In meiner Ferienhütte war nur ein kleines Fernsehgerät, aber es reichte. Es stand nahe bei einem Fenster, so dass ich mal auf den Schirm und mal nach draußen sehen konnte. Einmal sah ich
eine Natursendung, und plötzlich - ich blickte hin und her – sah ich deutlich, dass die Linde vor meinem Fenster und der Wald dahinter unterbelichtet waren. Auf dem Bildschirm waren die Bäume und
Büsche nicht einfach grün, sie strahlten grün, während draußen die Farben geradezu stumpf aussahen.
Schäm dich, Natur, dachte ich, im Fernsehen ist die Natur viel besser.
Sie kann nichts dafür. Diese Natur war ein Fake. Und erinnerte mich an meine Zeit in einer Werbeagentur.
Ich durfte dabei sein, als der Werbefotograf das Produkt für die Aufnahme bearbeitete. Nicht nur, dass er es richtig ausleuchtete, es wurde geputzt, lackiert, befeuchtet. Dem Betrachter lief
später beim Anblick des Fotos auf der Anzeige das Wasser im Mund zusammen. Heikel bloß, dachte ich, wenn der Käufer die Wurst auspackt. Sie wird blass aussehen. Aber, wie es schien, keiner merkte
den Unterschied. Die Wurst wurde in Massen gekauft.
Heute geht das viel einfacher. Man hat ein Fotobearbeitungs-Programm im PC oder auf dem Smartphone und verschönert das Bild. Und schon entsteht eine Welt, in der der Dreck an den Schuhen so schön
aussieht wie die gepflegte Haut eines Models.
Mittlerweile hat der Verschönerungsrausch die Menschen ergriffen. Fernsehen und Smartphone zeigen geschönte Menschen und die Fans und Followers strengen sich an, durch Selbstoptimierung wie sie
auszusehen.
Das ist mühevoll, aber der Mensch ist kreativ, vor allem, wenn sich daraus ein Geschäft machen lässt, und so werden Elon Musk, Google und Meta uns die Mühe abnehmen, sie werden uns Brillen mit
einem Verschönerungsprogramm verkaufen. Wer sie trägt, wird – wo immer er geht und steht – nur bildschöne Menschen sehen. Und eine verschönte Welt gleich dazu. Schon heute gibt es ja eine
virtuelle Welt, die man sich schön machen und in die man fliehen kann
Ich bin sicher, in ein paar Generationen werden die Menschen virtuell geboren. Sie werden die ersten sein, die fröhlich in der schönsten aller Welten leben – während um sie herum alles in
Schutt und Asche liegt.
Wieso fällt mir jetzt das Lied von Pippi Langstrumpf ein?
Unser Kindheitstraum. Endlich.