„Ordnung ist das halbe Leben.“ Ein gruseliger Spruch. Mein halbes Leben? Grauenhaft. Vielleicht ist meine Vergesslichkeit in Wirklichkeit ein verzweifelter Kampf um mein Leben.
„Solltest du deine Jacke suchen, die ist draußen!“ ruft meine Frau. Einfacher wäre es gewesen, wenn sie die Jacke gleich mitgebracht hätte. Aber da kann ich lange warten.
Immer lasse ich etwas liegen, was ihren Ordnungssinn stört. Und immer reißt mich ihr Ruf aus meiner Arbeit (Dass ich arbeite, bezweifelt sie, Lesen oder Computern ist keine Arbeit), und wie weit
auch der Fundort entfernt ist, ich muss mich auf den Weg machen. Am Ort angekommen, muss ich meist feststellen, der gesuchte Gegenstand ist gar nicht da.
Ich beschwere mich, sie antwortet: „Such! Damit du lernst, was Ordnung heißt!“
Aha. So ist das also. Man wird erzogen.
„Wann“, sage ich, „wirst du begreifen, dass ein Mann ab 14 nicht mehr zu erziehen ist?“
In den Wind gerufen.
Die Jacke brauche ich nicht, ich bin ja im Haus. Ich bleib sitzen. Höchst erstaunt sehe ich meine Frau auftauchen, die Jacke schwenkend.
„Hast du nicht gehört, wie ich dich gerufen habe? Sie lag draußen und es regnet!“
Was soll ich da sagen? Sie hat mal wieder Recht.
Sie wirft die Jacke auf den Sessel, schlägt die Tür hinter sich zu. Ich vertiefe mich wieder in meinen Text. Überschrift: die kleinen Anfänge eines großen Krieges.
Wie passend.
Am Abend will ich den Fernseher einschalten. Die Nachrichten.
„Hast du meine Brille gesehen?“ rufe ich.
„Schon vor Stunden“, kommt die Antwort.
„Und wo?“
„In der Küche.“
Hinunter mit Tempo – wenn ich mir den Hals breche, ist sie selber schuld. Die Küche ist auf einmal erstaunlich groß, mit jedem hastigen Blick wird sie ein Stück größer. Nichts! Aber die
Brille muss da sein, meine Frau hat immer Recht! Also ruhig, mein Junge, langsam, ganz langsam. Sei mal ein Scanner. Na bitte. Da, auf der Kaffeedose.
Teufel noch mal. Das war haarscharf. Noch zehn Sekunden bis zu den Nachrichten.
Weiß jemand, wo meine Fernbedienung ist?