Ich hatte ihn kennengelernt, als ich das Bedürfnis hatte, bewegte Luft zu spüren. Außerdem war mein tägliches Pensum an sozialen Kontakten noch nicht erfüllt.
Ich verließ meine Schlafkabine und trat auf die Straße, nichts rührte sich, sie war völlig leer, ich ging in Richtung des nahe gelegen Parks, da roch ich es. Es war ein völlig unbekannter Geruch,
ich folgte dem seltsamen Aroma und fand einen Mann auf einer Bank, der eine Pfeife rauchte, etwas, was es seit Jahrzehnten nicht mehr gab, denn Tabak wurde längst nicht mehr verkauft.
Aber er rauchte eine Pfeife, er sah mich mit zusammengekniffenen Augen an und gab mir mit einer Kopfbewegung ein Zeichen, mich neben ihn zu setzen.
Das tat ich. Das Erste, was ich wissen wollte, war, warum er Pfeife rauchte, obwohl er die Wirkung des Nikotins über einen Brain-Walker erhalten könnte, denn auch dies lässt sich wie alle anderen
Genüsse im Gehirn erzeugen.
Darauf hielt er eine längere Rede, die er offensichtlich genoss, denn er kam von einem Punkt zum nächsten. Nach seiner Meinung kam es nicht auf den Tabak an, nicht einmal das Rauchen war wichtig:
sondern die Form, wie man es ausführte. Die Pfeife muss gestopft, der Tabak mit dem Daumen gepresst, dann muss er entzündet werden mit einem altmodischen Feuerzeug, und dann die Züge am
Mundstück, bis der Dampf aus dem Mund quillt..
„Es ist“, so fuhr er fort, „wie das Speisen der Menschen vor hundert Jahren: die Art, wie Messer und Gabel zu führen waren, wie die Serviette benutzt wurde, wie man zu sitzen hatte. Das war das
eigentlich Genussvolle, nicht die Nahrung, die man kaute.. Die Form, mein Freund“, hier paffte er kurz, „die Form ist das Interessante, und alles, was wir heute mit dem Brain-Walker erleben, hat
den riesigen Mangel formlos zu sein, es geschieht nur im Kopf. Es macht mir keinen Spaß, einen Orgasmus auf Knopfdruck zu erleben: Ich möchte eine Frau dazu haben.“
Das kam mir sehr sonderbar vor, denn schließlich war das ja machbar und auch heute noch üblich.
Er nickte.
„Ja, aber es ist ohne diese grandiose Form von damals, die Blicke, die Annäherung, der erste Kuss, die Zärtlichkeit, die immer stärker zu einem Begehren wird, und dann das Berühren der Haut.
Haben Sie schon mal die Haut einer Frau berührt? Wie ein Blütenblatt. Aber natürlich, woher sollen Sie das wissen? Sie haben bestimt noch nie ein Blütenblatt berührt.“
„Wie alt sind Sie?“ fragte ich.
„136“, sagte er.
Dann schwieg er und machte den Eindruck, dass er allein sein wollte. Ich stand auf und ging weiter. Wieder eine leere Straße. Dann dies: Eine Gestalt, die sich über einen Hund beugte. Eines von
diesen Tierrobotern, die auf Zuruf und Gestreichel reagieren, putzige Spielzeuge, nichts weiter. Dieser Roboterhund, ein Dackel, hatte das rechte Hinterbein verloren und statt zu laufen oder zu
springen, rutschte er auf dem Hinterteil, erhob sich dann mühsam, wankte ein paar Schritte, plumpste wieder auf sein Gesäß und versuchte schließlich, durch Rutschen vorwärtszukommen. Die
sonderbare Gestalt hatte das Bein aufgehoben, sie versuchte, es wieder anzubringen. Sie versuchte es mehrmals, es gelang ihr nicht und da sah ich, dass eine Flüssigkeit über ihr Gesicht
lief.
Es war ein Roboter und er weinte.
Ich bekam über meinen Brain-Walker ein Signal, dass ich das vorgeschriebene Maß an sozialen Kontakten erreicht hatte, mehr wäre mir nicht zuträglich gewesen, ich kehrte in meine Schlafkabine
zurück.
Siehe auch Nachrichten aus der Zukunft und Sonja und ihr Roboter