In letzter Zeit fühlte sie sich gar nicht wohl. Sie war unzufrieden. Und wusste nicht warum. Heute aber ging es ihr gut. Sie saß in dem kleinen Glasvorbau ihres Hauses, auf dem Tisch ein
Zeichenblock. Draußen ließ die Sonne die Blätter der Gartenhecke aufglänzen. Der Himmel war blassblau wie die Kacheln ihres Badezimmers. Sie wollte malen, malen.. diese glückliche Stunde musste
genutzt werden.
Malen, gut. Aber was? Das Blatt auf dem Block war weiß, schrecklich weiß, der langgezogene Schatten der schmalen Blumenvase mit der roten Rose aus dem Garten lag darauf.. wie ein dunkler Fluss
durch eine Schneewüste.
Das Schwarz gefiel ihr nicht, er sah so traurig aus, sie wollte ihn fröhlich machen. Sie tunkte den Pinsel in die rote Farbe auf ihrer Palette und begann den Schatten auszumalen.. Schön. Aber was
jetzt?
Überhaupt, was sollte ein roter Fluss? Sie zog die Stirn kraus, dann riss sie das Blatt vom Block.. und erschrak.
Das Blatt in der Hand war weiß!
Sie blickte auf den Block. Da lag der rote Vasenschatten! Wie kam er darauf? Sie riss auch dieses Blatt vom Block. Und wieder war das Blatt in der Hand weiß und auf dem Block lag der rote
Schatten.
Jetzt riss sie ein Blatt nach dem anderen vom Block.. Doch der rote Schatten ging nicht weg. Sie warf den Block auf den gefliesten Fußboden.. Jetzt lag der rote Schatten der Vase auf dem
Tisch.
Mit weichen Knien ging sie ins Bad und wusch sich mit kaltem Wasser Gesicht und Hände. Sie kam zurück, der rote Schatten lag noch immer da. Und da lachte sie auf. Sie konnte Schatten
bemalen!
Und sie begann, alle Schatten im Haus farbig zu malen.Und zum Spaß auch den Schatten ihres Mannes. Wo er jetzt auftauchte, hatte er einen gelben Schatten, und die Leute lachten und dann fragten
sie, wie er das mache. Als sie hörten, das hätte seine Frau gemacht, wollten auch sie einen farbigen Schatten. Und so wurde die Frau zur Schattenmaler und verdiente viel Geld.
Eines Tages verschwand sie, keiner wusste wohin. Nach und nach verblassten alle farbigen Schatten, sie verdunsteten wie Pfützen in der Sonne. Und alles bekam wieder seinen schwarzen
Schatten.
Aber wo war die Schattenmalerin? Das entdeckten die Menschen während einer Mondfinsternis. Statt dass sich ein schwarzer Schatten über den Mond schob, war es ein grüner.
Das hatte die Schattenmalerin gemacht. Sie war auf den Mond geflogen und hatte den Schatten der Erde grün gemalt.
Und welchen Schatten bemalt sie wohl als Nächstes? Seid nicht überrascht wenn die Nacht auf einmal farbig geworden ist! Denn die Nacht, müsst ihr wissen, ist der Schatten des Universums,