Sie sollten seinen Schatten so behandelten, als wäre es sein Bruder, das verlangte er. Trat ein Mensch auf seinen Schatten, forderte er ihn auf, dies zu unterlassen, er spüre nämlich am eigenen
Leibe, wie sein Schatten leide.
Natürlich wollte man ihn von seinem Tick heilen. Vor allem sein Freund gab sich Mühe.
So sagte er eines Nachts im Schein der Tischlampe: „Pass mal auf. Wenn ich jetzt die Lampe ausmache, verschwindet dein Schatten. Er gehört nämlich nicht dir,
sondern dem Licht!“
Es wurde dunkel. Für einen Moment war Stille. Dann sagte der Mann und man konnte hören, wie er lachte: „Sieh mal, mein Schatten ist ins Grenzenlose gewachsen! Und er hat uns beide
verschluckt!“
Worauf sein Freund den Kontakt zu ihm abbrach.
Zwar hatte der Mann seinen Freund verloren, aber das machte nichts, in den Schatten der anderen Menschen fand er neue Freunde. Er hätte sich gerne mit ihnen unterhalten. Aber das ging nicht, denn
die Menschen liefen weiter, ohne auf ihre Schattenzu hören, die bestimmt mit dem Mann sprechen wollten, und der Mann beklagte die Schatten wegen der schlechten Behandlung.
Eines Tages erbte er viel Geld und er begann die Menschen zu bezahlen, wenn sie ihre Schatten liebevoll behandelten.
Die Leute nahmen sein Geld und immer, wenn sie ihm begegneten, verbeugten sie sich vor seinem Schatten. Er begriff, sie behandelten nur seinen Schatten respektvoll, ihren eigenen Schatten
hingegen würdigten sie keines Blickes, ja, sie schienen ihn sogar zu verachten.
Er verteilte kein Geld mehr.
Aber da war ein Mädchen, das ihn heimlich liebte. Es gelang ihr, ihn auf sich aufmerksam zu machen, indem sie sich so ins Licht stellte, dass der Schatten vor ihr lag. Durch behutsame Bewegungen
zeigte sie, wie vorsichtig, ja liebevoll sie mit ihrem Schatten umging.
Darauf näherte er sich ihr und umarmte sie. Und er sah: Auch ihrer beider Schatten umarmten sich. Von diesem Moment an verließ er das Mädchen nicht mehr, denn er wusste, sein Schatten hatte seine
Liebste gefunden. Sie heirateten und bekamen Kinder. Beglückt und staunend sah er, wie auch sein Schatten und der Schatten seiner Frau zur selben Zeit Kinder bekommen hatten.
Ja, dachte er, so vermehren sich Menschen und Schatten. Spöttisch befragt, ob sich die Schatten vermehren, weil sich die Menschen vermehren oder sich die Menschen vermehren, weil sich die
Schatten vermehren, antwortete er: Das sei eine dumme Frage, er hätte Wichtigeres zu tun.
Er müsse sich nämlich jetzt um zwei Familien kümmern, um seine eigene und um die seines Schattens.