Es war im SPIEGEL, glaube ich, wo zum ersten Mal das Wort „Wutbürgern“ gebraucht wurde. Damit waren die Demonstranten gegen den neuen Bahnhof in Stuttgart gemeint. Als ich das Wort las, sträubten
sich mir die Haare. Wusste der Autor nicht, was Wut bedeutet? Ein Mensch in Wut zertrümmert alles, was er zu fassen bekommt.
Ich fand die Bezeichnung für mehr als übertrieben, aber bezeichnend für die heutigen Journalisten, Sie schreiben schreierische Schlagzeilen, verwenden ausgefallene Worte, setzen oft noch „super“
dazu, um möglichst viele Leser (oder Klicks) zu bekommen.
Ich sah im Fernsehen, dass in Stuttgart hauptsächlich friedliche Menschen demonstrierten. Ja, sie waren leidenschaftlich erregt durch den geplanten Bau des Riesenbahnhofes, aber in ihren
Gesichtern und ihren Worten war nicht Wut, sondern Zorn. Wütend und aggressiv war eine Minderheit, sie stand im Mittelpunkt der Berichterstattung.
Der Begriff „Wutbürger“ verbreitete sich rasend schnell in den Medien, wer jetzt gegen die Regierung demonstrierte, war durchweg ein Wutbürger.
Mit dieser Bezeichnung waren die friedlichen Demonstranten für eine sachliche Auseinandersetzen verloren, ab sofort sahen sich die Zornbürger zu den Wutbürgern gestellt. Sie akzeptierten beim
Demonstrieren die Wutbürger, denn schließlich hielt man sie ja auch für Wutbürger.
Daran hat sich bis heute nichts geändert, obwohl Politiker und Journalisten mittlerweile zugeben, dass unter den Demonstranten auch ganz normal Menschen sind. Ja, dass sie dort sogar in der
Mehrheit sind.
Warum reden sie also noch immer von Wutbürgern?
Es ist höchste Zeit, den Begriff nur auf die Demonstranten anzuwenden, denen es nicht um die Sache, sondern um die Zerstörung der Demokratie geht.
Um die anderen nennt jetzt Zornbürger! Ihr werdet sehen, sie sind ansprechbar, mit ihnen kann man diskutieren, sie sind nämlich nicht auf Krawall gebürstet. Ja, sie sidn zornig, aber Zorn lässt
ein friedliches und gleichzeitig leidenschaftliches Streiten zu. Das kann jeder in seinem familiären Umfeld beobachten.
Höchste Zeit, dem Zornbürger Respekt entgegen zu bringen und ihn nicht mehr mit dem Wutbürger in einen Topf zu werfen.
Die Wutbürger werden bald erkennen, dass sie die Mehrheit nicht mehr auf ihrer Seite haben. Sie werden isoliert und geschwächt dastehen.
Und was die wortgewaltigen Journalisten betrifft.. Sie sollten vorsichtiger mit Worten umgehen. Wer zu sprachlichen Knüppeln greift, ist womöglich ein Wutjournalist.