Zur aktuellen Lage in Deutschland
Ach du deutsche Eiche
Traurig steht die deutsche Eiche.
Ich tret näher und erbleiche,
so ist sie verlaust!
Statt nach einer Blütenfülle
riecht es sonderbar nach Gülle,
dass es einen graust.
Und mir scheint, ich hör ein Wimmern
und ich lausch am Stamm: im Innern
gibt sie leise Laut.
Spechte müssten an ihr zimmern,
dass bald wieder Eicheln schimmern
und sie schön ausschaut.
Zu hören in
Zeitenwende
Der Wind treibt mit den Bäumen Handel.
Er will ihr Laub zu Spiel und Spaß.
Die Nacht ist eines Magiers Mantel,
von ihm falln Perlen in das Gras.
Da wird sie zum Soldatenmantel
mit Tropfen Blut und Schweiß behängt.
Und auch den Mond erfasst ein Wandel,
als Drohne er sich tiefer senkt.
Und unter schweren Traumgesichten
wälzt sich ein Land, von Fieber heiß,
und aus den Gräbern der Geschichten
hebt eine sich und flüstert leis.
Eine deutsche Geschichte
Wie ein Deutscher sich erst schämte
und dann glücklich wurde
Ich sah ein Pärchen an einer Bushaltestelle. Eine Frau kam vorbei, warf einen verächtlichen Blick auf den dunkelhäutigen Mann, spuckte das Mädchen an
und ging weiter.
Das Mädchen wischte sich die Spucke aus dem Gesicht und sagte ihrem erschrockenen Freund: „Eine reinrassige Deutsche“.
Ich wollte mich für die Frau entschuldigen, aber da kam der Bus und die beiden stiegen ein.
Ich schämte mich für das, was passiert war. Nachts konnte ich nicht einschlafen, mich plagte die Frage, ob ich ein reinrassiger Deutscher sei? Plötzlich stand
an meinem Bett eine weiß verhüllte Gestalt und eine weibliche Stimme sagte: „Komm, ich zeig dir was!“
Und wir flogen in den hohen Norden. Bei einen Holzfäller stoppten wir, sie fragte ihn, für wen er mich halte. Mit einem flüchtigen Blick zu mir sagte er, Südländer
könne er nicht gebrauchen, die fänden alles lustig und statt den Mund zu halten wie es sich gehört, zögen sie lärmend durch den Wald.
Das war wohl der Grund, warum wir in der Toscana landeten und eine Bäuerin fragten. Ja, sie kenne mich. Meine Größe gefiele ihr, ich sei aber ein Spaßverderber, ein mürrischer
ich sei aber ein Spaßverderber, ein mürrischer
Kerl, wenn auch tüchtig und fleißig, eben ein Nordländer.
Im nächsten Augen blick waren wir in Russland, versperrten einem Mütterchen den Weg. Sie schimpfte gleich los, mit einem verweichlichten Westler wolle sie
nichts zu tun haben. Ich ging ja lieber ins Bolschoi-Ballett statt zu einem Boxkampf und könne nicht mal Wodka richtig saufen. „Hau ab nach deinem Frankreich!“ sagte sie noch.
Wir gehorchten und befragten eine jungen Pariserin, die gerade ihren Blumenladen aufmachte. Na klar, sie kenne mich gut. Wie ein Bär stürme ich jeden Samstag in
ihren Laden und mit einem Arm voller Rosen ging
ich singend raus. Wahrscheinlich sei ich nie ganz nüchtern, bestimmt hätte ich russische Vorfahren...
Und dann lag ich wieder in meinem Bett, und die Gestalt sagte: „Siehst du, das bist du alles“
„Ich lach mich tot“, knurrte ich. Und hoffte, der Alptraum wäre zu Ende
Da fiel ihr Schleier und ich sah ihr Gesicht, es hatte ein Grübchen in der linken Wange, es erinnerte mich an meine Mutter, sie sagte: „Ich bin Germania,
deine Mutter. Und du, kapier es endlich, du bist das Kind vieler Väter.“
Ich fuhr hoch.
„Beruhig dich!“ Sie drückte mich nieder.und breitete auf meinem Bett eine Europakarte aus. „Da, sieh hin, inmitten von Europa ist mein und dein Zuhause. Wer von Ost
nach West will oder von West nach Ost oder von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord, der muss mit mir Bekanntschaft machen. Das ist seit 5000 Jahren so.Und jetzt tu nicht so
moralisch, du hast Eigenschaften von vielen Vätern, das ist ein Schatz, nutze ihn und jammere nicht!“ Sie hauchte mir einen Kuss auf die Stirn und ich schlief ein.
Zum Frühstück aß ich ein Baguette mit schwedischer Blaubeermarmelade. Dann setzte ich mich mit einem Glas Rotwein in den Garten und las einen Roman von Michail
Bulgakow: Der Meister und Margarita.
Ich war glücklich.
Das längere Leben der Reichen
Spiegel online vom 3.5.2024:
Untersuchung des Robert Koch-Instituts:
Arme sterben im Schnitt früher als Reiche – und die
Kluft wächst.
Menschen mit wenig Geld haben in der Re-gel eine geringere Lebenserwartung als Gutverdiener.
Allgemein sei die Le-benserwartung zwi-schen 2003 und 2019 im Durchschnitt leicht gestiegen. Bei Men-schen aus ärmeren Wohngegenden allerdings stagnierte die Entwicklung, oder die Lebenserwartung stieg langsamer.
Dieser Text fiel mir ein, als ich durch Grunewald spazierte, den beliebten Wohnort reicher Berliner. Kein Verkehr, keine Straßen mit vollgeparkten Autos. Überall
herrliches Grün. Nicht die geringste Feinstaubbelastung. Und diese Stille! Schon nach einer halben Stunde fühlte ich mich so erholt, dass ich jetzt bestimmt ein paar Tage länger leben
werde.
Und so habe ich für die weniger Betuchten unter uns einen Vorschlag: Nehmt einen Klappstuhl und marschiert in die Wohnviertel der Reichen und lasst euch dort für
ein paar Stunden nieder. Damit man euch nicht entfernen kann, kettet euch an die Gartenzäune der Villen, sie sind besonders stabil. Und je länger ihr es schafft, dort zu bleiben, umso mehr
verlängert ihr euer Leben.
Bleibt ein Haken. Die Fahrt zum Wohnsitz der Reichen werdet ihr euch nicht leisten können. Mein Vorschlag: Fahrt zu tausenden schwarz!
Gunnar und die Dänengräber
Ich machte Ferien in meiner schwedischen Hütte. Gleich am ersten Tag kam mein Freund Gunnar mit einem blank geschälten, wie eine Wünschelrute geformten Ast und sagte, damit könne ich Wasser oder Frauen suchen, aber wegen des Sees in der Nähe sei Wassersuchen wohl nicht nötig.
Nachdem er den halben Kuchen aufgegessen und drei Tassen Kaffee getrunken hatte, ging er mit dem Versprechen, mir morgen etwas Besonderes zu zeigen: die Dänengräber*) am Bolmen. Sie stammen aus der Zeit vor 300 Jahren, als die Dänen Südschweden besetzt hielten, wogegen sich die Småländer heftig wehrten, auch hier in Odensjö.
Er kam mit Axt und Säge. Eine knappe Stunde später standen wir vor etwa zehn länglichen Erdbuckeln, darauf Gestrüpp aller Art. Eichen umringten den Platz, vom nahen Bolmen kaSterben.“ Innerhalb von Sekunden war er eingeschlafen.m ein leichter Wind und in den Baumkronen blinkte die Sonne.
„An die Arbeit! Wenn nichts getan wird, wächst hier alles zu. Eine Schande ist das. Also los, du gamla Indian!“
Wir begannen zu arbeiten. Plötzlich legte er sich rücklings auf ein Grab und murmelte: „Was für ein schöner Platz zum
fängt Bienenvölker ein, er veredelt Apfelbäume, zieht in einem aus Abrissfenstern errichteten Treibhaus Tomaten und Weintrauben. Nie radelt er über eine Ameisenstraße, sondern trägt das Rad hinüber und bevor er ein Küken anfasst, haucht er seine Hände an. Einmal lässt er sich vor meinen Augen von einer Bremse in den Arm stechen und sieht ihr wohlwollend zu, wie sich ihr Körper mit Blut auffüllt.
Er behauptet, einmal am Tag scheine die Sonne für jeden Menschen ganz allein, man müsse bloß aufpassen, damit man den Moment mitbekäme. Wahrscheinlich gelingt ihm das immer, zumindest im Sommer. Dann steht er abends auf der Haustreppe, das Gesicht zur Sonne gerichtet, die auf dem Berg untergeht, und mit seiner etwas krächzenden Stimme ruft er: „Livet är härligt!“ (Das Leben ist herrlich.)
Er ist schon ein paar Jahre tot, ich wohne in einem Dorf nahe Berlin. Ich habe vor meinem Fenster einen Blick auf Kiefern, ich sehe, wie die Sonne die Stämme kupfern leuchten lässt und da ertönt fern eine Stimme: „Livet är härligt!“
Und für einen Moment ist das Leben ganz nah bei mir.
*) Jahre später stellte sich heraus, dass es Wikingergräber waren.
Verse auf der Kachelwand
Die Rede des Propheten
Ich lauf die Milchstraße zu Butter,
die Löcher unter meinen Braun
stopf ich voll Sernenfutter,
in fernste Ferne will ich schaun.
Verblüfft les ich im Urknalllichte
den Text von einem Paradies.
Doch leider geht zuvor zunichte,
was einmal Ewigkeit verhieß:
Der Mittelpunkt ist abgeschafft,
kein Oben mehr, kein Unten.
Aus irdischer Gefangenschaft
hat sich der Mensch entbunden.
Das Mühn der Menschenhände
nimmt freundlich die Maschine ab,
das Leben schafft die Wende,
wo es mal Tod und Krankheit gab.
Befriedigt ist die letzte Gier.
Wir zielten lang, dann traf es.
Als freier Geist verlassen wir
den Kerker unsres Schlafes
und bleiben doch um Sternenlauf
für alle Zeit gebunden.
Wir sind, geht es auch hoch hinauf,
im Kosms nur ein Funken..
So zeigt sich vieles rätselhaft.
mit Furcht daran zu denken,
doch schenkt der Traum stets neue Kraft,
den Blick nach vorn zu lenken.
.
Mephisto flüstert
So starr nicht himmelwärts!
Fang bloß nicht an zu heulen!
Den Wolf in seinem Schmerz
beklagen nur die Eulen.
Die Welt steht dir bereit,
du kannst sie neu gestalten,
und in der Tage Kleid
brennt Zukunft in den Falten.
Gefüllt mit Frust-Ration
schiebst du den Einkaufswagen.
Du lebst noch in Fiktion!
Dich quält kein leerer Magen.
Hol dir der Sonne Speck,
streu drauf das Salz der Sterne,
wirf alles andre weg,
dich plagen nicht die Därme!
Du armes Menschentier!
Es sind doch nur die Wehen!
Es regt sich was in dir:
Ein Gott will auferstehen.
Die KI und wir
Gewiss, wir werden
mal alles verlieren,
doch werden wir vorher
noch alles probieren.
Denn weniger wissen,
heißt mehr erfahren,
und was wir vermissen,
ist bloß, was wir waren.
Nicht wissend, was kommt, erleben wir viel.
Wir sind noch immer die Nackten,
uns kleidet ein ganz einfacher Stil:
weit mehr zu sein als die Fakten.
Gott und die Menschen
Der Sterne Glitzern ist wie Reif,
klebt ihm am Bart wie Grütze,
und seine Hände, dürr und steif,
sind, scheint's, zu nichts mehr nütze.
Wie hatte er sich abgemüht,
uns eine Welt zu bauen.
Und merkte nicht, was da geschieht:
wir fingen an zu klauen.
Er ließ sich auf ein Bündnis ein,
wir brachen die Gesetze
und, verführt wie er zu sein,
verschleudern wir die Schätze.
Es kommt der Tag, dann werden wir
tief in das Weltall spähen
und sehen eine offne Tür,
die führt zu goldnen Sälen..
Und drinnen ist ein Tisch gedeckt,
Gott sitzt dort mit den Tieren.
Das Paradies ist jetzt entdeckt,
uns lässt man draußen frieren.
Doch Gott ist gnädig und er spricht:
"Kommt rein, seid meine Gäste.
Und bitte sehr, geniert euch nicht,
für euch gibt es die Reste."
Sonja und hr Roboter
In dieser Komödie geht es um die Liebe zwischen einem jungen Mann und der Tochter eines Robotik-Professors. Er verbietet ihr die Liebe zu einem Mann, denn er will mit ihr und einem Roboter ein Geschöpf zur Eroberung des Universums erschaffen.
Zu lesn im Lesetheater
Roboter oder Mensch
Ich beobachtete einen Roboter, der sich über einen Hund beugte. Der Vierbeiner war eines von diesen Produkten, die auf Zuruf und Streicheln reagieren, putzige
Spielroboter, nichts weiter. Dieser Roboterhund, eine Dackelart, hatte das rechte Hinterbein verloren und statt zu laufen oder zu springen, rutschte er auf dem Hinterteil, erhob sich dann mühsam,
wackelte, schwankte ein paar Schritte, plumpste wieder auf sein Gesäß und versuchte jetzt, durch Rutschen vorwärtszukommen.
Der Roboter hatte das verlorene Bein aufgehoben, beugte sich über den Dackel, und da sah ich, eine Flüssigkeit lief über sein weißes Gesicht. Der Roboter
weinte.
Ich dachte sofort: Nun haben sie den Robotern auch schon ein Tränenprogramm installiert
Aber dann hob er sanft das Tier auf und ging davon, vermutlich in die Reparaturabteilung, wobei er den Kopf über den Hund neigte, als
hauchte er ihn mit seinem Atem an. Den er nicht hatte, versteht sich, er war ja ein Roboter.
Jedenfalls war es ein rührendes Bild wie die Madonnenbilder mit dem Knaben an der Brust aus dem 18. Jahrhundert.
Dieser Vorgang bewog mich, in vergilbten Büchern zu blättern und nach den Menschen der Vergangenheit zu suchen. Dabei geriet ich in einen sonderbaren Sog. Ich
vertiefte mich in die Geschichten von Familien, von Eltern, Kindern, Großeltern, Onkeln und Tanten.
Und mich erfasste eine große Sehnsucht.
Ich habe keine Familie. Ich bin nicht von einer Frau und einem Mann gezeugt, ich bin geschaffen aus einer Zelle mit konstruierten Genen, ein Ergebnis aus Planung
und Retorte.
Ich frage mich:
Was ist eigentlich in den letzten Jahren geschehen? Wurden aus Roboter Menschen?
Und was bin ich? Vielleicht gar kein Mensch, sondern ein Roboter?
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Vom König, der an Märchen glaubte
Seit vielen Jahren war der König verheiratet, aber es wollte sich keine Nachkommenschaft einstellen. Sein Leibarzt meinte, das liege an der geschwächten Zeugungskraft des Königs, verursacht durch die harte Regierungsarbeit.
Vom König, der an Märchen glaubte
Seit vielen Jahren war der König verheiratet, aber es wollte sich keine Nachkommenschaft einstellen. Sein Leibarzt meinte, das liege an der geschwächten
Zeugungskraft des Königs, verursacht durch die harte Regierungsarbeit. Eines Tages wusste die Königin, dass sie im zweiten Monat schwanger war, aber nicht vom König, und da der König ein
Liebhaber von Märchen war, sagte sie ihm, sie habe von einer weisen Frau erfahren, dass eine siebenmonatige Reise des Mannes eine Kindsgeburt zur Folge hätte.
Worauf der König auf Reisen ging und als er nach sieben Monaten heimkehrte, hatte die Königin tatsächlich ein Kind bekommen, ein Mädchen. Ein Jahr später riet
ihm seine Frau, das Gleiche noch mal zu tun, womöglich würde es diesmal ein Sohn, was sich der König doch so sehr wünsche. Der König folgte ihrem Rat und bei seiner Rückkehr hielt
seine Frau wieder ein Kind im Arm und es war ein Junge.
Alles wäre gut gegangen, hätte die Königin nicht noch ein Kind bekommen, obwohl der König diesmal nicht auf einer siebenmonatigen Reise gewesen war.
Erzürnt ließ der König im ganzen Land forschen, wer in diesen Tagen von einer siebenmonatigen Reise heimgekehrt sei. Man fand einen Bäckergehilfen. Zwar schwor die
Königin, dass der König der Vater sei. Es half nichts. Der König ließ den Bäckergesellen hinrichten und die Königin musste erleben, wie man ihr das Kind wegnahm.
Worauf die Königin den König verließ und weil das Volk sah, dass man sich von einem König trennen konnte, tat es das Gleiche und schickte den König auf eine
Reise ohne Wiederkehr.