Um Mitternacht sah ich zum Sternenhimmel. Und wie immer ärgerte ich mich. Ich schalte jedes unnötige Gerät ab, verwende nur noch Energiesparlampen und da oben blinkt es, als wäre dauernd
Weihnachten. Eine Energieverschwendung ist das und eine Rücksichtslosigkeit! Was, wenn eines Tages die Energie verbraucht ist? Was dann? Was bitteschön, was wird aus mir?
Da fasste mich ein Windzug und plötzlich stand ich vor einem wuhtigen Schreibtisch, dahinter im Chefsessel ein bärtiger Mann.
Er sah mich streng an und sagte: „Was faselst du da für Blödsinn?“
Mir wurde klar, ich stand vor dem Unternehmer der Lichterfabrik. Auch ich bin eines seiner Produkte, Respekt wäre jetzt angebracht. Ich machte eine Verbeugung und bedankte mich für die
Audienz.
„Das ist keine Audienz, ich habe dich gerufen. Also.. Was gibt es zu meckern?“
„Bitte sehr, wenn Sie gestatten.. Zu menem Bedauern muss ich Ihnen sagen, dass ich mit Ihrer Unternehmensführung nicht ganz einverstanden bin. So viele Lampen, Milliarden über Milliarden, und
alle brennen, wozu das? Ich sag es mal so: Bekämen Sie eine Stromrechnung wie ich, würden Sie mit Ihren Ressourcen bestimmt sparsamer umgehen.“
Er hob die Hand.
„Du sprichst vom Universum!"
„Ja, so firmiert Ihr Unternehmen. Ich vermute, Sie haben eine Überproduktion, darum hängen Sie so viele Lampen auf.“ Schon wieder die Hand. „Verzeihung, Sterne natürlich. Vielleicht sollten Sie
die Produktion etwas drosseln, das wäre auch wirtschaftlicher. Sonst könnte eines Tages Ihr Unternehmen pleitegehen. Und dann ist hier oben alles schwarz und unten alles weg.“
„Du kleines furchtsames Geschöpf!“ Die Stimme kam plötzlich so sanft, dass sich mir die Haare sträubten. „Nur keine Angst. Eine Pleite kann es bei mir nicht geben, hier wird recycelt!. Aus
abgebrannten Sternen mache ich neue! Also gibt es hier keine Überproduktion. Was man bei euch nicht sagen kann! Im Gegenteil. Ihr verheizt euren Planeten!“
„Erlauben Sie“, widersprach ich höflich, „das ändert sich gerade. Wir haben etwas erfunden, damit werden wir alles besser machen. Sicher haben Sie schon davon gehört. Es handelt sich
um die künstliche Intelligenz, die KI!““
Der Mann zog ein Taschentuch aus einer Falte seines blauen Rockes und schnäuzte sich. Ich hatte den Eindruck, dass er mich über den Rand des Taschentuches belustigt ansah. Während er das
Taschentuch wegsteckte, sagte er: „Ich verrat dir jetzt was, hör gut zu. Auch ich wollte mir die Arbeit erleichtern, ganz wie ihr. Sollen doch mal andere die Probleme lösen. Also gab
ich euch die künstliche Göttlichkeit oder, wie ihr formulieren würdet, die KG. Aber hat es was genutzt? Ach was! Kriege, Naturzerstörung, Unterdrückung, Ausbeutung, Grausamkeiten!
Ungeheuerlich, was ihr euch und dem Planeten antut! Ich sollte euch wieder zur ursprünglichen Kreatur machen!“
Ich erschrak. Zu Affen etwa, meinte er das?
Es entstand ein beiderseitiges Schweigen.
Aber dann lächelte er, soweit man das unter seinem Bart sehen konnte, und sagte: „Nun kuck nicht so bedröppelt. Es gibt Hoffnung. Ich denk noch mal darüber nach. Und jetzt geh. Nein, halt,
warte. Nach gutem alten Brauch darfst du dir noch was wünschen. Also, raus damit, was hättest du gern.“
Ich holte tief Luft und sagte: „Schaffen Sie den Tod ab! Das Sterben ist das Dümmste am Leben!“
Der Bärtige seufzte.
„Es gibt doch gar keinen Tod!“
„Erlauben Sie, dafür gibt es Erfahrungen...“
„Unsinn!“ Seine Augen blitzten und seine Stimme wuchs ums Dreifache, mindestens. Ich finde, mit solchen Stimmungsschwankungen sollte man ein so großes Unternehmen nicht führen dürfen. „Ihr
werdet recycelt!“ donnerte er. „Aus euren Resten mach ich Gräser, Kräuter, Blumen, Büsche, sogar Bäume. So bleibt das Leben im ewigen Kreislauf wie meine Gestirne!“ Er beruhigte sich und fuhr
fort: „Ich geb dir eine zweite Chance. Also noch mal.. Wie lautet dein Wunsch? Denk nach, bevor du antwortest.“
„Da gibt es nicht viel nachzudenken“, sagte ich, „muss ich schon sterben, dann recycle mich zu einer Eiche, die lebt nämlich ein paar hundert Jahre.“
„Gut. Dein Wunsch sei dir erfüllt. Du kannst gehen.“
Mich erfasste ein Windstoß und ich wachte auf, es war sechs Uhr morgens, das Radio schaltete sich ein und ich hörte im Lokalsender, dass wegen einer Straßenerweiterung 26 Bäume gefällt werden
müssen, darunter acht Eichen.
Naja, vielleicht hätte ich doch länger nachdenken sollen.