Der Zauber des Nordens

In ihrer Nationalhymne besingen die Schweden den Norden, dort wollen sie leben und sterben. Ein Grund ist dieser:
Es ist Mittsommer,  und die Farben kommen auf dich zu, als wollten sie dich umarmen. Sie haben nicht die Glut des Südens, sie haben eine sanfte Kühle, und während die Farben in Süden sich aufdrängen und lärmen, so sind sie im Norden von einer bescheidenen Stille. Entgegen aller optischen Gesetze kommen sie nicht von der Sonne,  sie steigen aus den Dingen zum Himmel und sammeln sich dort zu einem goldenen Strudel, der Sonne heißt. Und so ist die Sonne nichts anderes als der Ausfluss der Bäume, der Vogelpfiffe, der Acker, der Steine und Gräser und aller Lebewesen, sie ist die Summe alles Strebens auf dieser Erde, selbst das Misslingen gibt einen Funken Licht dazu.
Ich bummel herum. Gods own country? Ach was. Des Menschen eigenes Land. Selbst die Natur scheint sich den Menschen willig in die Hand zu geben, vertrauensvoll wie ein Kind.
,,Oioioioioi . . . Das Leben ist herrlich!“  Es ist ein Lustschrei, für schwedische Verhältnisse so heftig, dass er allen Feldlerchen am Himmel einen Schub höher hinauf gibt und sie aufjauchzen lässt: "He, Gunnar! Noch mal!"
Ja, es ist mein Freund Gunnar, ein Schwede mit den fernsüchtigen Augen eines Wikingers. Aber jetzt steckt er erst einmal seine schmale Nase in einen Salatkopf und hat volles Verständnis, dass sich eine Schnecke darin aufhält.
Ich mach mich auf die Suche nach seinen Kindern. Ich finde sie badend im See, im Gegenlicht der Sonne sehen sie aus wie schwarze abgebrannte Streichhölzer. Sie zucken und flackern. Erst wenn sie zum Ufer waten, nehmen sie Menschengestalt an, die Gesichter hellen auf mit dem Glanz der Nässe und strahlend vor Begeisterung... Ja! Das Leben ist herrlich! Und hier im Wasser ist seine Quelle,  hier hat es vor Urzeiten begonnen. Unsere Gerne haben das nicht vergessen. Und so kehren wir von Zeit zu Zeit dahin zurück und fühlen uns danach wie neu geboren.
,,He, wo ist das Handtuch?"
Denn jetzt sitzen Menschen von heute im Sand und klappern mit den Zähnen.