Freundlicher Besuch
In meiner stillen Einsamkeit
besuchte mich die Zeit.
Von weit kam sie gelaufen,
ich hörte schon ihr Schnaufen.
Wir gaben uns die Hand,
in Freundschaft zugewandt.
Wir lasen ein Buch, wir tranken Wein
und nickten gemeinsam beim Träumen ein.
Würd sie doch immer bei mir bleiben!
Könnt mir die Zeit mit ihr vertreiben.
Da kam ein Mensch ins Haus
und die Zeit ging aus.
Waldspaziergang
Durch schattige Gänge
mich Laute begleiten.
Ich lausche und strenge
mich an zu begreifen.
Der Bäume Stimme,
ein Raunen und Rauschen,
als wenn sie schlimme
Geschichten austauschen.
Die Vögel, sie zeigen
verstörtes Gebaren,
sie flattern auf Zweigen,
wo Nester sonst waren.
Und fern ein Jaulen
der Kettensäge.
Da stoppt voll Grauen
der Specht seine Schläge.
Ein Eichelhäher
fliegt auf und schreit heiser:
"Ein Mensch kommt näher!
Flieht! Und seid leiser!"
Silvester allein in der Hütte
Es tanzen Funkenschwärme.
Das Holz im Feuer kracht.
Die Hütte ist voll Wärme
in der Silvesternacht.
Das Licht von Kathedralen
den Himmel überspannt,
als beim Count-Down der Zahlen
mich Wehmut übermannt.
So vieles ging verloren,
was Glück und Glanz verhieß.
Gerötet warn die Ohren,
sprach man vom Paradies...
Hab Lust, mich zu betrinken,
doch ist die Flasche leer.
Die Schrippe mit dem Schinken
ist alt und schmeckt nicht mehr.
Am besten werd ich weise,
verspotte meine Zeit,
und leg ins Feuer leise
mal Traum, mal Fichtenscheit.
Die Reisebekanntschaft
Sie fuhr nach Kiel
und ich nach Schweden..
Ich wünschte mir ein Spiel,
sie fing schon an zu reden.
Ihr Mund war frisch und süß,
sie konnte ihn nicht halten.
„Noch gestern Morgen ließ
man mich nen Brustkorb spalten.
Man schlägt ihn auf,
so wie man Muscheln spreitet.
und folgt der Adern Lauf
vom Punkt, der Blut verbreitet.
Und äußerst intressant
sind auch die Eingeweide.
Als tauchte man die Hand
in purpurnes Geschmeide..“
Da brach's aus mir: „Das Herz
der Lebenden, das langweilt Sie?“
Sie blickte deckenwärts:
„Na hören Sie: Wer heilt denn die?“
„Natürlich Sie, nur Sie!“
Ich lag fast auf den Knien.
Sie seufzte: „Ach, der Chirurgie
gäb ich mich gerne hin.“
Hier war nichts mehr zu wolln.
Im Zug wurd's kalt und schummrig,
dumpf klang das Räderrolln...
Ich schlug den Mantel um mich.
Sie war so rasend jung,
schön wie vom Himmelsreiche,
und hatte zur Erinnerung
auf ihrem Schoß ne Leiche.
Nächtlicher Besuch
Wir wollten grad zu Bette gehn,
wie Mann und Frau es recht verstehn,
und im Kamin die Fichtenscheite,
die drehten sich auf unsre Seite:
Nichts Schöneres gibt es zu sehn,
wenn Mann und Frau zu Bette gehn!
Sie zündete drei Kerzen an.
„Das macht dich schön, mein lieber Mann!“
Da hörten wir holzschwere Schritte
sich nähern unsrer kleinen Hütte.
Rasch zogen wir uns wieder an.
Kam Rübezahl jetzt durch den Tann?
Es waren Freunde, zweifellos,
und gut gebaut und wirklich groß.
(Sonst schwangen sie die Maurerkelle).
Sie lobten unsre Feuerstelle.
Sie sprachen viel aus voller Kehl,
wir saßen still wie auf Befehl.
Nach einer Stunde fiel mir ein:
Mensch, gähne, ächze bis zum Stein-
und Junggesellerweichen.
Am Ende half ein andres Zeichen:
Hier seht, mein eingeschlafnes Bein!
Da endlich ließ man uns allein.
Den Schlüssel schnell im Türschloss drehn!
Komm, Schatz, lass uns zu Bette gehn.
Schau, im Kamin erwacht das Feuer,
auch das freut sich schon ungeheuer.
So Schönes gibt es hier zu sehn,
wo Mann und Frau zu Bette gehn.
Überraschender Besuch in einer Hütte
Am Nachmittag kam der Besuch.
Wir baten ihn aufs Badetuch.
Warum wir keinen Kaffee kochten?
Ob wir das Wasser denn nicht mochten?
Wir sollten ihm das Pulver geben,
das andre gäb er uns mit Segen.
Dann aber trank er nicht, o nein.
Er spuckte nur mal kurz hinein.
Und hängte seinen Rauschebart
in meinen Tabak. Das war hart.
Darauf schrie meine Frau entsetzt.
Er hatte sich ins Mehl gesetzt.
Beleidigt tat er dann in Pfützen
auf Stuhl und Tisch herumzusitzen.
Es gab nicht einen trocknen Lappen!
Und ich fing an, leicht einzuschnappen.
"Du blöder Kerl, was willst du hier?"
Das sagte ich doch nur zu mir.
Er lud uns ein zum Spiel mit Karten.
Lang mussten wir aufs Geben warten.
Die Schuld gab er den Dingern:
die klebten an den Fingern.
Und später fiel er - gar nicht nett -
zu meiner Frau und mir ins Bett.
Die Lage war zwar ziemlich peinlich,
doch immerhin: Er war ja reinlich.
Am Morgen schlief ich endlich ein.
Ich träumt', ein Hund, der hob sein Bein.
Und als die Sonne kam, da ging er,
erfrischt und - wie mir schien - auch jünger.
„Ich werd gebraucht“, sprach er... Von wegen!
Ich brauch dich nicht, verdammter Regen!
Das Pilzgericht
Die Pilze waren aus dem Wald,
die wir am Abend aßen.
Dann kam ein Zweifel in Gestalt
des Pilzbuchs, das wir lasen.
Was hatten wir denn da gepflückt?
Spürst du schon was im Magen?
Und da, die Kleine.. Schau, sie blickt,
als wollte sie gleich klagen!
Und aß so viel und diesmal gern
zu unserm Schreck und Kummer...
Das Krankenhaus, ist’s nah, ist‘s fern?
Hast du die Notrufnummer?
Wir huschten leis an uns vorbei,
wir sprachen lang und tapfer
vom Wetter und von allerlei:
perfekte Unsinnverzapfer.
Und dann... O Gott! Das Kind! Wie blass!
Ihm zittern schon die Hände!
Doch war bloß seine Hose nass.
Und wir mit den Nerven am Ende.
Am Tag darauf ein Bauer spricht
- Hab ich ihn recht verstanden? -:
„Man kocht sein erstes Pilzgericht
auch nur den reichen Erbtanten.“
Ferienmorgen mit Erdbeben
In weicher Stille, lüstern fast,
ein Mäuschen in der Hüttenwand
huscht und nagt mit leiser Hast.
Aus feinen Rissen rieselt Sand.
Und dann, als sei des Himmels Glas
geborsten, schwillt ein Vogelsang,
und eifrig und versteckt im Gras
da reiben Grillen ihre Flügel lang.
So fröhlich lebt die kleine Welt,
bis plötzlich - Da! Ein Erdenstoß! -
sie furchtsam ihre Luft anhält.
Der Nachbar ist‘s in Holzschuhn bloß.
Der Mittsommerbaum
Und wie da draußen einer steht
und in den Wäldern wird es spät
und sieht die Sonne untergehn,
er aber muss, muss immer da stehn.
Und als die Nacht ihr Sternsieb hält,
ein Körnchen blitzend niederfällt
auf ein Gesicht, von Tränen nass.
Er aber steht, steht stumm im Gras.
Und als der Mond steigt übern See
sinkt eine Kuh tot in den Klee
und irgendwer macht Weltgeschicht,
er aber rührt, er rührt sich nicht.
Was denkt der so die ganze Zeit?
Beneid ich ihn? Tut er mir leid?
Ich geh hinaus, weiß nicht warum,
und hau den alten Maibaum um.
Der Träumer im Gras
Ach, weckt mich nicht. Ich träume schon.
Ganz zart am Haar da zupft mich was.
Und aus der Ferne kommt ein Ton,
als kämen Schritte durch das Gras.
So komm aus der Vergangenheit!
Warum bist du gegangen?
Längst hast du dich von mir befreit,
doch ließt du mich gefangen.
Ich rieche noch den Duft vom Tee.
Die Kerze kaum erhellte
die kleine Hütte tief im Schnee.
Im Wald ein Fuchs, der bellte.
Und als wir uns dann, Mund auf Mund,
tief ineinander drückten,
da war's, als knüpften wir den Bund
im Himmel der Entrückten.
Ach, weckt mich nicht. Ich träume schon.
Ganz zart am Haar da zupft mich was.
Und aus der Ferne kommt ein Ton,
als kämen Schritte durch das Gras.
Silvester in der Hütte
Es fliegen Funkenschwärme.
Die Flamme Saltos schlägt.
Die Hütte ist voll Wärme
vom Holz, das ich gesägt.
Hab Lust, mich zu betrinken,
doch ist die Flasche leer.
Die Schrippe mit dem Schinken
ist alt und schmeckt nicht mehr.
So vieles ging verloren,
was Ewigkeit verhieß.
Es glauben nur die Toren
noch an ein Paradies.
Das Leben wiederholt sich
mit jedem Morgenrot,
und jeder Traum verkohlt dich,
statt Zucker gibt es Schrot...
Doch geht es auch so weiter
im nächsten Jahr - was soll's!
Mein Feuer brennt. Und heiter
hol ich mir neues Holz.