Prämiert mit dem Brandenburgischen Literaturpreis 2010
Der junge Reimer
Es ist um Mitternacht,
wenn er zum Reime greift,
als ging's zur Schlacht,
die Zukunft schreibt.
Er reißt sich los
vom Planetaren,
durchpflügt den Kosmos,
fetzt Traum- und Liebeslaken
und stört,
den Schlaf der Guten
mit Worten unerhört,
bis seine Zähne bluten.
Der alte Reimer
Die Nacht will er maskieren
zu einer Kachelwand im Klo.
Darauf will er was schmieren.
Zum Teufel auch, es geht ihm so:
Zu dieser Stund löst man den Gürtel
und schlägt auf seinen Schatten ein.
Und aus den Zähnen rieselt Mörtel
bei dem Versuch zu schrein.
Und seht: Der letzte Mensch, bevor
der Zukunft erster aufersteht,
gestürzt liegt er mit einem Ohr
im Müll, das andre hochgedreht.
Und Sterne funken fremden Sinn,
sein Kopf wird Webmaschine
und pocht und sticht: ein Gobelin.
Die Nachwelt lacht: Gardine.
Punkt Zwölf. Vom Rundfunk Phrasen.
Ein Tag beginnt, eine neuer.
Reformen abgeblasen.
Sie sind der Welt zu teuer.
Schreiben mit dem Klon
Auf nackten Fensterscheiben
vereist die Nacht zur Wand.
Ich will darauf was schreiben,
schon heb ich meine Hand.
Als wär's im Universen
beginnt auch so mein Klon
den Kampf mit Reim und Versen
ganz ohne Megaphon
Wir schreiben um die Wette,
wer wird der Beste sein?
Schiel nicht nach deinem Bette,
mein Freund, schlaf jetzt nicht ein!
Und was wir da geschrieben,
das werden wir ja sehn
am Morgen, früh um sieben,
wenn andre ackern gehn.
Ich schreibe wie der Teufel,
dann kommt das Sonnenlicht.
Es tropft, und das Geträufel
nichts Gutes uns verspricht.
Es taut, was nachts gefroren.
Mein Klon sitzt da und sinnt.
Denn alles geht verloren,
im Wasser, das da rinnt.
Was soll’s! Es sind die Texte
nicht kostbar wie ein Schatz
und bald kommt ja die nächste
so heitre Reimehatz!
Ich nick zum Gegenüber,
das hast du gut gemacht,
mir fallen zu die Lider,
schlaf gut, mein Freund, gut Nacht.