auf. Ich öffnete rasch das Fenster, sie machte eine Kurve und flog hinaus.
In diesem Moment trat meine Frau ins Zimmer. Ich beschloss, wie die Meise aufzufliegen und Kurs auf meinen Nusskuchen zu nehmen. Und sollte ich gegen eine Wand stoßen, so würde ich eben meiner Frau vor die Füße fallen.
Ich sagte: „Weißt du, ich back den Kuchen selber.“
„Das wäre ja noch schöner“, sagte sie. „Mir die Küche durcheinander bringen! Nein, den back ich!“
Am Nachmittag saß ich am Fenster bei Kaffee und Kuchen und sah den Vögeln zu, wie sie unter dem Fliederbaum im Schnee das Futter aufpickten. Plötzlich kam ein Vogel angeflogen und setzte sich vor mir aufs Fensterbrett. Es war eine Meise. Sie blinkerte mit dem Auge, ich zwinkerte zurück, und dann flog sie hinunter zu den anderen Vögeln.
„Du hast wohl eine neue Freundin“, sagte meine Frau.
„Ach was“, sagte ich, „das war eine Patientin von mir.“
Das Kind im Stall
Eine Weihnachtsgeschichte von meinem
Vater, geschrieben 1947, zur Erinnerung an
die Flüchtlinge damals und zur Mahnung für
uns heute. Vorgelesen von Klaus Jürgen
Schmidt, zu hören in RadioPodcast
Friedensdemo in Berlin am 25.11.
Das kleine Entelein
Hoffnung, kleines Entelein,
werde doch ein Schwan!
(Und mein Herz wird rein
und gesund mein Zahn).
Stacheldraht hängt im Museum,
Minen kennt man nur mit e.
In Kasernen laufen rum
Kühe, euterhoch im Klee.
Ich leb mit entblößten Zähnen.
Keiner haut sie dafür ein.
Und statt eisengrauer Tränen
werd ich bunte Reime spein.
Doch ich fürchte, eh’s geschieht,
wird es Herbst noch manches Mal
und manch Ochs von Jäger sieht
Enten nur als Mittagsmahl.
4 Kapitel zu Deutschland
Kapitel 1
Die Freudsche Fehlleistung
Vor gut 20 Jahren schrieb ich ein Gedicht, es war ein Rückblick auf mein bisheriges Leben. In ihm kamen diese Verse vor:
„Nicht dass mein Fuß
Auschwitz je berührte,
doch berührte
mich Auschwitz ganz.“
Ich stellte es in ein Lyrikforum und bekam zustimmende Klicks. Gut zwei Jahre später las ich es noch mal und erschrak. In der Zeile „doch berührte mich Auschwitz
ganz“ stand nicht Auschwitz sondern Ausschwitz.
Keiner hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Entweder hatten alle es überlesen oder sie hielten es bloß für ein Versehen.
Ein Versehen? Zweimal „s" zu tippen, das kann kein Versehen sein.
Laut Wikipedia gibt es sprachliche Äußerungen, die gemeinhin als „Versprecher“, „Verhören“, oder „Versehen“ bezeichnet werden, die aber, so Freud, auf einer
unbewussten Ebene durchaus Sinn ergeben.
Und so fragte ich mich: Litt ich wirklich an Auschwitz oder wollte ich es in Wahrheit „ausschwitzen", also vergessen?
Ich fühlte mich ertappt und löschte das Gedicht, als hätte es das nie gegeben.
Als Hörspiel zu lesen
Und zu hören im
und auf YouTube, produziert und interpretiert von Klaus Jürgen Schmidt
Kapitel 2
Ein Deutscher
Da ich nie richtig traurig bin,
bin ich auch nie ganz lustig.
So jammer ich halt vor mich hin
und schimpf auf die Akustik.
Ein Junge hebt da einen Ball.
Zählt er zu den Chaoten?
Ein Attentat? Auf jeden Fall
duck ich mich auf den Boden.
Mein Schatten läuft mit mir voran,
als wollt er vor mir fliehen.
Ich ahne, was er wirklich kann:
mich in das Dunkel ziehen.
Ich hab ihn heute abgehackt!
Ich kann alleine gehen
und will vorm Spiegel in der Nacht
mich als nen Helden sehen.
Kapitel 3:
Der furchtbare Satz
Was passiert, wenn einem
Erwachsenen plötzlich ein Spruch
aus der Kindheit entfährt?
Der lässt tief blicken –
in die damalige Welt des Kindes.
Darüber gibt es ein Beispiel im Radio
Podcast.
Wer's hören will, hier anklicken:
Siehe auch Der gelbe Stern
Kapitel 4:
Die neuen Helden
"Deutschland über alles.."
Das klingt so sehnsuchtsvoll,
als wär da etwas Dralles,
das man umarmen soll.
Ich kann nicht miteinstimmen,
ich weiß auch schon warum.
Wo die Berauschten singen,
da bleib ich lieber stumm.
Es sind die neuen Helden
beim Marsch und mit Gesang,
den schon die alten wählten
zu ihrem Untergang.
Was tun mit den Reichen?
Esst die Reichen!
Nicht zu glauben! "EAT THE RICH" steht da auf der Wand mit brauner Farbe gesprüht. Offenbar ist da jemand nicht damit einverstanden, dass die Zahl der Millionäre und Milliardäre wächst, gleichzeitig hungern immer mehr Menschen. Und deswegen sollen sie eben die Reichen essen.
Geht in Ordnung, denke ich.
Ein paar Schritte weiter finde ich, das ist keine gute Idee. Die Reichen verspeisen? Das dürfte keinem bekommen, im besten Falle verdirbt er sich den Margen, im schlimmsten Falle vergiftet er sich.
Hat jemand schon mal geprüft, wie viel
Chemikalien die Reichen brauchen, um so gesund auszusehen?.
Künstliche Sonnenbräune, gestraffte Haut vom Gesicht bis zum Po, mit Botox aufgeblasene Lippen, gefärbte Haare, Pillen für ausdauerndem Sex, durch chemische Wirkstoffe vergrößerte Muskeln, im Blut Mittel gegen das Altern und Pulver in der Nase für mehr Lebenslust, Von den heimlichen Prothesen zur Optimierung ihrer Körper wollen wir gar nicht reden.
Bei so viel chemisch-technischer Behandlung stellt sich womöglich die Frage,, ob man ihre Körper im Todesfall nicht gesondert entsorgen muss.
Nein, wirklich, einen Reichen zu essen, das ist keine gute Empfehlung, Reiche gehören eher auf die Liste ungesunder Lebensmittel. Anders herum wird ein Schuh daraus. In Wirklichkeit geht es um das Essen der Reichen. Nein, nicht um das in einem 5-Sterne-Restaurant. Kaviar, Austern und so weiter seien ihnen gegönnt.
Aber sie verfuttern unseren Planeten!
Sie verderben die Luft durch die Verdauungsgase ihrer Jets und Jachten, mit Villen, Golfplätzen und Landebahnen zernagen sie die Natur bis auf die
Knochen und mit ihrem unbändigen Appetit auf Luxus verschlingen sie die Schätze der Erde. Und dies während
immer mehr Hungernde um
das tägliche Brot flehen. Doch dafür sind die Reichen zu sehr mit ihrem großen Fressen beschäftigt.
Also sprühen wir etwas an die Wand, was keinen Menschen gefährdet, aber für das Überleben des Planeten nötig ist:
Stop the food of the rich!
Stoppt das Essen der Reichen!
Und, zum Teufel, gebt den Hungernden endlich ihr tägliches Brot!
Leute von heute
Die Schränke voll Schuhe,
sechs Autos, ne Jacht.
Mit Lärm und Getue
wird Leben gemacht.
Räusche und Lifestyle,
gesrrafftes Gesicht.
Das Dasein ist geil,
doch lebt es sich nicht.
Im Schritt mit der Mode
und dem, was gewinnt.
Gelächter zum Tode,
weil sie es schon sind.
Zukunft
Ein Hoch auf die Zukunft
„Unsre Zukunft, sie soll leben!“
Schon hob ich mein Glas.
Doch sie rief: „Von wegen!
Lass den dummen Spaß!
Hoch die alten Zeiten!
Friedlich war die Welt,
Tage voller Freuden,
nichts hat uns gefehlt!“
Nahm sie mich auf ihre Schippe?
Ich war erstmal stumm,
drauf mit kesser Lippe:
„Das nehm ich dir krumm!
Siehst du's nicht? Wir zimmern
uns ein neues Menschenbild
aus den kleinen Dingern,
auf die Gott den Atem hielt!
Dann noch ein paar Jahre,
und mit einem Laserstrahl
flitzt der atomare
Mensch durchs Weltenall.
Und es kommt das Wundervolle:
Machtlos wird die Zeit!
Ausgespielt ist ihre Rolle
der Vergänglichkeit.
Lass uns jetzt die Gläser heben,
prosten wir uns heiter zu.
Es wird immer Menschen geben,
doch nicht solche mehr wie ich und du!“
Hatte sie der Schlag getroffen?
Stille. Dann: „Ich find,
nur das Eine ist zu hoffen:
Werd ewachsen, Kind!"
Hat das Handy hochgerissen,
schoss ein Bild von mir,
flüsterte: „Hätt's wissen müssen.
Denn Vergangenes sitzt hier.“
News vom 16.8.2028, 11.00
Eine Gruppe internationaler Wissenschaftler ist mit einem alarmierenden Bericht an die Öffentlichkeit getreten. Nach einer Analyse, an der mehr als
800 Wissenschaftler teilnahmen, wurden die Natur und das Leben mit einem Selbstzerstörungsmechanismus versehen. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler ist der Augenblick der Selbstzerstörung
mit dem Auftreten des Klimawandels gekommen. Außerdem habe man entdeckt, dass sämtliche Daten der Erde gehackt und gestohlen wurden. Mit den Daten könnten auf einem geeigneten Planeten eine neue
Natur und eine neue Menschheit entwickelt werden.
Weiter heißt es, der UNO-Sicherheitsrat will nun doch mit den Terroristen verhandeln. Wie bekannt, fordern diese, das Wirtschaftswachstum zum Schutz
unseres Planeten zu beenden.
Führende Kreise der Wirtschaft halten alles für einen üblen Trick. Nach ihrer Überzeugung wollen fortschrittfeindliche Elemente eine Diktatur der
Gleichheit errichten.
Über die weitere Entwicklung informieren wir Sie in den nächsten Nachrichten.
Mephisto dreht durch
Lass stehn den Einkaufswagen!
Sein Inhalt ist Fiktion,
du füllst doch nur den Magen
mit neuer Frust-Ration.
Was kann das Neue taugen,
wenn es so schnell zerbricht,
und Tote wecken Pauken
und die Trompeten nicht.
Hol dir der Sonne Speck,
streu drauf der Sterne Salz
und beiß in das Gebäck
des zweiten Sündenfalls.
Plag dich nicht länger hier!
Was Faust von ferne sah:
Du Mensch gewordnes Tier
trägst Gottes DNA.
Ein Schluchzer noch
Der Tag hat mit dem letzten Blut
sein Opfer dargebracht,
im Schatten reckt sich
ausgeruht
das schwarze Raubtier Nacht.
Ein Schluchzer noch der Menschenhaut
nach Lust und Zärtlichkeit,
dann sind, noch eh der Morgen graut,
die Fäuste kampfbereit.
Und während wir wie Riesen gehn
mit protzigem Gewicht,
kommt aus der Erde ein Gestöhn,
weil ihre Achse bricht.
Die Brandmauer in Schilda
In einem Archiv stießen wir auf die Geschichte einer Brandmauer, die verblüffend der CDU-Brandmauer
gleicht.
Einst war in Schilda ein ganzer Stadtteil abgebrannt, obwohl das Feuer nur in einem Haus begonnen hatte. Das Entsetzen war groß. Das durfte nicht noch einmal passieren.
Während einer Bürgerversammlung erhob sich einer, er war der Klügste von allen, er sagte: „Leute, wir müssen eine Brandmauer bauen.“
„Ja!" schrien alle, „du hast es mal wieder. Was für ein Genie, der Mann!"
Doch plötzlich gab es Unruhe. Es war eine Gruppe von reichen Hausbesitzern:
„Um Himmel willen!“ schrien sie. „Wisst ihr eigentlich, was so eine Brandmauer kostet?“
Sie hatten Recht. Auch den kleinen Hausbesitzern fiel ein, dass so eine Brandmauer Kosten verursacht.
Da erhob sich der Klügste erneut und
sagte: :„Wir stellen zwischen die
Häuser ein Schild auf und schreiben darauf: Brandmauer.“
Begeistert simmten alle zu, denn die Einrichtung dieser Brandmauer war tatsächlic sehr kostengünstig.
Danach sahen sie keinen Grund mehr, sich vor dem Feuer zu fürchten. Im Gegenteil: sie begannen mit dem Feuer zu spielen. Ein Spiel fand besonderen Beifall:
Das Zündeln an der Brandmauer.
Und noch eine kleine Geschichte
aus Schilda
Wie man einem Fahrrad
das Fahrradfahren beibringt.
Er kaufte seinem Fahrrad ein Fahrrad,
damit es Rad fahren kann.
Mit Draht
band er sein Rad sodann
auf das gekaufte. Und befahl: Jetzt roll!
Da stürzten beide um.
Er sagte ohne Groll:
„Es lernt’s schon noch, es ist nicht dumm.“
Und übte weiter jeden Tag
sein Fahrrad fahren mit dem Rad.
Bis er erschrak:
Rost war auf dem Draht.
Lesetheater
Eintritt frei. Rund um die UIhr geöffnet.
Programm
Satire
Satirische Komödie
Drama
Komödie
Satirische Komödie
Sci-Fi-Komödie
Schwank
Schwank
Schwank für Kinder
Hörspiel
Der Außerirdische, die Vernunft
Sketch
Szenenfotos aus: Nie wieder Köpenick!
Das Stück "Die Mauerspechte" bekam 1991 den 1. Preis beim Wettbewerb „Wer schreibt das beste Volksstück zum Mauerfall?“
Aufgeführt wurde das Stück im
November 1993 im Hebbel-Theater unter dem Titel:
Krimikomödien
als lieferbare Textbücher:
Sairische Kriikomödie
Liebe, Geld und noch mehr Mörderisches
Krimikomödie
An einen großen Theaterdichter
Berühmt ist dein Name,
dein Werk fasst Leben und Tod.
Dein Spott, der grausame,
macht blass und mal rot.
Dies ist, was trotz Begeisterung
mich nachdenklich stimmt:
Dass deiner Dramen Schwung
nicht Not der Armen aufnimmt.
Damit es Heiterkeit erwecke,
malst List du in verhärmte Mienen.
Dir leben die Armen zum Zwecke,
dem Reichtum als Folie zu dienen.
Dein schönes Schauspiel, das ewige,
macht uns vor Staunen stumm.
Jedoch: es dröhnt der Behäbige,
der Arme schweigt. Warum?
Wie herrlich die Wortspiel-Witze!
Da lacht sogar der Teufel.
Applaus, Applaus. Man springt vom Sitze.
Nur einer nicht: der Zweifel.