Gunnar war ein Schwede. Er trampte durch die Welt. Als er auf einem Zwischenstopp in Hamburg eine deutsche Frau traf, war es damit vorbei. Sie heirateten und kauften sich in der Nähe seines
Geburtsortes ein leer stehendes Altersheim, es hatte 14 Zimmer, es sollte nach dem Plan seiner Frau eine Ferienpension werden.
Die Zimmer mussten neu tapeziert werden, ich half dabei, und Gunnar, ein gelernter Zimmermann, sollte anschließend ein paar Ferienhütten bauen in alter schwedischer Blockbauweise.
Es war das zweite Jahr, aber noch immer war kein Grundstück für die Ferienhütten gefunden worden.
Ich fragte Gunnar, warum. Er kniff ein Auge zu. „Die Bauern brauchen ihre Zeit wie alles auf der Welt.
Im Juni wurde gewählt und als das Ergebnis der Gemeinde vorlag, fand man eine Stimme für die Kommunisten.
Jeder wusste, wer das war: Gunnar. Über seine politische Einstellung hatte er niemanden in Zweifel gelassen.
Zwei Tage später, es war ein sonniger Nachmittag, half ihm seine Frau in den dunklen Anzug, den er bisher nur für die Taufe seines Sohnes angezogen hatte, er zwängte seine Waldläuferfüße in enge
Lackschuhe, dann sah ich, wie er, mit den Schuhspitzen Staub aufwirbelnd, die Dorfstraße hinaufwanderte zu Okes Hof, dem Ortsvorsteher des Dorfes.
Er kehrte auf Socken zurück, in jeder Hand einen Lackschuh, seine Frau empfing ihn mit einen Klaps auf die Schulter. Die nächsten Tage durfte er machen, was er wollte, alles war ihm v
erziehen.
Kurz darauf bekam er zwei schöne Grundstücke für den Bau von Ferienhütten.
Er war in die Bauernpartei eingetreten. Ich war schockiert. Ich empfand das als Verrat. Er kniff ein Auge zu und schwieg.
Ich konnte mich nicht beruhigen. Erst Kommunist, dann Konservativer. Bloß wegen zweier Grundstücke!
„Woher weißt du, dass ich kein Kommunist mehr bin?“
Tatsächlich hatte er jetzt zwei Parteibücher, eines von den Kommunisten und eines von der Bauernpartei.
„Betrüger!“ sagte ich.
Wir saßen auf einer gefällten Fichte und tranken Kaffee aus der Thermoskanne.
Er nahm einen Schluck aus dem Becher, dann sagte er. „Es ist eine weiße Lüge.“
Und dann klärte er mich auf, was eine weiße Lüge ist. Sie wird durchaus im eigenen Interesse angewendet, aber sie nützt auch dem anderen. Man macht dem anderen damit sogar eine Freude. Denn er
hört, was er hören will. Jedenfalls ist danach die Sache aus der Welt. Im Gegensatz zu der „weißen Lüge“ ist die „schwarze Lüge“ vollkommen unmoralisch, denn sie richtet Schaden. Allerdings hat
Gott in seiner Weisheit die Welt so gut geschaffen, dass es weitaus mehr Gelegenheiten zu weißen als zu schwarzen Lügen gibt.
Und sagte dann wie nebenbei, ob ich schon mal darüber nachgedacht hätte, warum in Schweden seit über 100 Jahren Frieden herrsche?
Bei der nächsten Kommunalwahl fiel wieder eine Stimme auf die Linkspartei, danach nicht mehr.
„Passe dich an!“ lautet das 11. Gebot. Man kann ihm gehorchen oder dagegen rebellieren, mit allen fürchterlichen Konsequenzen. Man kann es aber auch wie mein Freund Gunnar machen.
Man bedenke: Über 100 Jahre Frieden!