Gunnar, seine Frau und ihr kleiner Sohn waren unterwegs. Ich hütete das Haus und das Baby, ihre Tochter.
Es war ein sonniger Tag, ich stellte den Kinderwagen in den Schatten des Fliederbuschs. Und wie ich mich umdrehte, saß da ein kleiner Hase. Er sah mich treuherzig ab, ich warf mich auf ihn und
fing ihn. Mein Herz klopfte vor Aufregung und Freude. Ich wollte ihn unbedingt der Familie zeigen. Um ihn bis zu ihrer Rückkehr aufzubewahren, sperrte ich ihn in die Toilette. Er versteckte sich
hinter dem Klositz.
Kaum war die Familie aus dem Auto gestiegen, sagte ich stolz, ich hätte einen Hasen gefangen, sie könnten ihn in der Toilette sehen. Mit einer Schnelligkeit, die ich von ihm nicht kannte, rannte
Gunnar an mir vorbei ins Haus, totenbleich im Gesicht. Er kam mit dem Hasen zurück und setzte ihn am Feld aus. Den ganzen Abend richtete er kein Wort an mich.
Beim Abendbrot stand er plötzlich auf und verließ das Zimmer. Als ich den Tisch abräumte, kam ich an den Fenstern vorbei. Ich sah kurz hinaus. Im Schatten des Hauses stand eine dunkle Gestalt und
als sie langsam einen Arm hob wie mit großer Anstrengung, wusste ich sofort, das war Gunnar, und was er tat, wusste ich auch. Die Hauskatze hatte vorgestern drei Junge geworfen. Zwei zu viel,
hatte seine Frau gesagt.
Und dann schleuderte er etwas auf den Betondeckel des Hausbrunnens. Es war ein Katzenjunges, kaum größer als ein Männerdaumen. Dann nahm er aus der linken Hand das zweite und wiederholte den
Vorgang. Er hob die Leichen auf und verschwand hinter dem Schuppen.
Im Dämmer war sein Gesicht nicht zu sehen. Ich dachte an seinen liebevollen Blick, wenn er ein Tier oder eine Pflanze betrachtete. Es war dunkler geworden. Es war Weltuntergang.
Ich schlich in mein Zimmer. Dort tippte ich das Erlebte in meine Reiseschreibmaschine. Und da ich mich für einen revolutionären Schriftsteller hielt, endete ich den Bericht mit einer
pathetischen Frage:
„Dass ein Mensch, der das Leben liebt, zwei gerade geborene Katzen tötet, und dass ein anderer einen vor Angst zitterndes Hasenjunges fängt, nur um damit anzugeben, da fragt man sich doch: Das
soll Gottes Ebenbild sein?“
Klugerweise ließ ich die Frage unbeantwortet.
Heute erlaube ich mir eine Antwort. Sie wird nicht gefallen. Der Mensch hinterlässt Wüsten, wo Natur war. Er ist Ursache der Kriege, des Terrors, der Vertreibung. Zur gleichen Zeit erobert er den
Weltraum und baut sich eine zweite Wirklichkeit. Er arbeitet am Code des Lebens und wird neue Geschöpfe schaffen. Eines Tages wird er auch das letzte Rätsel lösen. Er wird Gott entdecken. Aber
statt Gott zu umarmen, wird er zurückweichen:
Der Mensch ist wirklich Gottes Ebenbild.