Der Himmel war wolkenlos blau mit einer strahlenden Sonne. Es war als wäre die schwedische Flagge über das Dorf gespannt.
Gerade hatte Gunnar die Hühner aus den Stall gelassen, da hörten wir ein fernes Dröhnen, es kam vom See. Es schwoll an, dann sahen wir auch schon etwas Großes auf uns zufliegen, es war ein Drake,
auf Deutsch: Drache. So hießen damals die schwedischen Kampfjets, er kam im Tiefflug auf uns zu und flog so dicht über das Strandhem, dass wir den Piloten erkennen konnten.
Wir standen erstarrt, dann schrie Gunnar: „Die Hühner!“ Sie waren nach allen Seiten davon gestoben, einige gackerten erregt auf dem Nachnbarfeld, wir mussten sie mühevoll einfangen.
Gunnar war ein friedlicher Mensch, aber noch mehr Pazifist, und so schimpfte und fluchte er, und als am nächsten Tag das Gleiche noch mal geschah, drohte er dem Piloten mit der Faust.
Und so begann das Elend. Der Luftwaffenstützpunkt lag in Halmstad, nur 60 km entfernt, und offenbar hatte man den Bolmen für Übungszwecke auserwählt. Sobald das Wetter dafür geeignet war, jagte
überm See ein Düsenjäger auf das Strandhem zu, danach sammelten wir die Hühner ein, und Gunnar schickte einen zornigen Brief an die Regionalzeitung „Smålänningen“ , er würde die
Luftwaffe verklagen und für jedes verlorene Ei haftbar machen.
Der Brief wurde veröffentlicht, bewirkte aber nichts. Schon die Woche darauf näherte sich wieder ein Grollen. War es pure Verzweiflung oder tatsächlich eine überlegte Handlung: Gunnar schleuderte
mit wildem Geschrei dem Düsenjäger Steine entgegen.
Es war lachhaft und seine Frau verspottete ihn. Als er nachmittags, am Radio sitzend, die Nachrichten hörte, drehte er sich plötzlich zu mir um und sagte, über Småland sei ein Drake abgestürzt,
der Pilot habe sich mit dem Schleudersitz retten können. Er zog mich heran und flüsterte „Sag keinem, dass ich das war. Weißt du, wie viel so ein Flugzeug kostet?“
Am Abend trat er vors Haus, um wie immer dem Sonnenuntergang zuzusehen. Dabei sang er leise sein Lieblingslied. Es handelte von einem alten Indianer. Ein wehmütiges Lied. Diesmal war ein
ganz anderer Ton darin, und nur ich allein wusste, warum. Der alte Indianer, der auch ein Pazifist war, hatte mit einem Pfeil einen Drachen erledigt.
Die Nachrichten waren voll von dem Absturz. Dass man einen Maschinenschaden als Ursache nannte, wen wundert‘s. Welches Militär gibt schon zu, dass man mit einem Steinwurf einen Düsenjäger vom
Himmel holen kann?
Übrigens gab es danach kein Flugmanöver mehr. Vielleicht eine Folge der Steinwürfe. Aber ich glaube, die Piloten hatten Gunnars Augen gesehen, und was sie da sahen, war schlimmer als der Anblick
einer Flugabwehrrakete.