Es ist Krieg, ja. Und alle sind gegen den Krieg. Dagegen kann man nichts tun, heißt es. So, als wäre das Schicksal. Oder ein Unglück, das die Menschen trifft. Das wundert mich. Denn was sie
da Krieg nennen, hat doch mit dem Menschen zu tun. Ohne Menschen gäb es den nicht. Stimmt’s? Ich rede dummes Zeug, entschuldigen Sie. Aber es beschäftigt mich. Ja doch. Ich will erst einmal den
Menschen verstehen, bevor ich den Krieg versteh.
Eigentlich ist immer Krieg, schon seit es die Menschen gibt, in jeder Minute, und egal, wo er gerade ist. Darüber sollte der Mensch mal nachdenken.
Ist es nicht auffallend, wie die Tiere fliehen, sobald ein Mensch kommt? Ja, so klug sind sie. Denn so gefährlich ist der Mensch für sie. Manchmal möchte auch ich mich verdrücken. Da kommt ein
Mensch auf mich zu und ich bin wie ein Tier, das fliehen will, ganz instinktiv, aber ich darf es nicht. Der Mensch erwartet sogar, dass ich mich freue. Warum sollte ich mich freuen bei einem
Wesen, vor dem Tiere Angst haben? Ja, ich bin ein Mensch. Aber genau genommen, kann mir das auch passieren, was den Tieren passiert. Ein Mensch verletzt mich oder tötet mich. Und dann lieg ich da
tot ganz wie ein totes Tier.
Die Leute sagen, ich soll mich nicht so klein mache, dann passiert mir auch nichts. Haben Sie doch mal Selbstbewusstsein, heißt es.Was meinen die mit Selbstbewusstsein? Sich gegen andere
durchsetzen? Vielleicht mit Waffengewalt? Das tu ich nicht, das kann ich nicht. Ich bin ein Feigling, ich geb's zu.
Ja, das sind meine Gedanken. Und damit steh ich allein.. Aber wissen Sie was? Wenn ich aus dem Fenster sehe, sehe ich eine kleine Linde. Sie hat dünne, helle Blätter. Vielleicht sind es tausend.
Oder mehr. Jedenfalls bewegen sich alle Blätter, es ist nämlich ein Wind. Aber da ist immer eins, das bewegt sich nicht. Ich sehe jetzt immer nur zu diesem Blatt Das könnte ich stundenlang
ansehen. Sie wissen gar nicht, wie gut das mir tut.
Ab Juli bekommt jeder Rentner, jede Rentnerin eine erfreuliche Rentenerhöhung von 4,57 %.(Nebenbei: Darüber freuen sich besonders die mit einer hohen Rente) Von einer noch
erfreulicheren Rentenerhöhung macht man kein Aufsehen.
Und warum?
Darum.
Frankfurter Rundschau online v. 3.3.2024
Rente für Bundestagsabgeordnete: Altersentschädigung steigt mit jedem Jahr
Diese Altersentschädigung beträgt ab dem ersten Jahr der Mitgliedschaft 2,5 Prozent des Einkommens, auch Abgeordnetenentschädigung genannt. Mit jedem Jahr der Mitgliedschaft steigt der
Prozentsatz zusätzlich um 2,5 Prozent.
Alle Abgeordneten im Bundestag verdienen derzeit ein monatliches, einkommensteuerpflichtiges Gehalt von 10.591 Euro. Nach einem Jahr Mitgliedschaft würde somit ein Rentenanspruch von 264,80
Euro pro Monat entstehen. Nach einer vierjährigen Amtszeit im Bundestag würde dieser bereits bei 1.059 Euro iegen, nach acht Jahren Amtszeit bei 2.118 Euro.
Zitatende
Da haben wir's. Für eine Durchschnittsrente von 1543 Euro muss ein Arbeiter oder Angestellter mindestens 45 Jahre arbeiten, ein Bundestagsabgeordneter bekommt schon nach 8 Jahren
2.118 Euro Rente.
Wer das bestimmt hat? Na, die Abgeordneten. Sie selbst legen die Höhe ihres Gehaltes fest und damit auch die Höhe ihrer Rente, pardon: Altersentschädigung.
Übrigens: Wieso nennen sie ihr Gehalt Abgeordnetenentschädigung und ihre Rente Altersentschädigung? Vielleicht weil man sonst auf den Gedanken käme, sein Gehalt oder seine Rente mit denen eines
Bundestagsabgeordneten zu vergleichen. Das könnte Ärger geben.
Doch darüber sollten sich die Abgeordneten keine Sorgen machen. Kritik an hohen Gehältern wehrt man ab mit dem Schlagwort „Sozialneid“ . Das funktioniert schon perfekt bei den
Konzernmanagern.
Dabei gibt es eine einfache Lösung. Lasst die Bürger so wie die Abgeordneten die Höhe ihrer Renten selbst bestimmen.
Achja, geht nicht. Das wäre ja Gleichmacherei.
Nun, dann wechseln wir eben den Beruf und werden alle Bundestagsabgeordnete .
Geht nicht. Der Bundestag hat nicht genug Sitze.
Also echt, es macht keinen Spaß, Mensch zu sein.
Auch zu hören im Radio Podcast
Zitat 1: Spiegel online vom 20.4.2024
Die Leute in Kambodscha, Laos oder Vietnam tragen Klamotten in bunten Farben, oft über und über mit den Logos teurer Luxusmarken bedruckt. Besonders beliebt: Prada, Gucci. Die Kleidung ist
gefälscht. Ethnologin Panlee erklärte im Interview: »Mit gefälschter Mode erfüllen sich Menschen den Traum, zumindest dem Anschein nach nicht am Rand der Gesellschaft zu stehen. Ein Stück von
einer bekannten Luxusmarke kann ein Boost fürs Selbstbewusstsein sein. Ein Prada-Logo hilft, sich schön und gut zu fühlen.«
Zitat 2: Spiegel online vom 3.5.2024
Untersuchung des Robert Koch-Instituts: Arme sterben im Schnitt früher als Reiche – und die Kluft wächst.
Menschen mit wenig Geld haben in der Regel eine geringere Lebenserwartung als Gutverdiener. Allgemein sei die Lebenserwartung zwischen 2003 und 2019 im Durchschnitt leicht gestiegen,
berichtet ein Team unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) im Fachblatt »The Lancet Public Health« . Bei Menschen aus ärmeren Wohngegenden allerdings stagnierte die Entwicklung, oder
die Lebenserwartung stieg langsamer.
Als ich das las, kam mir der Gedanke, vielleicht ist das Geld gar nicht so wichtig. Entscheidend für die Lebensverlängerung ist möglicherweise die Wohngegend.
Und da machte ich mich auf, das nachzuprüfen.
Ich ging durch Zehlendorf, den seit ewigen Zeiten beliebten Wohnort reicher Berliner. Diese Stille. Kein Verkehr, keine Straßen mit vollgeparkten Autos. Überall das herrliche Grün. Nicht
die geringste Feinstaubbelastung. Die Luft der süße Atem de Natur. Ich muss zugeben, schon nach einer halben Stunde fühlte ich mich so entspannt und erholt, dass ich jetzt bestimmt ein paar Tage
länger leben werde.
Und so habe ich für die Armen folgenden Vorschlag: Greift euch einen Klappstuhl und marschiert in die Wohnviertel der Reichen und lasst euch dort für ein paar Stunden nieder. Für das nötige
Selbstbewusstsein verseht euch mit gezinkten Gucci-Taschen oder mit Prada-Logos. Und damit man euch nicht entfernen kann, kettet euch irgendwo an. Kleiner Tipp: Die Gartenzäune der Reichen
sind besonders stabil. Und je länger ihr es schafft, dort zu bleiben, umso mehr verlängert ihr euer Leben.
Bleibt ein Haken. Die tägliche Fahrt zum Wohnsitz der Reichen werden sich die Armen nicht leisten können.
Auch zu hören im Podcast:
Zitat 1 aus Nationalgeographik.de vom 28.4.2023: Anthropozän: Das Plastik-Zeitalter ist da
Ein internationales Forschungsteam fand in einem Bach in China Felssteine, die chemisch mit Mikroplastik verschmolzen sind – eine irreversible Reaktion, durch die eine neue Art von Kunststoff
entsteht. Mit Plastik verschmolzenes Gestein ist für die Wissenschaft nun ein endgültiger Beweis für dieses neue Zeitalter.
Zitat 2 aus mdr.de vom 20. 3. 2024: Baum frisst Mikroplastik
Nun haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachgewiesen: Birken können auch in Sachen Plastikmüll-Aufräumen echte Pioniere sein. Allerdings haben sie bereits zeigen können, dass
einjährige Pflanzen wie Weizen oder Kopfsalat Mikroplastikteilchen kleiner als zehn Mikrometer direkt über das Wurzelgewebe aufnehmen. Die Studie ist ein erster Aufschlag bei der Frage, wie Bäume
Mikroplastik aus dem Boden reinigen können.
Ende der Zitate
Große Ereignisse beginnen unscheinbar wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, dessen sich fortpflanzende Bewegung in ferner Zukunft ein Erdbeben auslöst.
Ähnlich begann am 15. Oktober 2011 auf einer Berliner Straße etwas, das die Welt für immer verändern sollte. Ein junger, namenloser Straßenkehrer schob herbstliches Lindenlaub zusammen, ich ging
vorbei, da sagte er mit leidvoller Stimme: „Was für eine Umweltverschmutzung!“
In diesem Moment rührte eine großartige Idee ihren ersten Flügelschlag. Heute viele Jahre später hat sie sich über den ganzen Planeten verbreitet: Die Plastikwerdung der Natur.
In das Wurzelgeflecht der Bäume lässt sich erfolgreich Plastik unterbringen und Steine Verschmelzen mit Plastik, so dass bald alles auf der Erde aus Plastik sein wird, auch der Mensch. Mühelos
speichert er Mikroplastik in seinem Körper durch das Trinken von Wasser und das Einatmen der Luft.
Und so können wir allen Straßenfegern frohgemut zurufen: Macht es heute auch keinen Spaß, Mensch zu sein, so wisset doch, ihr seid der Beginn des Plastikmenschen in einer pflegeleichten
Plastiknatur!
Aus einem Artikel der taz vom 23. Mai 2024
Klimabewegung beklagt Kriminalisierung.Die Staatsanwaltschaft Neuruppin erhebt Anklage gegen fünf Mitglieder der Klimaschutzgruppe Letzte Generation. Der am schwersten wiegende Vorwurf: Bildung
einer kriminellen Vereinigung.
Zitatende
Allgemein wird der Klimaschutzgruppe vorgeworfen, sie füge mit ihren Aktionen dem Lande einen wirtschaftlichen Millionenschaden zu.
Und schon ist die Erregung groß. Wie kann ich etwas zur Beruhigung beitragen? Denn sicher gibt es Schlimmeres. Ich frage die Microsoft-KI. Wer oder was in Deutschland richtet großen
wirtschaftlichen Schaden an?
Hier die Antwort:
Jedes Jahr verliert die EU nach Schätzungen rund eine Billion Euro durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Auf Deutschland bezogen sind das mehr als 160 Milliarden Euro. Die genauen
Zahlen können je nach Quelle variieren, aber es ist klar, dass Steuerverluste durch Tricks von Millionären und Unternehmen eine erhebliche Herausforderung darstellen.
Mehr sagt die KI nicht. Vielleicht weiß sie, man würde ihr sofort den Mund stopfen. Millionäre und Unternehmer tun alles, um wenig oder möglichst gar keine Steuern zu zahlen. Sie beschäftigen zu
diesem Zweck ein Heer von Steuerberatern und Rechtsanwälten, zudem pflegen sie intensive Kontakte zur Politik. Solche Anstrengungen bezeichnet man woanders als„kriminelle Energie“. Und da die
Gruppe der Steuertrickser untereinander gut vernetzt ist, kann man sie getrost eine kriminelle Vereinigung nennen.
Gott behüte, so was darf man nicht mal denken.. Denn was diese Steuertrickser tun, sei völlig legal, die Gesetze sind eben so. Eine Regierungspartei will jetzt sogar noch die Steuern für
Unternehmen senken. Man könnte diese Partei für einen Unterstützer der kriminellen Steuertrickser-Vereinigung halten.
So ist das also. Wenn eine Gruppe von Menschen auf den größten Schaden unseres Planeten - die Zerstörung des Klimas und der Natur – aufmerksam machen will, dann ist das eine kriminelle
Vereinigung.
Wenn aber eine Gruppe den Staat jährlich um 160 Milliarden ärmer macht, um sich selbst reicher zu machen, bekommt sie auch noch eine Steuerermäßigung.
Warum erlauben wir das? Sind wir Menschen so dumm?
Nein, es macht keinen Spaß, Mensch zu sein.
Zitat im Berliner Tagesspiegel vom 14.5.2024:
Das ukrainische Außenministerium hat seine neue Pressesprecherin Victoria Shi vorgestellt. Sie ist keine echte Person, sondern ein mit künstlicher Intelligenz (KI) generierter Avatar, also eine digitale Kunstfigur. Ihr Job: Sie gibt von nun an offizielle – von Menschen verfasste – Erklärungen des Außenministeriums ab.
Ende des Zitats.
Ehrlich gesagt, mich überrascht das nicht. Da Politiker und deren Pressesprecher immer die gleichen Worte sagen, werden wir bald nicht mehr wissen, spricht da ein Mensch oder eine KI-Figur. Schon jetzt bin ich mir oft nicht sicher, spricht da der Bundeskanzler oder sein Avatar.
Nun ja, das wäre nichts Besonderes. Aber in dem Artikel standen auch diese Sätze: „Immer mehr von dem, was wir wahrnehmen, wird zukünftig durch KI erzeugt oder manipuliert worden sein. Es wird immer schwieriger zu unterscheiden, was menschengemacht ist und was nicht.“
Und jetzt, passen Sie mal auf, was mir passiert ist. Als ich dann in einem anderen Artikel las, dass Gorillas mit uns verwandt sein sollen, konnte ich es nicht glauben. Und so fragte ich die Internet-KI: Wieso kann man sagen, dass der Gorilla mit dem Menschen verwandt ist?
Keine Sekunde später erschien auf dem Bildschirm ein imposanter Gorilla, der sagte in fehlerlosem Deutsch: Die Ähnlichkeit des Menschen mit uns Gorillas ist nicht zu übersehen. Er hat zu 98 % unsere Gene. Wir sollten daher den Menschen als Verwandten respektieren und alle Scherze mit ihm unterlassen, z.B. ihn mit Bananen zu füttern.
Sofort schaltete ich den PC ab.
Und ich dachte: Leute, traut der KI nicht! Ihr habt ja keine Ahnung, was sie für einen Unsinn verzapfen kann.
Doch da ich zuvor den Artikel über den Avatar als Pressesprecher gelesen hatte, ging mir durch den Kopf, es könnte sich hier um einen Avatar von Tierschützern handeln. Ein wenig ungehobelt machen sie uns darauf aufmerksam, dass alle Tiere mindestens halbe Menschen sind.
Ganz beruhigt war ich nicht. Nachts konnte ich nicht einschlafen, endlich hatte ich die Erleuchtung: Es war ein Werbevideo, ein Werbevideo für Bananen, solche Videos tauchen oft auf dem Handy oder im Internet auf.
Andererseits: Woher weiß die KI dass ich gerne Bananen esse?
3500 Euro für eine Niere
In Kenia verkaufen immer mehr junge Menschen eine Niere für wenig Geld. Seit der Corona-Pandemie blüht das makabre Geschäft. Die Organe gehen offenbar ins Ausland.
John Onyango sieht ausgemergelt aus, die Wangen eingefallen, die Augen rötlich. Er hebt das Oberteil an, legt eine Narbe frei. Sie zieht sich über mehrere Zentimeter am Unterbauch entlang, ein dunkler dicker Wulst. Unter dieser Narbe saß einst seine Niere.
»Meine Eltern sind tot, ich muss für meine kleinen Geschwister sorgen. Ich hatte keine andere Wahl«, sagt der 33-Jährige. »Außerdem haben so viele hier schon ihre Niere verkauft, das hat mir Mut gemacht. «
Stolze Promimutter Paris Hilton stellt Töchterchen London vor
Fünf Monate nachdem eine Leihmutter ihre Tochter zur Welt gebracht hat, feiert US-Realitystar Paris Hilton die kleine London auf Instagram – und schwärmt von ihrer »unglaublichen Reise durch die Mutterschaft«.
Die Geburt hatte sie im vorigen November bekannt gegeben. Eine Leihmutter hatte das Kind ausgetragen – wie schon den älteren Bruder Phoenix.
Ihre »unglaubliche Reise durch die Mutterschaft« habe sie zu einem Song inspiriert, den sie mit ihrer Freundin, Sängerin Sia, aufgenommen habe: Das Lied »Fame Won't Love You«
Beide Texte sind aus zwei Artikeln in spiegel.de v. 20.4.2024
Ausbeutung ist ja bekannt, dabei geht es um die Arbeitsleistung vieler für den Profit weniger.
Seit einiger Zeit gibt es eine neue Art von Ausbeutung, die Ausbeutung des menschlichen Körpers. Sie wird als medizinischer Fortschritt begrüßt: Organverpflanzung und Leihmutterschaft.
Und so verkaufen die Ärmsten ihre Nieren an Reiche und die gut betuchte Paris Hilton bejubelt ihre unglaubliche Reise durch die Mutterschaft. Eine Lüge, denn die harte Reise durch Schwangerschaft und Geburt machte ein anderer. Eine Frau, die Geld nötig hatte.
Kurzum: Es macht keinen Spaß, ein Mensch zu sein. Es sei denn, man hat genug auf dem Konto.
Anfangs war der menschliche Körper ein Werkzeug, um die Erde zu erobern und die Natur zu bezwingen. Dann kam eine Zeit der Verehrung des Körpers, dies geschah in Ägypten,
Griechenland und im alten Rom.
Dann, in der Folge einer neuen Lehre, belegte man den Körper mit einem Fluch. Er galt als sündiges Fleisch, das man züchtigen müsse.
Die Aufklärung entlarvte den Fluch als Lüge. Man begann den Körper als eine organische Maschine zu betrachten, äußerst kompliziert und bewundernswert in seinen Fähigkeiten.
Von da an begann der Mensch seinen Körper zu pflegen und zu kräftigen, so dass er immer leistungsfähiger wurde. In gleichem Maße wuchs die Bedeutung seines Aussehens. Chirurgen verschönerten ihn
und man forschte nach Mitteln, die sein Altern aufhalten sollten.
Der Körperkult erreichte seinen Höhepunkt merkwürdigerweise zu einer Zeit, als Kriege den menschlichen Körper massenweise vernichteten, plötzlich schien er nicht einmal mehr den Wert von
Schlachttieren zu haben.
Doch die Rettung war nah. Zur gleichen Zeit entwickelte sich die Informatik.
Der Mensch überwand die Grenzen des Raums und er schuf sich eine Welt, wo sein Körper nur noch ein Schemen war.
Bald war die virtuelle Welt des Menschen liebster Aufenthalt.
„Und es wird eines Tages sein, dass der Körper abgelegt werden kann wie eine Last, und das menschliche Gehirn wird leben in der Grenzenlosigkeit des Universums.“
So dachte jetzt der Mensch, und als die Technik ihm die Möglichkeit dazu gab, verzichtete er völlig auf seinen Körper – und so verschwand er. Seitdem existierte er als elektronisches Partikel im
Universum.
Und die Erde war menschenleer. Pflanzen und Tiere lebten in freier Entfaltung und ihre Körper waren von makelloser Schönheit.
Als die Partikel im Universum, Menschheit genannt, das sahen, erkannten sie: Die Erde war das Paradies.
Sehr geehrtes Patentamt!
Hiermit stelle ich den Antrag auf Patentierung meines Körpers.
Die Gründe sind folgende:
Da man längst Schafe klonen kann, muss ich davon ausgehen, dass dies früher oder später auch mit Menschen möglich ist. Das will ich für mich bzw. für meinen Körper verhindern.
Zwar werde ich meinem Klon niemals begegnen können, er muss ja erst als Kind zur Welt kommen und heranwachsen, aber die Vorstellung, dass mein Körper, den ich sehr liebe, eines Tages
fremden Händen zur Verfügung steht, lässt mich nicht schlafen Denn da mein Klon meine hervorragenden körperlichen Eigenschaften hätte wie schnelles Laufen (mit einer Verdopplung bei Gefahr), fast
10 Klimmzüge, 12 Hebestütze und ein 35minütiges Schwingen einer Axt beim Holzspalten, sehe ich ihn gefährdet. Es wäre für alle ein verführerischer Gedanke, ihn wie einen Sklaven zu behandeln.
Daher bitte ich Sie, mir die Bestätigung der Patentierung meines Körpers schnellstmöglich zuzusenden.
Nun habe ich kürzlich im Fernsehen gesehen, dass es bereits möglich ist, digital geklont zu werden dank einer sogenannten KI. Ich finde auch diese Möglichkeit für außerordentlich bedenklich. Man
stelle sich vor: Plötzlich taucht man im Internet auf und behauptet, der Bundeskanzler sei in Wirklichkeit ein Krokodil. Was für einen Ärger man mit Tierfreunden bekäme! Oder man sieht sich
als Teilnehmer eines Pornofilms. Wie soll man das seiner Frau erklären?
Daher beantrage ich zweitens das Copyright meines digitalen Körpers. Da mir bewusst ist, dass mein gut aussehender Körper sehr begehrt ist und wirkungsvoll für Werbezwecke eingesetzt werden
kann, bin ich jedoch bereit, gewisse Ausnahmen zuzulassen, jedoch halte ich eine angemessene Vergütung für angebracht. Die monatliche Gebühr für den kompletten Körper beträgt 10.000 Euro, nur für
das Gesicht 6.000 Euro und genügt meine Stimme, so bin ich mit 4.000 Euro einverstanden.
Ich sende Ihnen hiermit 4 Nacktfotos von mir, rechts, links, vorne und hinten, zusätzlich 12 weitere mit Einzelheiten meines Körpers sowie eine Kopie meines Ausweises und meine
Steuernummer.
Sollten Sie mich für Ihre Unterlagen scannen wollen, so stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Alle naslang will jemand die Welt verbessern, schon seit Jahrtausenden. Aber hat das auch nur einer geschafft? Ein Blick auf unsre Welt heute genügt. Da kann es einem übel von werden. Und solches
zeigt ein völliges Versagen aller Idealisten, Philosophen, Visionäre und Utopisten. Sie schaffen es nicht. Es kann ja auch gar nicht klappen! Und warum? Ich sag es Ihnen! Man muss
unten anfangen bei der Verbesserung, dort an der Wurzel liegt die Ursache allen Übels. Kurz gesagt: es ist der Mensch. Also beginnen wir den Menschen zu verbessern. Eigentlich sind es nur
zwei Sachen, die wir bei ihm abschaffen müssen. Die Dummheit und die Aggressivität. Wenn es die nicht mehr gibt, wird auch die Welt endlich besser.
Und so habe ich etwas erfunden, dahinter steckt eine raffinierte Idee. Sehn Sie.. Hier ist das Ding. Ein Jahr Arbeit steckt darin. Es ist ein digitales Modul mit einem Lämpchen, das trägt
zukünftig jeder Mensch auf der Stirn, sozusagen als sein aktuelles Erkennungsmerkmal.
Denkt der Mensch an etwas Dummes, leuchtet das Lämpchen blau, richtig, wie das Blaulicht bei der Polizei. Ist er aggressiv, leuchtet es rot, auch das hat seinen Sinn, es ist das Ampelrot. Und
dann gibt es noch das Grün, das ist selbstverständlich total positiv, es zeigt einen klugen und friedlichen Menschen, mit dem man gut leben kann.
Somit sehen Sie immer was für ein Mensch Ihnen entgegenkommt. Ist das Lämpchen blau oder rot, machen Sie einen großen Bogen um ihn. Und zeigen Sie Ihren Ekel im Gesicht! Er soll spüren, was
er ist.. Igitt, mit dem will keiner was zu tun haben. Sie sollen mal sehen, wie gut diese erzieherische Maßnahme wirkt! Jedenfalls wird der Typ nächstes Mal sich gut überlegen, ob er wieder
dumm oder aggressiv daher kommt.
Und jetzt demonstriere ich es Ihnen mal an meiner eigenen Person. Ich bin absolut friedlich und garantiert nicht dumm. Wetten, das Lämpchen ist grün. Ich setz das Ding jetzt auf. So…
Was? Es blinkt abwechselnd blau und rot? Lachen Sie nicht! Das kann nur eine Störung sein. Warten Sie.. Was sagt die KI? Na bitte! Haben Sie’s gehört? Da ist ein Hacker drin.
Und wer bitte ist das?.. Aha. Die AfD, die Aktion für Dummheit. Also echt.. Die sind ja zur Dummheit auch noch aggressiv! Für so was muss ich noch eine besondere Farbe erfinden. Wie wär’s
mit braun?
Ja, es sind schlimme Zeiten.
Gerade jetzt brauchen wir Reden, die uns aufmuntern, die uns den Weg in die Zukunft zeigen. Mitreißende Reden, leidenschaftliche, begeisternde Reden, bei denen die Herzen höher schlagen und die
Augen zu leuchten beginnen – und nicht weiter ins Tal der Tränen führen.
Einmal gab es in Deutschland solche Reden. Hier ein Auszug aus einer Rede im Jahre 1972.
„Für J.F. Kennedy und seinen Bruder Robert gab es ein Schlüsselwort, in dem sich ihre politische Leidenschaft sammelte (...). Dieses Wort heißt ‚Compassion‘: Die Übersetzung ist nicht
einfach ‚Mitleid‘, sondern die richtige Übersetzung ist die Bereitschaft mitzuleiden, die Fähigkeit, barmherzig zu sein, ein Herz für den anderen zu haben. Liebe Freunde, ich sage es Ihnen und
ich sage es den Bürgerinnen und Bürgern unseres Volkes, habt doch den Mut zu dieser Art Mitleid! Habt den Mut zur Barmherzigkeit! Habt den Mut zum Nächsten! Besinnt euch auf diese so oft
verschütteten Werte! Findet zu euch selbst!“
Jetzt raten Sie mal, wer das gesagt hat. Ja, das war Willy Brand auf dem SPD-Parteitag 1972.
Jahre später sagte der SPD-Bundeskanzler Schröder in seiner Agenda 2010 etwas ganz anderes und die Grünen stimmten zu. Auch der heutige Bundeskanzler, ebenfalls ein
SPD-Mann, scheint die Brandt-Rede völlig vergessen zu haben.
Die SPD sollte sich beim nächsten Parteitag die Rede unbedingt noch einmal anhören. Vielleicht besinnt sie sich und macht kurz vor dem Abgrund eine Wende.
Und die anderen Politiker, die der CDU/CSU und FDP, worüber reden die? Achja, die Flüchtlingskrise. Ein Klagen, Schimpfen und Zetern und eine Hetze gegen die Schwächsten, gegen die
vor Not und Krieg Geflohenen. Wobei die FDP die sozial Schwachen in unserem Land gleich dazu packt.
Und so reiben sich die Politiker einer ganz anderen Partei die Hände. Und warten auf noch schlimmere Zeiten und schlimmere Reden.. Denn dann, so glauben sie, beginnt ihre große Zeit.
Hatten wir nicht schon mal die große Zeit?
Hierzu noch ein Zitat von Willy Brandt:
"Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben."
Ach, Willy! Steh auf!
Vor gut 20 Jahren schrieb ich ein Gedicht, es war ein Rückblick auf mein bisheriges Leben. In ihm kamen diese Verse vor:
„Nicht dass mein Fuß
Auschwitz je berührte,
doch berührte
mich Auschwitz ganz.“
Ich stellte es in ein Lyrikforum und bekam viele zustimmende Klicks. Gut zwei Jahre später las ich es noch mal und erschrak. In der Zeile „doch berührte mich Auschwitz ganz“ stand nicht Auschwitz
sondern Ausschwitz.
Keiner hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Entweder hatten alle es überlesen oder sie hielten es bloß für ein Versehen.
Ein Versehen? Zweimal s zu tippen, das kann kein Versehen sein.
Laut Wikipedia gibt es sprachliche Äußerungen, die gemeinhin als „Versprecher“, „Verhören“, oder „Versehen“ bezeichnet werden, die aber, so Freud, auf einer unbewussten Ebene durchaus Sinn
ergeben.
Und so fragte ich mich: Litt ich wirklich an Auschwitz oder wollte ich es in Wahrheit „ausschwitzen", also vergessen?
Ich fühlte mich ertappt und löschte das Gedicht, als hätte es das nie gegeben.
In einem Archiv stieß ich auf die Geschichte einer Brandmauer, die verblüffend der CDU-Brandmauer gleicht. Gern bringe ich die Geschichte in Erinnerung.
Einst war in Schilda ein ganzer Stadtteil abgebrannt, obwohl das Feuer nur in einem Haus begonnen hatte. Das Entsetzen war groß. Das durfte nicht noch einmal passieren.
Während einer Bürgerversammlung erhob sich einer, er war der Klügste von allen, er sagte: „Leute, wir müssen eine Brandmauer bauen.“
Ja, schrien alle, du hast es mal wieder. Was für ein Genie, der Mann!
Doch plötzlich gab es Unruhe. Es war eine Gruppe von reichen Hausbesitzern: „Um Himmel willen!“ schrien sie. „Wisst ihr eigentlich, was so eine Brandmauer kostet?“
Sie hatten Recht. Auch den kleinen Hausbesitzern fiel ein, dass so eine Brandmauer Kosten verursacht.
Da erhob sich der Klügste erneut und sagte: „Wir stellen zwischen die Häuser ein Schild auf und schreiben darauf: Brandmauer.“
Wieder brach Begeisterung aus, denn die Einrichtung dieser Brandmauer war sehr kostengünstig.
Somit bewiesen die Schildbürger wie schon oft, dass sie nicht nur mit jedem Problem fertig werden, sondern auch vernünftig sind und auf die Kosten achten.
Danach hatten sie keinen Grund mehr, sich vor dem Feuer zu fürchten. Im Gegenteil: sie begannen mit dem Feuer zu spielen. Ein Spiel fand besonderen Beifall: Das Zündeln an der Brandmauer.
Das Graffiti auf der Wand muss jeder lesen, der zur S-Bahn geht.. Die Reichen essen? Echt? Das kann doch nur ein Witz sein. Nein, es ist ernst gemeint, zumindest in dem Film "Eat the rich" aus dem Jahr 1987. So steht es in Wikipedia. Der Inhalt des Filmes in Kürze:: Ein Kellner in einem Nobelrestaurant wird wegen Hautfarbe und Schwulsein gemobbt, dann gefeuert, worauf er sich rächt. Mit seinen Freunden tötet er die Angestellten und Gäste, verarbeitet diese zu Essen für die nächsten Gäste.
Mittlerweile sind fast 50 Jahre vergangen. Heute geht es den Reichen viel besser als damals. Und die Zahl der Hungernden auf unserem Planeten ist größer geworden. Sollte man also den Vorschlag ernst nehmen? Nein, ich rate ab, Reiche zu essen. Man würde sich den Magen verderben, vielleicht sogar vergiften. Wer weiß schon genau, was sie alles an Pillen und Säfte schlucken, welche Schönheitsoperationen sie vornehmen und was für Implantate und Prothesen sie installiert bekommen, um jung und schön zu bleiben. Bei so viel chemisch-technischer Behandlung stellt sich womöglich die Frage, ob man ihre Körper im Todesfall nicht gesondert entsorgen muss.
Nein, wirklich, einen Reichen zu essen, das ist keine gute Empfehlung, Reiche gehören eher auf die Liste ungesunder Lebensmittel. Aber was die Reichen essen, das st interessant. Ihr Appetit ist größer geworden und sie sind auf einen besonderen Geschmack gekommen.
Sie essenunseren Planeten!
Sie zerstören das Klima durch die Verdauungsgase ihrer Jets und Jachten, mit ihren riesigen Villen, Golfplätzen und Landebahnen zernagen sie die Natur und mit ihrer unbändigen Gier auf Luxus verschlingen sie die Schätze der Erde.
Also gilt es heute, nicht die Reichen zu essen, sondern sie am Essen zu hindern.
Nicht das in ihren 4-Sterne-Lokalen. Sollen sie dort ruhig schlemmen! Aber das Verzehren des Planeten müssen wir verhindern.
Wie schaffen wir das? Na, ganz einfach. Besteuern wir die Superreichen mit mindestens 50 %! Und das ohne Schlupflöcher. Dann hätten sie kleinere Jachten, kleinere und weniger Jets, kleinere und weniger Villen. Und mit dem Geld, das sie abgeben müssen, finanzieren wir das Essen für alle hungrigen Menschen auf unserem Planeten.
Ich hatte sie auf einer Demo kennengelernt. Sie trug einen eleganten Trenchcoat, ihr Gesicht hatte ein dezentes Make-Up und die dunklen gelockten Haare gaben ihr ein mädchenhaftes Aussehen,
aber sicher war sie schon um die 40. Wir verstanden uns gut und nach Abschluss der Demonstration, lud sie mich zu einem Kaffee ein.
Wir unterhielten uns angeregt über kulturelle Dinge, ich kam dabei auf ein Komödie zu sprechen, die ich kürzlich im Theater gesehen hatte. Sie wollte wissen, wie das Stück beim
Publikum angekommen sei und ich, überwältigt von der Erinnerung, platzte heraus: „Wir lachten bis zur Vergasung“.
Sie zuckte zusammen und sagte langsam: „Weißt du, was du jetzt gesagt hast?“
Es überlief mich eiskalt, ich erkannte sofort die wahre Bedeutung des Satzes und entschuldigte mich. Aber es war zu spät, das Gespräch tröpfelte und ich verabschiedete mich bald.
Auf dem Heimweg fragte ich mich: Wie konnte das passieren? Ich bin kein Antisemit, Bei Gott, nein! Aber wie kam ich zu diesem furchtbaren Satz? Und dann fiel es mir ein: Der Satz stammte aus den
50er Jahren.. Wir Kinder sagten ihn, wenn wir etwas besonders Lustiges gesehen hatten. Es war ein Satz, den wir von Erwachsenen übernommen hatten.
Ich wünschte, ich hätte meiner Gastgeberin noch sagen können, dass nicht ich den Satz gesagt habe, sondern das Kind aus der Nachkriegszeit.
Warum erzähle ich das?
Ich frage mich, was dem Mund eines Kindes von heute in 20-30 Jahren versehentlich entschlüpfen wird. Und ob es sich dann wie ich schämen muss.
In der Wendezeit hatten wir unsere Westberliner Wohnung aufgegeben und ein Häuschen im Brandenburgischen gekauft. Schon am zweiten Tag bekamen wir Besuch. Der Mann trug einen etwas zu großen
Anzug, seine blassen Augen blickten vorwurfsvoll, und die abgenutzte Aktentasche war gut gefüllt.
Ich wollte mich als guter Wessi erweisen, bat ihn Platz zu nehmen und ließ ihn reden. Er empfahl mir, meine Ersparnisse bei einem Schweizer Fonds anzulegen, dessen Vertreter er sei. Ich bekäme
einen Zins von 12 %. Die Banken dagegen böten nur 5 %.
„Leider haben wir nichts Erspartes“, sagte ich.
„Das macht nichts“, meinte er. „Nehmen Sie einfach eine Hypothek auf das Haus.“
„Haben wir schon“, sagte ich.
„Na, dann eben noch eine zweite“, sagte er.
Es kam zu keinem Abschluss. Beim Einpacken der Broschüren murmelte er, aber so, dass ich es gut hören konnte: „Man hat gesehen, wie Honecker in die amerikanische Botschaft ging, und
dann kam er mit einem Aluminiumkoffer heraus. Er hat die DDR an die Amerikaner verkauft.“
Er verließ uns mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der die Last eines weltpolitischen Geheimnisses auf den Schultern trägt.
Heute Vormittag lieferte uns der Fahrer des Eiswagens die bestellte Ware. Als ich deren Verteuerung kritisierte, meinte er: „Ja, alles wird teurer, das liegt an den Kriegstreibern, den
Amerikanern.“
„Aber einmarschiert sind doch die Russen.“ sagte ich.
Er schüttelte den Kopf: „Das sind keine Russen, sondern als Russen verkleidete Amerikaner.“
„Soso.." spottete ich. „Dann kämpfen also die Ukrainer gegen die Amerikaner?“
Sein Gesicht kam mir nahe, ich spürte seinen Atem.
„Mann! Ukrainer gibt es doch gar nicht!. Das sind Russen!“
Sprachlos bei so viel Dummheit stieg er in den Wagen und fuhr davon.
Als ich das meiner Frau erzählte, war sie zu meiner Verblüffung keineswegs überrascht.
„Du glaubst ja nie was“, sagte sie, „aber ich weiß schon lange, was wirklich passiert. Die Erde steigt in eine höhere Dimension, darum das ganze Durcheinander, aber keine Angst, bald sind wir in
einer besseren Welt!“
Bei Gott, jetzt glaube ich wirklich was, und das tut richtig weh: Mit mir stimmt was nicht! Wieso wissen alle die Wahrheit, bloß ich nicht? Bin ich etwa blind? Aber vielleicht muss ich einfach
genauer hinsehen.
Zum Beispiel jetzt. Die Nacht da draußen. Die seh ich mir jetzt mal richtig an. Aber zuvor zur Beruhigung noch einen Schnaps. So.. Noch mal einen .. Na bitte! Jetzt seh ich's! Hat nicht mal fünf
Minuten gedauert. Sofort ins Internet damit:
Leute! Die Nacht ist gar keine Nacht. Sie ist ein als Nacht verkleideter Tag!
Es war einmal ein König, der hatte zwei Minister, einen Finanzminister, den er am liebsten hatte, und einen Klimaminister, den er weniger mochte. Außerdem sprach er ganz leise, und das war gut
so, weil er sein Volk nicht aufregen wollte. Als der König einmal das Volk mahnte, nicht mehr so viel Unfug zu treiben, wie beispielsweise Leute zu schlagen, die eine andere Hautfarbe
haben, hörte ihn keiner, und so hatte er keinen Ärger mit dem Volk.
Ein andermal, als ihm der Finanzminister sagte, man dürfe keine Schulden mehr machen, sagte der König, das Volk solle den Gürtel enger schnallen, es kämen harte Zeiten. Aber das war so leise
gesprochen, dass es keiner hörte, und das war gut so, sonst hätte der König Dresche bekommen.
Und es war zu dieser Zeit, da gelang es dem Klimaminister, sich dem König zu nähern und ihm zu sagen, Ausdünstungen und Abgase würden die Luft so heiß machten, dass überall das Eis zu
schmelzen beginne.
Der König war gnädig und sagte dem Volk, es solle brav sein und seine Kühe und Pferde nicht mehr so viel pupsen lasse. Aber das hörte keiner, und das war dem Finanzminister ganz recht, weil er
mit seinem geliebten Rennpferd gern er über Felder und Auen jagte, wobei das Pferd ganz schön pupsen musste.
Aber dann passierte etwas, dass sich sogar der König wunderte. Das Volk war nicht mehr zu sehen. Wo war es hingelaufen? Er schickte einen Späher aus und der fand das Volk hinter dem Schloss. Da
hörte es einem Mann zu, der mit lauter Stimme verkündete, er würde das Volk groß machen, größer als je zuvor, und jeder im Volke würde reich und glücklich werden.
Als der König das erfuhr, räusperte er sich, aber es war schon zu spät. Denn das Volk strömte zu seinem Schloss und er musste abdanken.
Vom Volk und dem abgesetzten König war nichts mehr zu hören. Der neue König zwang alle zum Schweigen und das nicht nur mit der lauten Stimme.
Ich bat einen mir gut bekannten Gymnasiallehrer, über die neusten Entwicklungen der deutschen Sprache eine Unterrichtsstunde abzuhalten. Er war so freundlich, meine Bitte zu
erfüllen und wies mir einen Platz in der letzten Reihe seiner Klasse an. Und so begann er mit seinem Vortrag:
„Herrschaften, wir haben heute ein interessantes Thema. In letzter Zeit hört man oft, wie einer sagt: 'Ich gehe davon aus'. Alle Naslang hört man das. Sogar in allerhöchsten Kreisen.. Was ist
will man damit sagen?
Eine Kerze, nicht wahr, geht vom Pusten aus. Und manches Ding geht von einem Knopfdruck aus. So komfortabel ist das.
Aber, bitte schön, wie ist das beim Menschen. Wovon geht der aus? Wer weiß das? Keiner?
Na, da stellen wir uns mal ganz dumm.
Herrschaften, der Mensch muss doch eine Riesenangst haben, sobald er den Mund aufmacht. Was, wenn daraus nur Blödsinn kommt? Passiert schon mal. Passiert sogar ziemlich oft. Und was dann?
Also denkt der gute Mensch: Klappe halten, sofort! Aber, Donnerwetter, der Apparat läuft weiter, er geht nicht aus.... Herrschaften! Das ist doch grauenhaft! Der Mensch kann die Schnauze nicht
halten! Wo ist denn um Himmels Willen der Ausschalter? Weiß das einer? Nein?
Na, da greifen wir einfach zur Gebrauchsanleitung.
Bloß, da ist keine. Hat der Hersteller wohl vergessen. Brauchen wir auch nicht. Der Mensch hat nämlich einen eingebauten Wackelkontakt. Da genügt ein Klaps und …Herrschaften, da hinten will uns
einer was sagen. Bitte sehr... Wie meinen? Ausgehen, das heißt mit den Füßen? Von einem Standpunkt? Also mit einem Fuß stehen, mit dem anderen gehen? Großer Gott, wie das wohl aussieht..
Junger Mann, geben Sie sich schleunigst einen Klaps, damit Sie davon ausgehen. Sie reden sich ja um Kopf und Kragen. Nein, so was, die Stunde ist rum.. Das nächste Mal, Herrschaften, behandeln
wir das allseits beliebte 'Das ist nachvollziehbar'. Stellt euch schon mal ganz dumm.“
Es war ein Herbstnachmittag, ich war bei Gunnar zu Besuch, meinem schwedischen Freund. Wir sprachen über den gegenwärtigen Balkankrieg. Er hatte in jungen Jahren Kroatien durchwandert und zu
jeder Stunde hörte er die neusten Nachrichten, als befände sich sein Häuschen an der Front.
Auf seinen Knien lag die Katze und seine schwere, schwielige Hand strich über ihr weißfleckiges Fell. Mit geschlossenen Augen genoss sie die Zärtlichkeit einer Engelhand.
Plötzlich erzählte er, wie er letzten Sonntag in der Kirche während der Predigt des Pastors aufstand und ihn bei einem Bibelzitat korrigierte. Wahrscheinlich erwartete er ein bewunderndes
Lob von mir. Aber es war eine bekannte Unart von ihm, mit seiner Besserwisserei ohne Rücksicht auf die Situation herauszuplatzen. Das sagte ich ihm und wie ein Kind, das eine Bestrafung
erwartete, sah er mich an.
Sein Blick traf mich. Ich wünschte, ich hätte den Mund gehalten. Denn an mir haftet ein ähnlicher Fehler, allerdings das Gegenteil von seinem: Ich schweige oft, wo ich reden sollte..
Und dann sagte er: „Weißt du, woher ich mich in der Bibel so gut auskenne?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, begann er aus der Zeit des 2. Weltkriegs zu erzählen. Zwar war Schweden neutral, hielt
aber eine starke Armee von Wehrpflichtigen und eines Tages wurde er einberufen. Er war Pazifist, weigerte sich, den Drill mitzumachen, so dass er die meiste Zeit im Arrest saß und da gab es
nichts anderes zur Unterhaltung als eine Bibel.
Er hatte aufgehört, die Katze zu streicheln, da mauzte sie, und während er sie wieder zu streicheln begann, murmelte er: „Rechts rum! Links rum! Aufstehen! Hinlegen! …So fägt Krieg
an.“
Wenig später saß ich auf meinem Fahrrad. Der Mond färbte die Sandstraße knochenweiß. In seinem Gesicht stand stummes Entsetzen. Ich radelte, so schnell ich konnte, aber ich bekam ihn nicht los
und als ich die nachtdunkle Hütte betrat, war ich bereit, für die kalte Umarmung des Winters.
Mein schwedischer Freund war ein Wanderer zwischen den Welten und so war er auch in den Sprachen bewandert, besonders in der deutschen. Ihm fiel sofort auf, dass unsere Sprache zu unserem Unwohlsein beiträgt und er nannte mir auch gleich, was an ihr zu ändern sei, damit es uns bald so gut gehe wie den Menschen in Schweden.
„Erstens“, sagte er, „müsst ihr das Siezen abschaffen. Wenn ihr euch alle duzt, gibt es kein Oben und kein Untern und man kommt sich näher. Ihr werdet sehen, wie leicht dann das Zusammenleben wird.
Zweitens, da du gerade Schwedisch lernst, such nicht im Lexikon nicht nach dem schwedischen Wort für „fressen“ suchen, das gibt es nicht. Denn Menschen und Tiere essen auf gleiche Art, jedenfalls in Schweden. Bei uns gibt es nur ein Wort für „essen“, nämlich „äta“, und das gilt für Mensch und Tier.“
Jetzt aber protestierte ich: „Hast du schon mal Tiere mit Gabel und Messer essen sehen? Also bitte!“
„Jaso“, sagte er, „ich dachte, wir alle essen mit Mund und Zähnen, wie es die Natur verlangt. Das solltest du auch so sehen, vielleicht bekommst du dann ein besseres Verhältnis zu den Tieren.“
Und dann fragte er mit einem schrägen Seitenblick: „Sag mal, bei euch heißt es doch „das“ Mädchen. Kommen in Deutschland die Mädchen geschlechtslos zur Welt? Bei uns sind sie vom ersten Atemzug an weiblich, darum nennen wir ein Mädchen auch „flickan“, und nicht „flicket“. Handelt es sich bei euch möglicherweise um einen nationalen Defekt? Und wie heilt ihr ihn? Denn es gibt doch schließlich Frauen bei euch!“
„Natürlich“, knurrte ich, „sie brauchen zur zu heiraten, dann sind sie Frauen.“
„Jaso“, sagte er. „In Deutschland ist also Heiraten die magische Verwandlung eines Mädchens in eine Frau. Wie in einem Märchen. Aber was passiert dann euren Jungs, wenn sie heiraten? Männlich sind sie ja schon? In was verwandeln die sich?“
Ich schwieg. Und schimpfte im Stillen auf meinen Deutschlehrer, der uns dieses Rätsel nicht erklärt hatte.
„Mir scheint“, sagte mein Freund und beendete das Gespräch, indem er sich einen Bonbon in den Mund steckte, „ihr Deutschen habt noch einiges zu lernen. Fangt mit der Sprache an. Sagt nicht mehr „das“ Mädchen, sondern „die“ Mädchen, Mehrzahl „Mädchens“. Wirst sehen, das macht auch die Frauen glücklicher.“
Ich versprach es ihm.
Das war vor 50 Jahren. Nichts hat sich geändert.
Ich sah ein Pärchen an einer Bushaltestelle. Eine Frau kam vorbei, warf einen verächtlichen Blick auf den dunkelhäutigen Mann, spuckte das Mädchen an und ging weiter.
Das Mädchen wischte sich die Spucke aus dem Gesicht und sagte ihrem erschrockenen Freund: „Eine reinrassige Deutsche“.
Ich wollte mich für die Frau entschuldigen, aber da kam der Bus und die beiden stiegen ein.
Ich schämte mich für das, was passiert war. Nachts konnte ich nicht einschlafen, mich plagte die Frage, ob ich ein reinrassiger Deutscher sei? Plötzlich stand an meinem Bett eine weiß
verhüllte Gestalt und eine weibliche Stimme sagte: „Komm, ich zeig dir was!“
Und wir flogen in den hohen Norden. Bei einen Holzfäller stoppten wir, sie fragte ihn, für wen er mich halte. Mit einem flüchtigen Blick zu mir sagte er, Südländer könne er nicht gebrauchen, die
fänden alles lustig und statt den Mund zu halten wie es sich gehört, zögen sie lärmend durch den Wald.
Das war wohl der Grund, warum wir in der Toscana landeten und eine Bäuerin fragten. Ja, sie kenne mich. Meine Größe gefiele ihr, ich sei aber ein Spaßverderber, ein mürrischer Kerl, wenn auch
tüchtig und fleißig, eben ein Nordländer.
Im nächsten Augen blick waren wir in Russland, versperrten einem Mütterchen den Weg. Sie schimpfte gleich los, mit einem verweichlichten Westler wolle sie nichts zu tun haben. Ich ging ja
lieber ins Bolschoi-Ballett statt zu einem Boxkampf und könne nicht mal Wodka richtig saufen. „Hau ab nach deinem Frankreich!“ sagte sie noch.
Wir gehorchten und befragten eine jungen Pariserin, die gerade ihren Blumenladen aufmachte. Na klar, sie kenne mich gut. Wie ein Bär stürme ich jeden Samstag in ihren Laden und mit einem Arm
voller Rosen ging ich singend raus. Wahrscheinlich sei ich nie ganz nüchtern, bestimmt hätte ich russische Vorfahren...
Und dann lag ich wieder in meinem Bett, und die Gestalt sagte: „Siehst du, das bist du alles“
„Ich lach mich tot“, knurrte ich. Und hoffte, der Alptraum wäre zu Ende
Da fiel ihr Schleier und ich sah ihr Gesicht, es hatte ein Grübchen in der linken Wange, es erinnerte mich an meine Mutter, sie sagte: „Ich bin Germania, deine Mutter. Und du, kapier es
endlich, du bist das Kind vieler Väter.“
Ich fuhr hoch.
„Beruhig dich!“ Sie drückte mich nieder.und breitete auf meinem Bett eine Europakarte aus. „Da, sieh hin, inmitten von Europa ist mein und dein Zuhause. Wer von Ost nach West will oder von West
nach Ost oder von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord, der muss mit mir Bekanntschaft machen. Das ist seit 5000 Jahren so.Und jetzt tu nicht so moralisch, du hast Eigenschaften von
vielen Vätern, das ist ein Schatz, nutze ihn und jammere nicht!“ Sie hauchte mir einen Kuss auf die Stirn und ich schlief ein.
Zum Frühstück aß ich ein Baguette mit schwedischer Blaubeermarmelade. Dann setzte ich mich mit einem Glas Rotwein in den Garten und las einen Roman von Michail Bulgakow: Der Meister und
Margarita.
Ich war glücklich.
In meiner Ferienhütte war nur ein kleines Fernsehgerät, aber es reichte. Es stand nahe bei einem Fenster, so dass ich mal auf den Schirm und mal nach draußen sehen konnte. Einmal sah ich
eine Natursendung, und plötzlich - ich blickte hin und her – sah ich deutlich, dass die Linde vor meinem Fenster und der Wald dahinter unterbelichtet waren. Auf dem Bildschirm waren die Bäume und
Büsche nicht einfach grün, sie strahlten grün, während draußen die Farben geradezu stumpf aussahen.
Schäm dich, Natur, dachte ich, im Fernsehen ist die Natur viel besser.
Sie kann nichts dafür. Diese Natur war ein Fake. Und erinnerte mich an meine Zeit in einer Werbeagentur.
Ich durfte dabei sein, als der Werbefotograf das Produkt für die Aufnahme bearbeitete. Nicht nur, dass er es richtig ausleuchtete, es wurde geputzt, lackiert, befeuchtet. Dem Betrachter lief
später beim Anblick des Fotos auf der Anzeige das Wasser im Mund zusammen. Heikel bloß, dachte ich, wenn der Käufer die Wurst auspackt. Sie wird blass aussehen. Aber, wie es schien, keiner merkte
den Unterschied. Die Wurst wurde in Massen gekauft.
Heute geht das viel einfacher. Man hat ein Fotobearbeitungs-Programm im PC oder auf dem Smartphone und verschönert das Bild. Und schon entsteht eine Welt, in der der Dreck an den Schuhen so schön
aussieht wie die gepflegte Haut eines Models.
Mittlerweile hat der Verschönerungsrausch die Menschen ergriffen. Fernsehen und Smartphone zeigen geschönte Menschen und die Fans und Followers strengen sich an, durch Selbstoptimierung wie sie
auszusehen.
Das ist mühevoll, aber der Mensch ist kreativ, vor allem, wenn sich daraus ein Geschäft machen lässt, und so werden Elon Musk, Google und Meta uns die Mühe abnehmen, sie werden uns Brillen mit
einem Verschönerungsprogramm verkaufen. Wer sie trägt, wird – wo immer er geht und steht – nur bildschöne Menschen sehen. Und eine verschönte Welt gleich dazu. Schon heute gibt es ja eine
virtuelle Welt, die man sich schön machen und in die man fliehen kann
Ich bin sicher, in ein paar Generationen werden die Menschen virtuell geboren. Sie werden die ersten sein, die fröhlich in der schönsten aller Welten leben – während um sie herum alles in
Schutt und Asche liegt.
Wieso fällt mir jetzt das Lied von Pippi Langstrumpf ein?
Unser Kindheitstraum. Endlich.
Gestern streute ich unter den kahlen Apfelbaum Vogelfutter aus. Kaum war ich oben in meinem Zimmer am Fenster, sah ich unter dem Apfelbaum den ersten Vogel sich pickend über das Futter hermachen. Der Größe und dem schwarzen Gefieder nach ein Amselmännchen. Dann kam eine kleine Meise, noch eine, dann Spatzen und immer, aber sie kamen nicht ans Futter. Denn immer wenn einer der Winzlinge näher kam, schoss die Amsel auf ihn los und verjagte ihn. Dann landete neben ihr die zweite Amsel und die Meisen und Spatzen bekamen es auch noch mit ihr zu tun.
Und dann geschah etwas. Die Meisen und Spatzen stellten sich in Front zu den Amseln.
Das war merkwürdig. Ich ging hinunter und als ich fünf Meter vor dem Apfelbaum stand, hörte ich die kleinen Vögel piepen. Durch den zagen Ton, der mir bekannt vorkam, verstand ich sofort, was sie sagten: „Gerechtigkeit!“
Die beiden großen Vögel stellten sich in Position und das in einer elitären Haltung, die mir bekannt vorkam, so dass ich ohne Schwierigkeit heraushörte, was sie da pfiffen: „Sozialneid, was?“
Mich ärgert dieser Begriff seit jeher, und so sagte ich laut (und hoffte, die Amseln würden es am Klang meiner Stimme verstehen): „Verflucht noch mal, könnt ihr nicht abgeben?“
Worauf vor Schreck sämtliche Vögel davon flogen.
Ich überlegte. Gerechtigkeit ist doch einfach zu machen: Gib jedem seinen Essplatz und sein eigenes Essen. Amseln zum Beispiel sind Bodenpicker. Sollen sie unter dem Apfelbaum ruhig weiterpicken. Für die anderen Vögel hängte ich ein Vogelhäuschen in den Apfelbaum und füllte es mit Sonnenblumenkernen. Auf der Haustreppe sah ich mich um und konnte mit Freuden feststellen, dass die ersten Meisen ins Häuschen aus- und einflogen.
Ich ging in mein Zimmer, setzte mich an den Schreibtisch. Nach einer Weile trat ich ans Fenster und sah hinaus. Sich ans Vogelhäuschen anklammernd, schielte eine Amsel in die Futterluke.
Es heißt, die Aggressivität steckt in uns. Ein Erbe aus unserer Vorzeit. Wenn das so ist, dann bleibt uns nichts anderes zu tun, als sie zügeln. Aber was machen wir? Wir fördern sie. Ja wie denn?
Ganz einfach. Wir machen daraus ein Event. In Filmen, Videospielen, auf der Bühne und im Boxring. Bei manchen Gewaltszenen in einem Film sind Filmkritiker geradezu begeistert. Weil die Szenen so
ästhetisch gelungen sind.
Hier ist die Gewalt nicht ordinär, sie hat Niveau. Nach der Devise: Zeigt Stil bei der Gestaltung der Blutlachen! Zelebriert den Tatvorgang in allen Einzelheiten! Lasst ihn am besten wie eine
antike Opferung aussehen. Denn wir haben einen sehrt verfeinerten Geschmack.
Sicher wird man in den Feuilletons bald von einer Gewaltkultur reden.
Ach Gott. Die Wahrheit ist viel simpler. Wir sind der Gewalt verfallen. Wir sind süchtig nach ihr. Wir verlangen nach Mord und Totschlag.
Was der Mensch beim Zusehen einer Gewalttat empfindet, ist letzten Endes die lustvolle innere Beteiligung an ihr.
Und das nutzt die Wirtschaft aus. Sie hat schon immer verstanden, sich die Lüste des Menschen nutzbar zu machen. Wer dem Alkohol oder dem Nikotin erlegen ist, der kommt da nur schwer wieder raus.
Und so ist auch die Gewalt längst ein profitables Geschäft.
Wiehert da nicht wer im Hintergrund, womöglich einer aus der Waffenindustrie?
Auch die Kriege gehören dazu. Deren Verursacher, die mächtigem Kriegslüsternen, verfügen über die Mittel, ihre Gewaltsucht durch das Gemetzel von Menschenmassen zu befriedigen. Und wie alle
Süchtigen wissen sie ihre Sucht zu tarnen. Sie umhüllen sie mit dem Mantel der Religion oder dem Tuch einer Nationalflagge.
Und so geht es weiter: Es wird Filme mit immer längeren Gewaltszenen geben, so dass wir vor Erregung mit den Füßen stampfen, man wird Video-Spiele entwickeln, die uns Blut ins Gesicht
sprühen, und in den Arenen werden brutale Sportarten bei den Zuschauern Rasereien auslösen. Das alte Rom ist wieder da.
Was soll uns noch hindern, Gewalt selbst auszuüben?
Am Ende bringen wir uns um. Das wäre das Höchste. Die Gewalt am eigenen Leibe erleben.
Siehe auch die satirische Krimikomödie: Heute wird gemördert.
Wenn heute einer schimpft, ist er ein Wutbürger, so steht’s in den Zeitungen, so hört man's im Radio.. Zwar gibt es davor noch den Zorn. Aber Journalisten haben keine Zeit für Unterschiede. Und
zweitens: Das Wort muss knallen. Dann wird man gelesen und gehört. Eigentlich sind es dann Wut-Journalisten. Aber das würden sie sich verbitten. Sie würden sagen, wir übertreiben ein bisschen,
und das muss sein wegen der Zeitungsauflage oder der Zuschauerquote beim Fernsehen. Wütend sind sie eigentlich nicht.
Jedenfalls, das Wort ist einmal da und mittlerweile möchte jeder ein Wutbürger sein.
Ohne Wut geht man nicht mehr aus dem Haus. Man will schließlich respektiert werden. Das Wort Wutbürger als Titel ist fast schon besser als ein akademischer Titel. Sollte man auf seine
Visitenkarte drucken lassen.
Selbst die Dinge könnten bald mit dem Wort "Wut" versehen werden, um sich neue Käuferschichten zu erschließen, wobei ich hier keine Anbiederung an eine besondere Schicht unterstellen will. Z.B.
Wut-Ei (zum Werfen auf Redner), Wut-Handschuhe (Boxhandschuhe für Handgreiflichkeiten), Wut-Bier (um sich für eine Demonstration fit zu machen) und so weiter.
Heute Morgen startete ein Auto vorm Haus mit einem Höllenlärm, ich hörte, wie das Auto schrie: „Ich bin ein Wut-Auto!“
Also nein... So was von Einbildung.
„Bist du nicht, du Knallkopp“, schrie ich zurück. „Du hast bloß einen idiotischen Fahrer, das ist alles!“
Na, wenn das kein guter Wutbürger war! Wenn ich will, kann ich’s auch.
Aber ich will’s gar nicht. Warum? Ich verrat Ihnen was: Ich war mal wütend. Na, ich hab mich furchtbar verletzt, als ich den Hammer gegen die Wand schmiss. Er prallte ab und mir auf den
Fuß.
Ich überlass die Wut den anderen. Es ist ja meistens nur Zorn. Ein echt wütender Bürger ist mehr besoffen als wütend. Naja, auch gefährlich. Mein Tipp: Lasst ihn mit einem Hammer einen Nagel
einschlagen. Und keine Schuhe tragen.
Auch im Podcast zu hören: Trommeln-im-Elfenbeinturm
Es klingelt. Schon wieder ein Paket aus einer Online-Bestellung. Es ist für einen Nachbarn, der nicht da ist. Ich bin Rentner, ich bin immer zuhause, ich kann das Paket annehmen.
Es ist das dritte Paket und es ist noch nicht Mittag. Ich glaube, in diesem Jahr habe ich schon an die fünfzig angenommen.
Jetzt was anderes, ich muss ein Versprechen halten. Es handelt sich um ein Märchen von den Gebrüdern Grimm, das König Ernst August verboten hatte und daher nie bekannt wurde. Heute Nacht erschienen mir die Gebrüder und überreichten mir das Märchen mit der Bitte, es aller Welt kundzutun, es sei höchste Zeit. Dann hörte man einen Krückstock klopfen, ich glaube das war der König, und sie verschwanden.
Versprochen ist versprochen, hier also das Märchen. Es heißt „Der Mensch und die Gier“
Es war einmal ein Wesen, halb Tier und halb was anderes, Mensch genannt, und als das Wesen zum ersten Mal die Augen aufschlug, saß neben ihm der Hunger und der sagte: Ab heut gehörst du mir. Schaff mir jeden Tag was zu essen, dann wirst du gut leben. Und der Mensch zog los, um für den Hunger Nahrung zu finden und lebte einigermaßen gut dabei Das ging viele tausende Jahre so, bis der Mensch in die Zivilisation eintrat, das war ein richtiges Wunderland, wo jeder sich Mühe gab, nett zu sein. Man mochte das Böse nicht und weil der Hunger böse war, begann man ihn abzuschaffen. Man gab ihm so viel Nahrung, dass er vor Sattheit einschlief. Nur bei schlechtem Wetter wachte er manchmal noch auf.
Aber der Hunger hatte den Menschen durchschaut. Heimlich steckte er ihm einen seiner Reißzähne in die Tasche, und das war sein Kind: die Gier.
Das Kind hatte einen anderen Appetit als der Hunger, es wollte kein Brot mit Käse oder Kartoffeln mit Fleisch, es verlangte nach Reichtum, Besitz und Macht. Es machte ein großes Geschrei und einige Menschen, die für das Geschrei empfindlich waren, begannen sogleich Gold heranzuschaffen, bauten Schlösser und Paläste zum Wohnen für sich und die Gier und übten Macht aus über alle, die kein Gold hatten. Diese Menschen nannte man Könige.
Hier endet der Text. Wahrscheinlich schlug da der König den Grimm-Brüdern auf die Finger. Aber die Gebrüder steckten mir die Fortsetzung zu. Offensichtlich gibt es auch im Jenseits Papier, Feder und Tinte.
Also weiter im Text. Hören Sie gut zu. Jetzt wird es spannend.
Die Gier wuchs heran, ging in die Schule, auf die Uni, wurde gebildet, kultiviert, und hatte eine Art, die man sexy nannte, was immer das bedeutet, aber das war’s wohl, warum die Könige sie zur Frau nahmen. Diese Könige hießen jetzt Superreiche. Sie flogen über den Wolken mit silbernen Flugapparaten, in denen es wie in einem Schloss aussah, sie kreuzten auf Meeren in weißen Schiffen, auch die sahen drinnen wie Schlösser aus, und sie bauten sich Häuser ganz wie richtige Schlösser, draußen wie drinnen. Das alles verdankten sie der Gier, mit der sie verheiratet waren, und wenn sie ihr auch noch so hübsche Kleider anzogen, sie war doch ein Reißzahn des Hungers. Man musste ihr Futter geben, so gab man ihr, was sie verlangte. Sie trank das Blut der Erde, riss an ihrem Eingeweide und mit ihrer rauen Zunge leckte sie am saftigen Grün der Erde. Das war den Superreichen egal, Hauptsache es ging ihnen gut, selbst dem Volk ging es ganz gut, denn seine Gier bekam auch was ab von der Erde, drei Happen davon stehen bei mir im Flur.
Nur der Erde ging es nicht gut. Erst fielen ihr die Haare aus, das waren die Wiesen und Blumen, danach vertrocknete ihre Haut zur Wüste und am Ende brachte der heiße Atem des Raubtiers die Erde zum Brennen. Und wenn die Menschen nicht gestorben sind..
Entschuldigung, es klingelt. Ach... Ein Paket für einen Nachbarn.
Aus Personalmangel werden im öffentlichen Dienst seit einiger Zeit Roboter eingesetzt. Es heißt, diese Roboter gähnen und seufzen wie ihre menschlichen Kollegen, sind also von ihnen nicht zu
unterscheiden.
Eine gute Lösung des Personalproblems, so scheint es, im Ergebnis freilich zerstört es eine Jahrhundert Jahre alte Tradition. Gab es Schwierigkeiten bei einer Genehmigung, da half
eine freundliche Geste den Sachbearbeiter über die Stolperschwellen hinweg: ein kleiner Beitrag für die Kaffeekasse, bei größeren Schwierigkeiten die Kostenübernahme für einen Flug nach den
Bahamas und bei ganz großen Problem das Sponsern der Renovierungskosten des Haues des Sachbearbeiters. Das hatte sich bisher ganz gut bewährt.
Und heute? Stellen Sie sich vor, Sie haben da einen Antrag der schwierigen Art. Das Gespräch verläuft wie gewohnt. Beim Abschied lassen Sie mit dem Antrag ein kleines Couvert mit Inhalt auf dem
Schreibtisch liegen. Ich sage Ihnen, noch ehe Sie die Tür erreicht haben, packt man Sie am Schlafittchen. Kein Wunder! Der Sachbearbeiter war kein Mensch, sondern ein Roboter.
Aber lassen Sie sich nicht entmutigen! Der Mensch ist eben doch intelligenter als ein Roboter. Sie müssen einfach vor Abgabe des Antrages feststellen, ob der Sachbearbeiter ein Roboter oder
Mensch ist.
Und das geht so:
Rein zufällig begegnen Sie ihm auf der Straße, ziehen Ihr Taschentuch aus der Jacke, um sich die Stirn zu wischen, dabei entfällt Ihnen ein 50-, besser noch 100-Euroschein. Wenn Sie nach zehn
Schritten nichts hören, biegen Sie in eine Seitenstraße, äugen um die Ecke. Ist die betreffende Person verschwunden, eilen Sie an den Ort des Verlustes. Nichts mehr da? Großartig! Der
Sachbearbeiter ist ein Mensch im Sinne guter, alter Tradition!
Stellen Sie am nächsten Tag Ihren Antrag. Glauben Sie mir, nach guter alter Tradition werden Sie ihn genehmigt bekommen.
„Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt.“
Ich musste an das Brecht-Zitat denken, als ich mit Gunnar auf der Veranda saß. Aber hier in Schweden konnte man ohne schlechtes Gewissen über Bäume reden, es war die Zeit von Olaf Palme.
Es war ein sonniger Junitag, die skandinavische Sonne legte ihre Wärme wie eine wohltuende Hand auf unser Gesicht, und in der Ferne glich der glitzernde See einem Augenschlitz unter dem dunklen
Lid des Waldes.
Von der Linde kam bisweilen ein Dufthauch der Blüten, der Baum schien zu brummen, das waren die geschäftigen Bienen bei ihrer Arbeit. Gunnar hatte mir die Linde vor gut 20 Jahren geschenkt.
Gemeinsam pflanzten wir sie an die Grundstücksgrenze zum Feldweg, den der Bauer für seine Felder benutzte.
Und jetzt saßen wir da wie zwei Väter, die wohlwollend ihr erwachsenes Kind begutachteten
„Erinnerst du dich", sagte ich, „es war im zweiten Jahr, da hatte sie jemand mit der Axt gespalten. Ich hab dich gerufen und du hast sie oben zusammengebunden. Sieh sie dir jetzt an: Du hast sie
gerettet, Gunnar.“
Er lächelte und dann sagte er etwas, was mich keineswegs überraschte: „Redest du mit ihr?“
Es war allen bekannt, dass er mit den Tomatenpflanzen in seinem Treibhaus sprach, und jedes Mal brachte er eine Menge der prächtige Früchte dem Dorfhändler zum Verkauf.
„Nein", antwortete ich, „aber ich kann sie hören. Ihr Gerede klingt manchmal wie Straßenverkehr, aber meistens rauscht es wie ein Wasserfall."
„Ist sie nicht herrlich?" murmelte er. „Denk dir, wenn jeder Mensch ein Blatt am Baum wär, dann wär der Stamm das Leben. Und im Wind bewegen sich alle gleich, es ist eine große Einheit zwischen
den Blättern."
„Ja, aber nicht bei uns Menschen!" sagte ich. „Da will jeder mehr haben als der andere, besser leben als der andere, mehr sein als der andere. Dabei ist es überall dasselbe Leben, ob in schwarzer
oder weißer Haut, ob im Fleisch des Reichen oder in den Knochen des Armen. Das sollten wir doch endlich kapieren.“
Eine Weile sah Gunnar mich schweigend an, dann kniff er ein Auge zu, stieß seinen harzigen Finger zweimal gegen meine Schulter und sagte: „Weißt du was? Du bist ein Kommunist.“
Dann kamen wir wieder auf die Linde zu sprechen. Wer sie hatte töten wollen, konnten wir nicht erfahren. Auch über den Grund seiner Tat rätselten wir.
„Hör mal", sagte ich. „ich glaube, ich weiß jetzt, wer das war", und erzählte, was ich vor ein paar Tagen erlebt hatte.
Durchs Fenster sah ich einen kleinen alten Mann wie ein Rumpelstilzchen zwischen den Bäumen herumhuschen, wobei er gelbe Stangen in den Boden steckte. Sofort ging ich hinaus und fragte, was er da
täte. Ich musste neben ihm herlaufen, weil er seine Arbeit nicht unterbrach. Er lasse Fichten in seinem Wald fällen und grenze mein Grundstück ab,
stieß er zwischen den Zähnen hervor.
Woher er meine Grenze so genau kenne? fragte ich.
„Dein Grundstück gehörte mal zu meinem Wald.“
Ich hatte kein gutes Gefühl und als er verschwunden war, radelte ich zur Nachbarin und fragte, wer dieser Mann gewesen sei. Sie kenne ihn, sagte sie. Er sei der reichste Bauer der Gemeinde,
besitze fast alles in der Umgebung und wegen seines Geizes sei er bei allen unbeliebt.
Misstrauisch geworden, ging ich die Grenzen meines Grundstückes ab, von Grundstein zu Grundstein. Tatsächlich, die meisten Stäbe standen über einen Meter tief auf meinem Grundstück. Ich setzte
sie zurück und blieb so im Besitz von einem Dutzend großer Fichten.
„Bestimmt war es dieser Bauer, der wollte eigentlich mich weghaben aus seinem Wald.“
„Und das“, sagte Gunnar und nickte bedeutungsschwer, „das ist ein Kapitalist!“
Die Jahre vergingen. Olaf Palme wurde ermordet, mein Freund starb, auch der geizige Bauer ist schon lange tot, ich musste meine Hütte verkaufen und heute ist die Zeit wieder wie zu Brechts Zeiten. Warum rede ich dann noch über einen Baum? Weil das Gespräch in einer Zeit und in einem Land stattfand, wo das Reden über Bäume noch nie ein Verbrechen war, lang ist es her.
Sie waren Rentner auf dem Land und da sie kein Auto hatten, bestellten sie alles Nötige per Internet. Weil sie erblindet war, sagte er ihr, was er im Internet sah, und dann genügte ein Nicken von ihr und er drückte den Kaufbutton. Später befühlte sie mit den Händen die gelieferte Ware: gehäkelte Zierdeckchen, Vasen in vielerlei Formen, Mokkatassen, Kaffeekocher, Schuhe, Blusen, Handtücher, diverse Gürtel und Broschen, Nippsachen und vieles mehr.
Eines Tages sagte sie, sie sei es müde, die Dinge zu berühren. Schließlich fragte er sie, ob er überhaupt noch etwas bestellen solle, sie hätten doch schon alles. Sie widersprach, und so las er weiter aus dem Internet vor, doch wenn sie jetzt nickte, schien es ihm, als würde sie nach Gutdünken nicken, ohne viel nachzudenken. Das war ihm rätselhaft, aber weil sie darauf bestand, tat er ihr die Freude.
Ja, wäre ein anderer als er zum Auto gegangen, um die Pakete entgegen zu nehmen, dann hätte er sehen können, warum dies alles geschehen musste.
Denn wenn sie durch das offene Fenster hörte, wie bedächtig ihr Mann dem Boten das Paket abnahm, den Empfang bestätigte und dem Boten ein Trinkgeld gab, worauf sich dieser mit einem Dank bis zum nächsten Mal verabschiedete, dann lächelte sie.
Es waren Klänge aus der großen, fernen Welt, und sie konnte vor ihren Augen das Gewimmel der Menschen sehen.
Da laufen sie herum mit dem Smartphone vor
der Nase auf der Suche nach dem
nächsten Post oder dem nächsten Video.
(Wann gibt es den Nasenhalter fürs
Smartphone?)
Und sie starren auf etwas, von dem sie
nichts haben. Rein gar nichts haben sie! Sie
können es weder anfassen, noch riechen und
der Blick ist äußerst begrenzt, sie sehen
nur das, was man ihnen zeigen will, nicht
das Drumherum.
Zu Tausenden postet man sich appetitlich
gefüllte Teller zu. Und klickt begeistert ein
Herzchen drunter, ein Smiley, ein
Like.
Es ist wie im Märchen mit dem Kaiser ohne
Kleider. Alle beglückwünschen den
Kaiser zu seinen Kleidern. Aber wehe, da
kommt ein kleines Kind und ruft: „Ätsch! Er
ist ja nackt!“
Genau das könnte man dem zurufen, der so
einen gefüllten Teller sieht:
„Menschenskind! Das kannst du doch gar
nicht essen!“
Was geht da eigentlich vor? Das muss doch
einen Sinn haben? Einen Zweck? Denn
schließlich kostet das Starren auf den
großen oder kleinen Bildschirm und das
Anklicken unsere Zeit und unsere Kraft.
Was bekommen wir dafür?
Nichts. Im Gegenteil. Uns wird etwas
genommen. Post für Post wird unser Leben
reduziert. Bald leben wir mehr in der
Fiktion als in der Wirklichkeit.
Wieso tun wir uns das an? Wir besitzen
doch Sensoren, die jeder Technik überlegen
sind: unsere Sinne. Wir können riechen,
wir können fühlen, wir können schmecken,
können hören und können sehen, was immer
auf der Welt zu sehen ist!
„Trinkt, o Augen, was die Wimper hält, vom
goldnen Überfluss der Welt!“ schrieb
Gottfried Keller in seinem
Abendlied.
Ein Abendlied. Und tatsächlich: Fühlt es
sich nicht an wie eine Menschendämmerung?
Wir reden vom Klimawandel. Aber es gibt
auch einen Menschenwandel. Und wie
beim Klimawandel, beginnt auch dieser
Wandel schleichend und wird erst kurz vor der
Katastrophe sichtbar sein.
Wir sind in Gefahr, zu Bits und Bytes zu
werden.
Für unseren Körper brauchte es eine
Entwicklung von Milliarden von Jahren.
So ein Produkt gibt man doch nicht einfach
so auf.
Mensch, renaturiere dich!
Die letzten Tage des Kommissars
von Dieter Lenz
140 S. 180 x 115 mm, Softcover, 11,50 Euro
Es geht in zwei Erzählungen um die Genetik, um das Leben in einer digitalen Welt, um Seele und Körper, kurz gesagt: es geht um den
Menschen. Weitere Erzählungen handeln von einem schrumpfenden Dorf bei Berlin / von einem Mann, der in einer Waldhütte gegen eine Fliege kämpft / und von einer Birke, die einen Theatermann in den
Wahnsinn treibt. Und Kurztexte in Anekdotenform.
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Es ist Krieg, ja. Und alle sind gegen den Krieg. Dagegen kann man nichts tun, heißt es. So, als wäre das Schicksal. Oder ein Unglück, das die Menschen trifft. Das wundert mich. Denn was sie
da Krieg nennen, hat doch mit dem Menschen zu tun. Ohne Menschen gäb es den nicht. Stimmt’s? Ich rede dummes Zeug, entschuldigen Sie. Aber es beschäftigt mich. Ja doch. Ich will erst einmal den
Menschen verstehen, bevor ich den Krieg versteh.
Eigentlich ist immer Krieg, schon seit es die Menschen gibt, in jeder Minute, und egal, wo er gerade ist. Darüber sollte der Mensch mal nachdenken.
Ist es nicht auffallend, wie die Tiere fliehen, sobald ein Mensch kommt? Ja, so klug sind sie. Denn so gefährlich ist der Mensch für sie. Manchmal möchte auch ich mich verdrücken. Da kommt ein
Mensch auf mich zu und ich bin wie ein Tier, das fliehen will, ganz instinktiv, aber ich darf es nicht. Der Mensch erwartet sogar, dass ich mich freue. Warum sollte ich mich freuen bei einem
Wesen, vor dem Tiere Angst haben? Ja, ich bin ein Mensch. Aber genau genommen, kann mir das auch passieren, was den Tieren passiert. Ein Mensch verletzt mich oder tötet mich. Und dann lieg ich da
tot ganz wie ein totes Tier.
Die Leute sagen, ich soll mich nicht so klein mache, dann passiert mir auch nichts. Haben Sie doch mal Selbstbewusstsein, heißt es.Was meinen die mit Selbstbewusstsein? Sich gegen andere
durchsetzen? Vielleicht mit Waffengewalt? Das tu ich nicht, das kann ich nicht. Ich bin ein Feigling, ich geb's zu.
Ja, das sind meine Gedanken. Und damit steh ich allein.. Aber wissen Sie was? Wenn ich aus dem Fenster sehe, sehe ich eine kleine Linde. Sie hat dünne, helle Blätter. Vielleicht sind es tausend.
Oder mehr. Jedenfalls bewegen sich alle Blätter, es ist nämlich ein Wind. Aber da ist immer eins, das bewegt sich nicht. Ich sehe jetzt immer nur zu diesem Blatt Das könnte ich stundenlang
ansehen. Sie wissen gar nicht, wie gut das mir tut.
Ab Juli bekommt jeder Rentner, jede Rentnerin eine erfreuliche Rentenerhöhung von 4,57 %.(Nebenbei: Darüber freuen sich besonders die mit einer hohen Rente) Von einer noch
erfreulicheren Rentenerhöhung macht man kein Aufsehen.
Und warum?
Darum.
Frankfurter Rundschau online v. 3.3.2024
Rente für Bundestagsabgeordnete: Altersentschädigung steigt mit jedem Jahr
Diese Altersentschädigung beträgt ab dem ersten Jahr der Mitgliedschaft 2,5 Prozent des Einkommens, auch Abgeordnetenentschädigung genannt. Mit jedem Jahr der Mitgliedschaft steigt der
Prozentsatz zusätzlich um 2,5 Prozent.
Alle Abgeordneten im Bundestag verdienen derzeit ein monatliches, einkommensteuerpflichtiges Gehalt von 10.591 Euro. Nach einem Jahr Mitgliedschaft würde somit ein Rentenanspruch von 264,80
Euro pro Monat entstehen. Nach einer vierjährigen Amtszeit im Bundestag würde dieser bereits bei 1.059 Euro iegen, nach acht Jahren Amtszeit bei 2.118 Euro.
Zitatende
Da haben wir's. Für eine Durchschnittsrente von 1543 Euro muss ein Arbeiter oder Angestellter mindestens 45 Jahre arbeiten, ein Bundestagsabgeordneter bekommt schon nach 8 Jahren
2.118 Euro Rente.
Wer das bestimmt hat? Na, die Abgeordneten. Sie selbst legen die Höhe ihres Gehaltes fest und damit auch die Höhe ihrer Rente, pardon: Altersentschädigung.
Übrigens: Wieso nennen sie ihr Gehalt Abgeordnetenentschädigung und ihre Rente Altersentschädigung? Vielleicht weil man sonst auf den Gedanken käme, sein Gehalt oder seine Rente mit denen eines
Bundestagsabgeordneten zu vergleichen. Das könnte Ärger geben.
Doch darüber sollten sich die Abgeordneten keine Sorgen machen. Kritik an hohen Gehältern wehrt man ab mit dem Schlagwort „Sozialneid“ . Das funktioniert schon perfekt bei den
Konzernmanagern.
Dabei gibt es eine einfache Lösung. Lasst die Bürger so wie die Abgeordneten die Höhe ihrer Renten selbst bestimmen.
Achja, geht nicht. Das wäre ja Gleichmacherei.
Nun, dann wechseln wir eben den Beruf und werden alle Bundestagsabgeordnete .
Geht nicht. Der Bundestag hat nicht genug Sitze.
Also echt, es macht keinen Spaß, Mensch zu sein.
Auch zu hören im Radio Podcast
Zitat 1: Spiegel online vom 20.4.2024
Die Leute in Kambodscha, Laos oder Vietnam tragen Klamotten in bunten Farben, oft über und über mit den Logos teurer Luxusmarken bedruckt. Besonders beliebt: Prada, Gucci. Die Kleidung ist
gefälscht. Ethnologin Panlee erklärte im Interview: »Mit gefälschter Mode erfüllen sich Menschen den Traum, zumindest dem Anschein nach nicht am Rand der Gesellschaft zu stehen. Ein Stück von
einer bekannten Luxusmarke kann ein Boost fürs Selbstbewusstsein sein. Ein Prada-Logo hilft, sich schön und gut zu fühlen.«
Zitat 2: Spiegel online vom 3.5.2024
Untersuchung des Robert Koch-Instituts: Arme sterben im Schnitt früher als Reiche – und die Kluft wächst.
Menschen mit wenig Geld haben in der Regel eine geringere Lebenserwartung als Gutverdiener. Allgemein sei die Lebenserwartung zwischen 2003 und 2019 im Durchschnitt leicht gestiegen,
berichtet ein Team unter Federführung des Robert Koch-Instituts (RKI) im Fachblatt »The Lancet Public Health« . Bei Menschen aus ärmeren Wohngegenden allerdings stagnierte die Entwicklung, oder
die Lebenserwartung stieg langsamer.
Als ich das las, kam mir der Gedanke, vielleicht ist das Geld gar nicht so wichtig. Entscheidend für die Lebensverlängerung ist möglicherweise die Wohngegend.
Und da machte ich mich auf, das nachzuprüfen.
Ich ging durch Zehlendorf, den seit ewigen Zeiten beliebten Wohnort reicher Berliner. Diese Stille. Kein Verkehr, keine Straßen mit vollgeparkten Autos. Überall das herrliche Grün. Nicht
die geringste Feinstaubbelastung. Die Luft der süße Atem de Natur. Ich muss zugeben, schon nach einer halben Stunde fühlte ich mich so entspannt und erholt, dass ich jetzt bestimmt ein paar Tage
länger leben werde.
Und so habe ich für die Armen folgenden Vorschlag: Greift euch einen Klappstuhl und marschiert in die Wohnviertel der Reichen und lasst euch dort für ein paar Stunden nieder. Für das nötige
Selbstbewusstsein verseht euch mit gezinkten Gucci-Taschen oder mit Prada-Logos. Und damit man euch nicht entfernen kann, kettet euch irgendwo an. Kleiner Tipp: Die Gartenzäune der Reichen
sind besonders stabil. Und je länger ihr es schafft, dort zu bleiben, umso mehr verlängert ihr euer Leben.
Bleibt ein Haken. Die tägliche Fahrt zum Wohnsitz der Reichen werden sich die Armen nicht leisten können.
Auch zu hören im Podcast:
Zitat 1 aus Nationalgeographik.de vom 28.4.2023: Anthropozän: Das Plastik-Zeitalter ist da
Ein internationales Forschungsteam fand in einem Bach in China Felssteine, die chemisch mit Mikroplastik verschmolzen sind – eine irreversible Reaktion, durch die eine neue Art von Kunststoff
entsteht. Mit Plastik verschmolzenes Gestein ist für die Wissenschaft nun ein endgültiger Beweis für dieses neue Zeitalter.
Zitat 2 aus mdr.de vom 20. 3. 2024: Baum frisst Mikroplastik
Nun haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachgewiesen: Birken können auch in Sachen Plastikmüll-Aufräumen echte Pioniere sein. Allerdings haben sie bereits zeigen können, dass
einjährige Pflanzen wie Weizen oder Kopfsalat Mikroplastikteilchen kleiner als zehn Mikrometer direkt über das Wurzelgewebe aufnehmen. Die Studie ist ein erster Aufschlag bei der Frage, wie Bäume
Mikroplastik aus dem Boden reinigen können.
Ende der Zitate
Große Ereignisse beginnen unscheinbar wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, dessen sich fortpflanzende Bewegung in ferner Zukunft ein Erdbeben auslöst.
Ähnlich begann am 15. Oktober 2011 auf einer Berliner Straße etwas, das die Welt für immer verändern sollte. Ein junger, namenloser Straßenkehrer schob herbstliches Lindenlaub zusammen, ich ging
vorbei, da sagte er mit leidvoller Stimme: „Was für eine Umweltverschmutzung!“
In diesem Moment rührte eine großartige Idee ihren ersten Flügelschlag. Heute viele Jahre später hat sie sich über den ganzen Planeten verbreitet: Die Plastikwerdung der Natur.
In das Wurzelgeflecht der Bäume lässt sich erfolgreich Plastik unterbringen und Steine Verschmelzen mit Plastik, so dass bald alles auf der Erde aus Plastik sein wird, auch der Mensch. Mühelos
speichert er Mikroplastik in seinem Körper durch das Trinken von Wasser und das Einatmen der Luft.
Und so können wir allen Straßenfegern frohgemut zurufen: Macht es heute auch keinen Spaß, Mensch zu sein, so wisset doch, ihr seid der Beginn des Plastikmenschen in einer pflegeleichten
Plastiknatur!
Aus einem Artikel der taz vom 23. Mai 2024
Klimabewegung beklagt Kriminalisierung.Die Staatsanwaltschaft Neuruppin erhebt Anklage gegen fünf Mitglieder der Klimaschutzgruppe Letzte Generation. Der am schwersten wiegende Vorwurf: Bildung
einer kriminellen Vereinigung.
Zitatende
Allgemein wird der Klimaschutzgruppe vorgeworfen, sie füge mit ihren Aktionen dem Lande einen wirtschaftlichen Millionenschaden zu.
Und schon ist die Erregung groß. Wie kann ich etwas zur Beruhigung beitragen? Denn sicher gibt es Schlimmeres. Ich frage die Microsoft-KI. Wer oder was in Deutschland richtet großen
wirtschaftlichen Schaden an?
Hier die Antwort:
Jedes Jahr verliert die EU nach Schätzungen rund eine Billion Euro durch Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. Auf Deutschland bezogen sind das mehr als 160 Milliarden Euro. Die genauen
Zahlen können je nach Quelle variieren, aber es ist klar, dass Steuerverluste durch Tricks von Millionären und Unternehmen eine erhebliche Herausforderung darstellen.
Mehr sagt die KI nicht. Vielleicht weiß sie, man würde ihr sofort den Mund stopfen. Millionäre und Unternehmer tun alles, um wenig oder möglichst gar keine Steuern zu zahlen. Sie beschäftigen zu
diesem Zweck ein Heer von Steuerberatern und Rechtsanwälten, zudem pflegen sie intensive Kontakte zur Politik. Solche Anstrengungen bezeichnet man woanders als„kriminelle Energie“. Und da die
Gruppe der Steuertrickser untereinander gut vernetzt ist, kann man sie getrost eine kriminelle Vereinigung nennen.
Gott behüte, so was darf man nicht mal denken.. Denn was diese Steuertrickser tun, sei völlig legal, die Gesetze sind eben so. Eine Regierungspartei will jetzt sogar noch die Steuern für
Unternehmen senken. Man könnte diese Partei für einen Unterstützer der kriminellen Steuertrickser-Vereinigung halten.
So ist das also. Wenn eine Gruppe von Menschen auf den größten Schaden unseres Planeten - die Zerstörung des Klimas und der Natur – aufmerksam machen will, dann ist das eine kriminelle
Vereinigung.
Wenn aber eine Gruppe den Staat jährlich um 160 Milliarden ärmer macht, um sich selbst reicher zu machen, bekommt sie auch noch eine Steuerermäßigung.
Warum erlauben wir das? Sind wir Menschen so dumm?
Nein, es macht keinen Spaß, Mensch zu sein.
Zitat im Berliner Tagesspiegel vom 14.5.2024:
Das ukrainische Außenministerium hat seine neue Pressesprecherin Victoria Shi vorgestellt. Sie ist keine echte Person, sondern ein mit künstlicher Intelligenz (KI) generierter Avatar, also eine digitale Kunstfigur. Ihr Job: Sie gibt von nun an offizielle – von Menschen verfasste – Erklärungen des Außenministeriums ab.
Ende des Zitats.
Ehrlich gesagt, mich überrascht das nicht. Da Politiker und deren Pressesprecher immer die gleichen Worte sagen, werden wir bald nicht mehr wissen, spricht da ein Mensch oder eine KI-Figur. Schon jetzt bin ich mir oft nicht sicher, spricht da der Bundeskanzler oder sein Avatar.
Nun ja, das wäre nichts Besonderes. Aber in dem Artikel standen auch diese Sätze: „Immer mehr von dem, was wir wahrnehmen, wird zukünftig durch KI erzeugt oder manipuliert worden sein. Es wird immer schwieriger zu unterscheiden, was menschengemacht ist und was nicht.“
Und jetzt, passen Sie mal auf, was mir passiert ist. Als ich dann in einem anderen Artikel las, dass Gorillas mit uns verwandt sein sollen, konnte ich es nicht glauben. Und so fragte ich die Internet-KI: Wieso kann man sagen, dass der Gorilla mit dem Menschen verwandt ist?
Keine Sekunde später erschien auf dem Bildschirm ein imposanter Gorilla, der sagte in fehlerlosem Deutsch: Die Ähnlichkeit des Menschen mit uns Gorillas ist nicht zu übersehen. Er hat zu 98 % unsere Gene. Wir sollten daher den Menschen als Verwandten respektieren und alle Scherze mit ihm unterlassen, z.B. ihn mit Bananen zu füttern.
Sofort schaltete ich den PC ab.
Und ich dachte: Leute, traut der KI nicht! Ihr habt ja keine Ahnung, was sie für einen Unsinn verzapfen kann.
Doch da ich zuvor den Artikel über den Avatar als Pressesprecher gelesen hatte, ging mir durch den Kopf, es könnte sich hier um einen Avatar von Tierschützern handeln. Ein wenig ungehobelt machen sie uns darauf aufmerksam, dass alle Tiere mindestens halbe Menschen sind.
Ganz beruhigt war ich nicht. Nachts konnte ich nicht einschlafen, endlich hatte ich die Erleuchtung: Es war ein Werbevideo, ein Werbevideo für Bananen, solche Videos tauchen oft auf dem Handy oder im Internet auf.
Andererseits: Woher weiß die KI dass ich gerne Bananen esse?
3500 Euro für eine Niere
In Kenia verkaufen immer mehr junge Menschen eine Niere für wenig Geld. Seit der Corona-Pandemie blüht das makabre Geschäft. Die Organe gehen offenbar ins Ausland.
John Onyango sieht ausgemergelt aus, die Wangen eingefallen, die Augen rötlich. Er hebt das Oberteil an, legt eine Narbe frei. Sie zieht sich über mehrere Zentimeter am Unterbauch entlang, ein dunkler dicker Wulst. Unter dieser Narbe saß einst seine Niere.
»Meine Eltern sind tot, ich muss für meine kleinen Geschwister sorgen. Ich hatte keine andere Wahl«, sagt der 33-Jährige. »Außerdem haben so viele hier schon ihre Niere verkauft, das hat mir Mut gemacht. «
Stolze Promimutter Paris Hilton stellt Töchterchen London vor
Fünf Monate nachdem eine Leihmutter ihre Tochter zur Welt gebracht hat, feiert US-Realitystar Paris Hilton die kleine London auf Instagram – und schwärmt von ihrer »unglaublichen Reise durch die Mutterschaft«.
Die Geburt hatte sie im vorigen November bekannt gegeben. Eine Leihmutter hatte das Kind ausgetragen – wie schon den älteren Bruder Phoenix.
Ihre »unglaubliche Reise durch die Mutterschaft« habe sie zu einem Song inspiriert, den sie mit ihrer Freundin, Sängerin Sia, aufgenommen habe: Das Lied »Fame Won't Love You«
Beide Texte sind aus zwei Artikeln in spiegel.de v. 20.4.2024
Ausbeutung ist ja bekannt, dabei geht es um die Arbeitsleistung vieler für den Profit weniger.
Seit einiger Zeit gibt es eine neue Art von Ausbeutung, die Ausbeutung des menschlichen Körpers. Sie wird als medizinischer Fortschritt begrüßt: Organverpflanzung und Leihmutterschaft.
Und so verkaufen die Ärmsten ihre Nieren an Reiche und die gut betuchte Paris Hilton bejubelt ihre unglaubliche Reise durch die Mutterschaft. Eine Lüge, denn die harte Reise durch Schwangerschaft und Geburt machte ein anderer. Eine Frau, die Geld nötig hatte.
Kurzum: Es macht keinen Spaß, ein Mensch zu sein. Es sei denn, man hat genug auf dem Konto.
Anfangs war der menschliche Körper ein Werkzeug, um die Erde zu erobern und die Natur zu bezwingen. Dann kam eine Zeit der Verehrung des Körpers, dies geschah in Ägypten,
Griechenland und im alten Rom.
Dann, in der Folge einer neuen Lehre, belegte man den Körper mit einem Fluch. Er galt als sündiges Fleisch, das man züchtigen müsse.
Die Aufklärung entlarvte den Fluch als Lüge. Man begann den Körper als eine organische Maschine zu betrachten, äußerst kompliziert und bewundernswert in seinen Fähigkeiten.
Von da an begann der Mensch seinen Körper zu pflegen und zu kräftigen, so dass er immer leistungsfähiger wurde. In gleichem Maße wuchs die Bedeutung seines Aussehens. Chirurgen verschönerten ihn
und man forschte nach Mitteln, die sein Altern aufhalten sollten.
Der Körperkult erreichte seinen Höhepunkt merkwürdigerweise zu einer Zeit, als Kriege den menschlichen Körper massenweise vernichteten, plötzlich schien er nicht einmal mehr den Wert von
Schlachttieren zu haben.
Doch die Rettung war nah. Zur gleichen Zeit entwickelte sich die Informatik.
Der Mensch überwand die Grenzen des Raums und er schuf sich eine Welt, wo sein Körper nur noch ein Schemen war.
Bald war die virtuelle Welt des Menschen liebster Aufenthalt.
„Und es wird eines Tages sein, dass der Körper abgelegt werden kann wie eine Last, und das menschliche Gehirn wird leben in der Grenzenlosigkeit des Universums.“
So dachte jetzt der Mensch, und als die Technik ihm die Möglichkeit dazu gab, verzichtete er völlig auf seinen Körper – und so verschwand er. Seitdem existierte er als elektronisches Partikel im
Universum.
Und die Erde war menschenleer. Pflanzen und Tiere lebten in freier Entfaltung und ihre Körper waren von makelloser Schönheit.
Als die Partikel im Universum, Menschheit genannt, das sahen, erkannten sie: Die Erde war das Paradies.
Sehr geehrtes Patentamt!
Hiermit stelle ich den Antrag auf Patentierung meines Körpers.
Die Gründe sind folgende:
Da man längst Schafe klonen kann, muss ich davon ausgehen, dass dies früher oder später auch mit Menschen möglich ist. Das will ich für mich bzw. für meinen Körper verhindern.
Zwar werde ich meinem Klon niemals begegnen können, er muss ja erst als Kind zur Welt kommen und heranwachsen, aber die Vorstellung, dass mein Körper, den ich sehr liebe, eines Tages
fremden Händen zur Verfügung steht, lässt mich nicht schlafen Denn da mein Klon meine hervorragenden körperlichen Eigenschaften hätte wie schnelles Laufen (mit einer Verdopplung bei Gefahr), fast
10 Klimmzüge, 12 Hebestütze und ein 35minütiges Schwingen einer Axt beim Holzspalten, sehe ich ihn gefährdet. Es wäre für alle ein verführerischer Gedanke, ihn wie einen Sklaven zu behandeln.
Daher bitte ich Sie, mir die Bestätigung der Patentierung meines Körpers schnellstmöglich zuzusenden.
Nun habe ich kürzlich im Fernsehen gesehen, dass es bereits möglich ist, digital geklont zu werden dank einer sogenannten KI. Ich finde auch diese Möglichkeit für außerordentlich bedenklich. Man
stelle sich vor: Plötzlich taucht man im Internet auf und behauptet, der Bundeskanzler sei in Wirklichkeit ein Krokodil. Was für einen Ärger man mit Tierfreunden bekäme! Oder man sieht sich
als Teilnehmer eines Pornofilms. Wie soll man das seiner Frau erklären?
Daher beantrage ich zweitens das Copyright meines digitalen Körpers. Da mir bewusst ist, dass mein gut aussehender Körper sehr begehrt ist und wirkungsvoll für Werbezwecke eingesetzt werden
kann, bin ich jedoch bereit, gewisse Ausnahmen zuzulassen, jedoch halte ich eine angemessene Vergütung für angebracht. Die monatliche Gebühr für den kompletten Körper beträgt 10.000 Euro, nur für
das Gesicht 6.000 Euro und genügt meine Stimme, so bin ich mit 4.000 Euro einverstanden.
Ich sende Ihnen hiermit 4 Nacktfotos von mir, rechts, links, vorne und hinten, zusätzlich 12 weitere mit Einzelheiten meines Körpers sowie eine Kopie meines Ausweises und meine
Steuernummer.
Sollten Sie mich für Ihre Unterlagen scannen wollen, so stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Alle naslang will jemand die Welt verbessern, schon seit Jahrtausenden. Aber hat das auch nur einer geschafft? Ein Blick auf unsre Welt heute genügt. Da kann es einem übel von werden. Und solches
zeigt ein völliges Versagen aller Idealisten, Philosophen, Visionäre und Utopisten. Sie schaffen es nicht. Es kann ja auch gar nicht klappen! Und warum? Ich sag es Ihnen! Man muss
unten anfangen bei der Verbesserung, dort an der Wurzel liegt die Ursache allen Übels. Kurz gesagt: es ist der Mensch. Also beginnen wir den Menschen zu verbessern. Eigentlich sind es nur
zwei Sachen, die wir bei ihm abschaffen müssen. Die Dummheit und die Aggressivität. Wenn es die nicht mehr gibt, wird auch die Welt endlich besser.
Und so habe ich etwas erfunden, dahinter steckt eine raffinierte Idee. Sehn Sie.. Hier ist das Ding. Ein Jahr Arbeit steckt darin. Es ist ein digitales Modul mit einem Lämpchen, das trägt
zukünftig jeder Mensch auf der Stirn, sozusagen als sein aktuelles Erkennungsmerkmal.
Denkt der Mensch an etwas Dummes, leuchtet das Lämpchen blau, richtig, wie das Blaulicht bei der Polizei. Ist er aggressiv, leuchtet es rot, auch das hat seinen Sinn, es ist das Ampelrot. Und
dann gibt es noch das Grün, das ist selbstverständlich total positiv, es zeigt einen klugen und friedlichen Menschen, mit dem man gut leben kann.
Somit sehen Sie immer was für ein Mensch Ihnen entgegenkommt. Ist das Lämpchen blau oder rot, machen Sie einen großen Bogen um ihn. Und zeigen Sie Ihren Ekel im Gesicht! Er soll spüren, was
er ist.. Igitt, mit dem will keiner was zu tun haben. Sie sollen mal sehen, wie gut diese erzieherische Maßnahme wirkt! Jedenfalls wird der Typ nächstes Mal sich gut überlegen, ob er wieder
dumm oder aggressiv daher kommt.
Und jetzt demonstriere ich es Ihnen mal an meiner eigenen Person. Ich bin absolut friedlich und garantiert nicht dumm. Wetten, das Lämpchen ist grün. Ich setz das Ding jetzt auf. So…
Was? Es blinkt abwechselnd blau und rot? Lachen Sie nicht! Das kann nur eine Störung sein. Warten Sie.. Was sagt die KI? Na bitte! Haben Sie’s gehört? Da ist ein Hacker drin.
Und wer bitte ist das?.. Aha. Die AfD, die Aktion für Dummheit. Also echt.. Die sind ja zur Dummheit auch noch aggressiv! Für so was muss ich noch eine besondere Farbe erfinden. Wie wär’s
mit braun?
Ja, es sind schlimme Zeiten.
Gerade jetzt brauchen wir Reden, die uns aufmuntern, die uns den Weg in die Zukunft zeigen. Mitreißende Reden, leidenschaftliche, begeisternde Reden, bei denen die Herzen höher schlagen und die
Augen zu leuchten beginnen – und nicht weiter ins Tal der Tränen führen.
Einmal gab es in Deutschland solche Reden. Hier ein Auszug aus einer Rede im Jahre 1972.
„Für J.F. Kennedy und seinen Bruder Robert gab es ein Schlüsselwort, in dem sich ihre politische Leidenschaft sammelte (...). Dieses Wort heißt ‚Compassion‘: Die Übersetzung ist nicht
einfach ‚Mitleid‘, sondern die richtige Übersetzung ist die Bereitschaft mitzuleiden, die Fähigkeit, barmherzig zu sein, ein Herz für den anderen zu haben. Liebe Freunde, ich sage es Ihnen und
ich sage es den Bürgerinnen und Bürgern unseres Volkes, habt doch den Mut zu dieser Art Mitleid! Habt den Mut zur Barmherzigkeit! Habt den Mut zum Nächsten! Besinnt euch auf diese so oft
verschütteten Werte! Findet zu euch selbst!“
Jetzt raten Sie mal, wer das gesagt hat. Ja, das war Willy Brand auf dem SPD-Parteitag 1972.
Jahre später sagte der SPD-Bundeskanzler Schröder in seiner Agenda 2010 etwas ganz anderes und die Grünen stimmten zu. Auch der heutige Bundeskanzler, ebenfalls ein
SPD-Mann, scheint die Brandt-Rede völlig vergessen zu haben.
Die SPD sollte sich beim nächsten Parteitag die Rede unbedingt noch einmal anhören. Vielleicht besinnt sie sich und macht kurz vor dem Abgrund eine Wende.
Und die anderen Politiker, die der CDU/CSU und FDP, worüber reden die? Achja, die Flüchtlingskrise. Ein Klagen, Schimpfen und Zetern und eine Hetze gegen die Schwächsten, gegen die
vor Not und Krieg Geflohenen. Wobei die FDP die sozial Schwachen in unserem Land gleich dazu packt.
Und so reiben sich die Politiker einer ganz anderen Partei die Hände. Und warten auf noch schlimmere Zeiten und schlimmere Reden.. Denn dann, so glauben sie, beginnt ihre große Zeit.
Hatten wir nicht schon mal die große Zeit?
Hierzu noch ein Zitat von Willy Brandt:
"Die Zukunft wird nicht gemeistert von denen, die am Vergangenen kleben."
Ach, Willy! Steh auf!
Vor gut 20 Jahren schrieb ich ein Gedicht, es war ein Rückblick auf mein bisheriges Leben. In ihm kamen diese Verse vor:
„Nicht dass mein Fuß
Auschwitz je berührte,
doch berührte
mich Auschwitz ganz.“
Ich stellte es in ein Lyrikforum und bekam viele zustimmende Klicks. Gut zwei Jahre später las ich es noch mal und erschrak. In der Zeile „doch berührte mich Auschwitz ganz“ stand nicht Auschwitz
sondern Ausschwitz.
Keiner hatte mich darauf aufmerksam gemacht. Entweder hatten alle es überlesen oder sie hielten es bloß für ein Versehen.
Ein Versehen? Zweimal s zu tippen, das kann kein Versehen sein.
Laut Wikipedia gibt es sprachliche Äußerungen, die gemeinhin als „Versprecher“, „Verhören“, oder „Versehen“ bezeichnet werden, die aber, so Freud, auf einer unbewussten Ebene durchaus Sinn
ergeben.
Und so fragte ich mich: Litt ich wirklich an Auschwitz oder wollte ich es in Wahrheit „ausschwitzen", also vergessen?
Ich fühlte mich ertappt und löschte das Gedicht, als hätte es das nie gegeben.
In einem Archiv stieß ich auf die Geschichte einer Brandmauer, die verblüffend der CDU-Brandmauer gleicht. Gern bringe ich die Geschichte in Erinnerung.
Einst war in Schilda ein ganzer Stadtteil abgebrannt, obwohl das Feuer nur in einem Haus begonnen hatte. Das Entsetzen war groß. Das durfte nicht noch einmal passieren.
Während einer Bürgerversammlung erhob sich einer, er war der Klügste von allen, er sagte: „Leute, wir müssen eine Brandmauer bauen.“
Ja, schrien alle, du hast es mal wieder. Was für ein Genie, der Mann!
Doch plötzlich gab es Unruhe. Es war eine Gruppe von reichen Hausbesitzern: „Um Himmel willen!“ schrien sie. „Wisst ihr eigentlich, was so eine Brandmauer kostet?“
Sie hatten Recht. Auch den kleinen Hausbesitzern fiel ein, dass so eine Brandmauer Kosten verursacht.
Da erhob sich der Klügste erneut und sagte: „Wir stellen zwischen die Häuser ein Schild auf und schreiben darauf: Brandmauer.“
Wieder brach Begeisterung aus, denn die Einrichtung dieser Brandmauer war sehr kostengünstig.
Somit bewiesen die Schildbürger wie schon oft, dass sie nicht nur mit jedem Problem fertig werden, sondern auch vernünftig sind und auf die Kosten achten.
Danach hatten sie keinen Grund mehr, sich vor dem Feuer zu fürchten. Im Gegenteil: sie begannen mit dem Feuer zu spielen. Ein Spiel fand besonderen Beifall: Das Zündeln an der Brandmauer.
Das Graffiti auf der Wand muss jeder lesen, der zur S-Bahn geht.. Die Reichen essen? Echt? Das kann doch nur ein Witz sein. Nein, es ist ernst gemeint, zumindest in dem Film "Eat the rich" aus dem Jahr 1987. So steht es in Wikipedia. Der Inhalt des Filmes in Kürze:: Ein Kellner in einem Nobelrestaurant wird wegen Hautfarbe und Schwulsein gemobbt, dann gefeuert, worauf er sich rächt. Mit seinen Freunden tötet er die Angestellten und Gäste, verarbeitet diese zu Essen für die nächsten Gäste.
Mittlerweile sind fast 50 Jahre vergangen. Heute geht es den Reichen viel besser als damals. Und die Zahl der Hungernden auf unserem Planeten ist größer geworden. Sollte man also den Vorschlag ernst nehmen? Nein, ich rate ab, Reiche zu essen. Man würde sich den Magen verderben, vielleicht sogar vergiften. Wer weiß schon genau, was sie alles an Pillen und Säfte schlucken, welche Schönheitsoperationen sie vornehmen und was für Implantate und Prothesen sie installiert bekommen, um jung und schön zu bleiben. Bei so viel chemisch-technischer Behandlung stellt sich womöglich die Frage, ob man ihre Körper im Todesfall nicht gesondert entsorgen muss.
Nein, wirklich, einen Reichen zu essen, das ist keine gute Empfehlung, Reiche gehören eher auf die Liste ungesunder Lebensmittel. Aber was die Reichen essen, das st interessant. Ihr Appetit ist größer geworden und sie sind auf einen besonderen Geschmack gekommen.
Sie essenunseren Planeten!
Sie zerstören das Klima durch die Verdauungsgase ihrer Jets und Jachten, mit ihren riesigen Villen, Golfplätzen und Landebahnen zernagen sie die Natur und mit ihrer unbändigen Gier auf Luxus verschlingen sie die Schätze der Erde.
Also gilt es heute, nicht die Reichen zu essen, sondern sie am Essen zu hindern.
Nicht das in ihren 4-Sterne-Lokalen. Sollen sie dort ruhig schlemmen! Aber das Verzehren des Planeten müssen wir verhindern.
Wie schaffen wir das? Na, ganz einfach. Besteuern wir die Superreichen mit mindestens 50 %! Und das ohne Schlupflöcher. Dann hätten sie kleinere Jachten, kleinere und weniger Jets, kleinere und weniger Villen. Und mit dem Geld, das sie abgeben müssen, finanzieren wir das Essen für alle hungrigen Menschen auf unserem Planeten.
Ich hatte sie auf einer Demo kennengelernt. Sie trug einen eleganten Trenchcoat, ihr Gesicht hatte ein dezentes Make-Up und die dunklen gelockten Haare gaben ihr ein mädchenhaftes Aussehen,
aber sicher war sie schon um die 40. Wir verstanden uns gut und nach Abschluss der Demonstration, lud sie mich zu einem Kaffee ein.
Wir unterhielten uns angeregt über kulturelle Dinge, ich kam dabei auf ein Komödie zu sprechen, die ich kürzlich im Theater gesehen hatte. Sie wollte wissen, wie das Stück beim
Publikum angekommen sei und ich, überwältigt von der Erinnerung, platzte heraus: „Wir lachten bis zur Vergasung“.
Sie zuckte zusammen und sagte langsam: „Weißt du, was du jetzt gesagt hast?“
Es überlief mich eiskalt, ich erkannte sofort die wahre Bedeutung des Satzes und entschuldigte mich. Aber es war zu spät, das Gespräch tröpfelte und ich verabschiedete mich bald.
Auf dem Heimweg fragte ich mich: Wie konnte das passieren? Ich bin kein Antisemit, Bei Gott, nein! Aber wie kam ich zu diesem furchtbaren Satz? Und dann fiel es mir ein: Der Satz stammte aus den
50er Jahren.. Wir Kinder sagten ihn, wenn wir etwas besonders Lustiges gesehen hatten. Es war ein Satz, den wir von Erwachsenen übernommen hatten.
Ich wünschte, ich hätte meiner Gastgeberin noch sagen können, dass nicht ich den Satz gesagt habe, sondern das Kind aus der Nachkriegszeit.
Warum erzähle ich das?
Ich frage mich, was dem Mund eines Kindes von heute in 20-30 Jahren versehentlich entschlüpfen wird. Und ob es sich dann wie ich schämen muss.
In der Wendezeit hatten wir unsere Westberliner Wohnung aufgegeben und ein Häuschen im Brandenburgischen gekauft. Schon am zweiten Tag bekamen wir Besuch. Der Mann trug einen etwas zu großen
Anzug, seine blassen Augen blickten vorwurfsvoll, und die abgenutzte Aktentasche war gut gefüllt.
Ich wollte mich als guter Wessi erweisen, bat ihn Platz zu nehmen und ließ ihn reden. Er empfahl mir, meine Ersparnisse bei einem Schweizer Fonds anzulegen, dessen Vertreter er sei. Ich bekäme
einen Zins von 12 %. Die Banken dagegen böten nur 5 %.
„Leider haben wir nichts Erspartes“, sagte ich.
„Das macht nichts“, meinte er. „Nehmen Sie einfach eine Hypothek auf das Haus.“
„Haben wir schon“, sagte ich.
„Na, dann eben noch eine zweite“, sagte er.
Es kam zu keinem Abschluss. Beim Einpacken der Broschüren murmelte er, aber so, dass ich es gut hören konnte: „Man hat gesehen, wie Honecker in die amerikanische Botschaft ging, und
dann kam er mit einem Aluminiumkoffer heraus. Er hat die DDR an die Amerikaner verkauft.“
Er verließ uns mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der die Last eines weltpolitischen Geheimnisses auf den Schultern trägt.
Heute Vormittag lieferte uns der Fahrer des Eiswagens die bestellte Ware. Als ich deren Verteuerung kritisierte, meinte er: „Ja, alles wird teurer, das liegt an den Kriegstreibern, den
Amerikanern.“
„Aber einmarschiert sind doch die Russen.“ sagte ich.
Er schüttelte den Kopf: „Das sind keine Russen, sondern als Russen verkleidete Amerikaner.“
„Soso.." spottete ich. „Dann kämpfen also die Ukrainer gegen die Amerikaner?“
Sein Gesicht kam mir nahe, ich spürte seinen Atem.
„Mann! Ukrainer gibt es doch gar nicht!. Das sind Russen!“
Sprachlos bei so viel Dummheit stieg er in den Wagen und fuhr davon.
Als ich das meiner Frau erzählte, war sie zu meiner Verblüffung keineswegs überrascht.
„Du glaubst ja nie was“, sagte sie, „aber ich weiß schon lange, was wirklich passiert. Die Erde steigt in eine höhere Dimension, darum das ganze Durcheinander, aber keine Angst, bald sind wir in
einer besseren Welt!“
Bei Gott, jetzt glaube ich wirklich was, und das tut richtig weh: Mit mir stimmt was nicht! Wieso wissen alle die Wahrheit, bloß ich nicht? Bin ich etwa blind? Aber vielleicht muss ich einfach
genauer hinsehen.
Zum Beispiel jetzt. Die Nacht da draußen. Die seh ich mir jetzt mal richtig an. Aber zuvor zur Beruhigung noch einen Schnaps. So.. Noch mal einen .. Na bitte! Jetzt seh ich's! Hat nicht mal fünf
Minuten gedauert. Sofort ins Internet damit:
Leute! Die Nacht ist gar keine Nacht. Sie ist ein als Nacht verkleideter Tag!
Es war einmal ein König, der hatte zwei Minister, einen Finanzminister, den er am liebsten hatte, und einen Klimaminister, den er weniger mochte. Außerdem sprach er ganz leise, und das war gut
so, weil er sein Volk nicht aufregen wollte. Als der König einmal das Volk mahnte, nicht mehr so viel Unfug zu treiben, wie beispielsweise Leute zu schlagen, die eine andere Hautfarbe
haben, hörte ihn keiner, und so hatte er keinen Ärger mit dem Volk.
Ein andermal, als ihm der Finanzminister sagte, man dürfe keine Schulden mehr machen, sagte der König, das Volk solle den Gürtel enger schnallen, es kämen harte Zeiten. Aber das war so leise
gesprochen, dass es keiner hörte, und das war gut so, sonst hätte der König Dresche bekommen.
Und es war zu dieser Zeit, da gelang es dem Klimaminister, sich dem König zu nähern und ihm zu sagen, Ausdünstungen und Abgase würden die Luft so heiß machten, dass überall das Eis zu
schmelzen beginne.
Der König war gnädig und sagte dem Volk, es solle brav sein und seine Kühe und Pferde nicht mehr so viel pupsen lasse. Aber das hörte keiner, und das war dem Finanzminister ganz recht, weil er
mit seinem geliebten Rennpferd gern er über Felder und Auen jagte, wobei das Pferd ganz schön pupsen musste.
Aber dann passierte etwas, dass sich sogar der König wunderte. Das Volk war nicht mehr zu sehen. Wo war es hingelaufen? Er schickte einen Späher aus und der fand das Volk hinter dem Schloss. Da
hörte es einem Mann zu, der mit lauter Stimme verkündete, er würde das Volk groß machen, größer als je zuvor, und jeder im Volke würde reich und glücklich werden.
Als der König das erfuhr, räusperte er sich, aber es war schon zu spät. Denn das Volk strömte zu seinem Schloss und er musste abdanken.
Vom Volk und dem abgesetzten König war nichts mehr zu hören. Der neue König zwang alle zum Schweigen und das nicht nur mit der lauten Stimme.
Ich bat einen mir gut bekannten Gymnasiallehrer, über die neusten Entwicklungen der deutschen Sprache eine Unterrichtsstunde abzuhalten. Er war so freundlich, meine Bitte zu
erfüllen und wies mir einen Platz in der letzten Reihe seiner Klasse an. Und so begann er mit seinem Vortrag:
„Herrschaften, wir haben heute ein interessantes Thema. In letzter Zeit hört man oft, wie einer sagt: 'Ich gehe davon aus'. Alle Naslang hört man das. Sogar in allerhöchsten Kreisen.. Was ist
will man damit sagen?
Eine Kerze, nicht wahr, geht vom Pusten aus. Und manches Ding geht von einem Knopfdruck aus. So komfortabel ist das.
Aber, bitte schön, wie ist das beim Menschen. Wovon geht der aus? Wer weiß das? Keiner?
Na, da stellen wir uns mal ganz dumm.
Herrschaften, der Mensch muss doch eine Riesenangst haben, sobald er den Mund aufmacht. Was, wenn daraus nur Blödsinn kommt? Passiert schon mal. Passiert sogar ziemlich oft. Und was dann?
Also denkt der gute Mensch: Klappe halten, sofort! Aber, Donnerwetter, der Apparat läuft weiter, er geht nicht aus.... Herrschaften! Das ist doch grauenhaft! Der Mensch kann die Schnauze nicht
halten! Wo ist denn um Himmels Willen der Ausschalter? Weiß das einer? Nein?
Na, da greifen wir einfach zur Gebrauchsanleitung.
Bloß, da ist keine. Hat der Hersteller wohl vergessen. Brauchen wir auch nicht. Der Mensch hat nämlich einen eingebauten Wackelkontakt. Da genügt ein Klaps und …Herrschaften, da hinten will uns
einer was sagen. Bitte sehr... Wie meinen? Ausgehen, das heißt mit den Füßen? Von einem Standpunkt? Also mit einem Fuß stehen, mit dem anderen gehen? Großer Gott, wie das wohl aussieht..
Junger Mann, geben Sie sich schleunigst einen Klaps, damit Sie davon ausgehen. Sie reden sich ja um Kopf und Kragen. Nein, so was, die Stunde ist rum.. Das nächste Mal, Herrschaften, behandeln
wir das allseits beliebte 'Das ist nachvollziehbar'. Stellt euch schon mal ganz dumm.“
Es war ein Herbstnachmittag, ich war bei Gunnar zu Besuch, meinem schwedischen Freund. Wir sprachen über den gegenwärtigen Balkankrieg. Er hatte in jungen Jahren Kroatien durchwandert und zu
jeder Stunde hörte er die neusten Nachrichten, als befände sich sein Häuschen an der Front.
Auf seinen Knien lag die Katze und seine schwere, schwielige Hand strich über ihr weißfleckiges Fell. Mit geschlossenen Augen genoss sie die Zärtlichkeit einer Engelhand.
Plötzlich erzählte er, wie er letzten Sonntag in der Kirche während der Predigt des Pastors aufstand und ihn bei einem Bibelzitat korrigierte. Wahrscheinlich erwartete er ein bewunderndes
Lob von mir. Aber es war eine bekannte Unart von ihm, mit seiner Besserwisserei ohne Rücksicht auf die Situation herauszuplatzen. Das sagte ich ihm und wie ein Kind, das eine Bestrafung
erwartete, sah er mich an.
Sein Blick traf mich. Ich wünschte, ich hätte den Mund gehalten. Denn an mir haftet ein ähnlicher Fehler, allerdings das Gegenteil von seinem: Ich schweige oft, wo ich reden sollte..
Und dann sagte er: „Weißt du, woher ich mich in der Bibel so gut auskenne?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, begann er aus der Zeit des 2. Weltkriegs zu erzählen. Zwar war Schweden neutral, hielt
aber eine starke Armee von Wehrpflichtigen und eines Tages wurde er einberufen. Er war Pazifist, weigerte sich, den Drill mitzumachen, so dass er die meiste Zeit im Arrest saß und da gab es
nichts anderes zur Unterhaltung als eine Bibel.
Er hatte aufgehört, die Katze zu streicheln, da mauzte sie, und während er sie wieder zu streicheln begann, murmelte er: „Rechts rum! Links rum! Aufstehen! Hinlegen! …So fägt Krieg
an.“
Wenig später saß ich auf meinem Fahrrad. Der Mond färbte die Sandstraße knochenweiß. In seinem Gesicht stand stummes Entsetzen. Ich radelte, so schnell ich konnte, aber ich bekam ihn nicht los
und als ich die nachtdunkle Hütte betrat, war ich bereit, für die kalte Umarmung des Winters.
Mein schwedischer Freund war ein Wanderer zwischen den Welten und so war er auch in den Sprachen bewandert, besonders in der deutschen. Ihm fiel sofort auf, dass unsere Sprache zu unserem Unwohlsein beiträgt und er nannte mir auch gleich, was an ihr zu ändern sei, damit es uns bald so gut gehe wie den Menschen in Schweden.
„Erstens“, sagte er, „müsst ihr das Siezen abschaffen. Wenn ihr euch alle duzt, gibt es kein Oben und kein Untern und man kommt sich näher. Ihr werdet sehen, wie leicht dann das Zusammenleben wird.
Zweitens, da du gerade Schwedisch lernst, such nicht im Lexikon nicht nach dem schwedischen Wort für „fressen“ suchen, das gibt es nicht. Denn Menschen und Tiere essen auf gleiche Art, jedenfalls in Schweden. Bei uns gibt es nur ein Wort für „essen“, nämlich „äta“, und das gilt für Mensch und Tier.“
Jetzt aber protestierte ich: „Hast du schon mal Tiere mit Gabel und Messer essen sehen? Also bitte!“
„Jaso“, sagte er, „ich dachte, wir alle essen mit Mund und Zähnen, wie es die Natur verlangt. Das solltest du auch so sehen, vielleicht bekommst du dann ein besseres Verhältnis zu den Tieren.“
Und dann fragte er mit einem schrägen Seitenblick: „Sag mal, bei euch heißt es doch „das“ Mädchen. Kommen in Deutschland die Mädchen geschlechtslos zur Welt? Bei uns sind sie vom ersten Atemzug an weiblich, darum nennen wir ein Mädchen auch „flickan“, und nicht „flicket“. Handelt es sich bei euch möglicherweise um einen nationalen Defekt? Und wie heilt ihr ihn? Denn es gibt doch schließlich Frauen bei euch!“
„Natürlich“, knurrte ich, „sie brauchen zur zu heiraten, dann sind sie Frauen.“
„Jaso“, sagte er. „In Deutschland ist also Heiraten die magische Verwandlung eines Mädchens in eine Frau. Wie in einem Märchen. Aber was passiert dann euren Jungs, wenn sie heiraten? Männlich sind sie ja schon? In was verwandeln die sich?“
Ich schwieg. Und schimpfte im Stillen auf meinen Deutschlehrer, der uns dieses Rätsel nicht erklärt hatte.
„Mir scheint“, sagte mein Freund und beendete das Gespräch, indem er sich einen Bonbon in den Mund steckte, „ihr Deutschen habt noch einiges zu lernen. Fangt mit der Sprache an. Sagt nicht mehr „das“ Mädchen, sondern „die“ Mädchen, Mehrzahl „Mädchens“. Wirst sehen, das macht auch die Frauen glücklicher.“
Ich versprach es ihm.
Das war vor 50 Jahren. Nichts hat sich geändert.