„Der 60jährige Rentner Alfred I. aus L. hatte sich am Dienstagabend beim Reinigen seiner Pfeife den Arm gebrochen.“ So begann der kurze Bericht in der Zeitung, die ich gerade las, während das Radio dudelte, Erich Müller, mein Nachbar, den Rasen mit einem Zweitakter mähte und der Briefträger schon unten am Gartentor brüllte: „Es ist ein Telegramm für Sie da!“
An sich war diese Meldung ja gar nicht ungewöhnlich. Alfred I. aus L., völlig klar, war ganz normal. Wer denkt da schon an die Währungsunion oder Weltgipfelkonferenz, das Robbensterben in der Nordsee? Sie nicht, ich nicht - also eine völlig normale menschliche Verständlichkeit. Wäre da nicht in der Zeitung als zweiter Satz gestanden: „Er war Klempner von Beruf.“
Das ließ mich natürlich aufhorchen, aufblitzen, meine Denkerfalten begannen sich zu kräuseln und mein Atem ging schwer. Ich musste raus, ich brauchte Luft. Gottseidank hatte der Postbote die Tür hinter sich nicht zugemacht, so dass ich mir diese Armbewegung schon sparen konnte. Und da stand ich nun, schweißgebadet auf der Treppe vor meiner Haustür.
Erich winkte mit der Rechten nach mir, mit der Linken musste er ja seinen knatternden Rasenmäher festhalten. Ich sah es, aber ich tat so, als ob ich es nicht sähe. Ich war fix und fertig und hätte sowieso nicht zurückwinken können. Außerdem wäre er dann noch zu mir herüber gekommen, und ich wollte nicht, dass er mich in diesem Zustand sieht. Mein Kater musste etwas bemerkt haben, denn er strich stetig an meinem Hosenbein herum. Endlich ging mein Herz langsamer und mit einem Taschentuch wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, meine Denkfalten entkräuselten sich.
In meinen rechten Arm kam wieder Leben und ich spürte das Stück Zeitung in meiner Hand, auf dem die Meldung von Alfred I. aus L. stand. Mein ganzer Körper entkrampfte sich und ich fühlte direkt eine gewisse Erheiterung auf meinem Gesicht. Die Sonne, schien auf die Treppe, auf der ich stand und wärmte mich ein wenig. Auf dem Kirschbaum entdeckte ich einen Kirschkernbeißer, und die Melodie, die er pfiff, konnte von Haydn oder Mozart gewesen sein, ich weiß es nicht mehr so genau. Jedenfalls, genau in diesem Augenblick, als er zum zweiten Satz ansetzte, war ich von einer solchen Glückseligkeit durchdrungen, wie ich sie nie wieder in meinem Leben so erlebte. Trotzdem frage ich mich ab und zu auch heute noch: „Wie kann man nur als Klempner so blöd sein und sich beim Pfeifenrauchen den Arm brechen?“