Kaffedags
Woran erkennt man einen Småländer? Gewöhnlich fragt man auf einem Markt: „Was kostet das?“ Der Småländer aber stellt die Frge anders:: „Kostet das was?“
Ja, der Småländer ist sparsam, manchmal bis zum Geiz, daran ist er dem Schwaben ähnlich, aber wie der Schwabe weiß er auch zu leben. Ein Beispiel:
Das Hauptgetränk der Småländer ist der Kaffee. Man trinkt ihn zu einer vorgeschrieben Zeit, die man dadurch erreicht, dass man „Kaffedags!“ ruft. Bei diesem Ruf lässt man alles stehen und
liegen und geht zum Kaffeetisch, das kann jede Art von Tisch sein, vom Baumstumpf bis zur königlichen Tafel, Hauptsache, eine Kanne Kaffee, Tassen und Kuchenstücke befinden sich darauf. Die
Kaffeezeit dauert so lange, wie der Kaffee reicht, dann geht man wieder an die Arbeit und spitzt die Ohren, um die nächste Kaffeezeit nicht zu verpassen.
Selbstverständlich gibt es auch zum Kaffee småländische Geschichten.
Einmal erzählte mir ein Bauer, er habe, als er sich beim Holzfällen den Daumen verletzte, in Ermangelung eines Wundpflasters, den Daumen einfach in seinen Kaffee gesteckt. Danach war sein Daumen
völlig geheilt. Jetzt habe er immer ein Fläschchen Kaffee im Erste-Hilfe-Kasten.
Und als einst ein Hof niederbrannte, während die Leute Kaffedags hielten, hätte der Bauer nur seine Kaffeekanne gerettet. Seitdem galt er als kaltblütig und kluger Kopf, denn die Kanne war noch
halbvoll und sie konnten anschließend das Kaffeetrinken fortsetzen.
„Kaffedags!“
(Foto:: Ellen Svensgård, Odensjö)
Geborgen Im Wald
Als Kind stellte ich mir oft vor, wie ich mir im Wald eine Erdhöhle baue. Dort würde ich leben, eine Kerze gibt mir Licht und die Wände sind mit Bretter verkleidet, Tisch und Stuhl sind Baumstümpfe. Wann immer ich will, krieche ich durch ein Schlupfloch hinaus und sehe über mir Laubbäume, der Wind spielt in den Blättern, in dem Gewölbe über mir zwinkert der Himmel mit tausend Augen mir zu.
Ein Gefühl des Geborgenseins, warmer Stille, sonntäglicher Ruhe kam aus dem Fantasiebild, und ich malte es immer dann aus, sobald ich mich bedrückt fühlte. Das war ziemlich oft der Fall. Allein durch ihr Leben übten die Erwachsenen Zwänge aus, sie nannten es aber Anpassung und Pflichen, als handele es sich um Notwendigkeiten wie Essen und Trinken. Sobald ich durch den fränkischen Wald strolchte, zweifelte ich an ihren Worten: Kein Baum, kein Busch, kein Eichhörnchen, kein Laubfrosch verlangten von mir Anpassung, Gehorsam, Pflichten . . . Offenbar waren es doch nicht lebensnotwendige Dinge.
Ich wurde älter, meine Gedanken vernünftiger, was aus dem Traum von einer Höhle im Wald einen Traum von einer Hütte im Wald machte, den ich
verwirklichen konnte und zwar in Småland/Schweden.
Und jetzt sitze ich oft am See, in einer menschenleeren Bucht, die Bäume mit ihrem Laubdach sind eine Grotte für mich, ich bin geborgen, behütet von Mutter Natur. Irgendwann steh ich auf, um die Svensson-Familie zu suchen, von der ich weiß, dass sie badet. Ich finde sie zwei Buchten weiter, im Gegenlicht der Sonne sind die Badenden nur in schwarzen Umrissen zu erkennen. Sie gleichen abgebrannten Streichhölzer, die sich etwas flackern, wenn sie sich bewegen. Erst wenn sie zum Ufer waten, nehmen sie Menschengestalt an, die Gesichter hellen sich auf mit einem Glanz aus Nässe und Freude, Erregung, Begeisterung.
Hej! Livet är härligt! (Das Leben ist herrlich!)
Ja, das kann gar nicht anders sein, denn im Wasser hat alles Leben einmal begonnen.
Und so kehren wir immer gern zur Quelle zurück und schöpfen neue Kräfte.
,,He, wo ist das Handtuch?"
Denn jetzt sitzen zivilisierte Menschen im Sand und klappern mit den Zähnen.
Die Jagd nach dem Reh
Die Insel war sehr klein und verwildert. Ich hatte das Boot angelegt und wollte sie erkunden. Plötzlich sprang vor mir im Gestrüpp ein Reh auf. Das Reh war im Winter über das Eis zur Insel gelangt und hatte wohl die Rückkehr aufs Festland verpasst. Jetzt war es hier gefangen. Ich war sicher, ich würde zum ersten Mal in meinem Leben ein Reh berühren können. Es war nicht mehr zu sehen, aber ich hörte das Brechen von Zweigen, wenn es kurz vor mir aufsprang und weiter lief. Aber gleich würde es das Inselende erreicht haben und dann vor mir stehen. Und da leuchtete auch schon der See durch das Dickicht. Ich bog die letzten Fichtenzweige beiseite. Doch wo war das Reh? Vor mir nichts als Steingeröll und Wasser. Und dann sah ich in etwa 20 m Entfernung etwas Kleines auf dem gklatten See schwimmen. Ein Rehkopf. Ruhig, ja, geradezu gelassen, zog der Kopf seine Bahn durch das Wasser zum gegenüber liegenden Ufer, langsam - ich empfand, es war aufreizend langsam - stieg es aus dem Wasser und verschwand, ohne mich eines Blickes zu würdigen, zwischen den Bäumen..
Der Hecht und ich
Ich werfe die Angel aus. Nur das Platschen des Blinkers, wenn er ins Wasser fällt. Sonst Stille. Was ist ein Opal? Dieser blaue Edelstein ist ein Tropfen vom Bolmen, an einem Augustnachmittag unter zartblauem Himmel. Hin und wieder greif ich zu den Rudern, weil eine Brise das Boot abtrieb. Die Sonne ist schon in den Wald getaucht, lässt eine Spur hinter sich. Sieht aus wie Hechtblut, das sich über das Dorf und die Wälder ausbreitet, und darüber ist der Himmel wintergrün. Eine Ahnung von Frost liegt in der Luft. Erste Schatten färben den See dunkel. Ich bekomme klamme Finger, trotzdem wechsle ich den Blinker aus, nehme einen breiten, silbernen, der auch im schwarzen Wasser glänzen soll. Ich schleudere ihn weit und ziehe beim Einspulen Furchen durchs Wasser. Vielleicht sollte ich nicht so viel ackern, die Hechte wollen zärtlich geangelt werden. Behauptet Oskar, der gut Freund mit allen Fischen ist. Jetzt schwappt der Schatten schon ins Boot.
Ich sehe im Boot meine Holzschuhe nicht mehr. Feierabend. Wieder nichts. Aber es gibt einen Hecht in diesem See! Wir haben ihn schon oft gesehen. Zumindest bei der Jagd, dann spritzten die kleinen Fische wie eine Fontäne übers Wasser. Diesmal hat er sich einen ganzen Nachmittag nicht gezeigt. Na warte. Ich krieg dich noch.
Småländische Impressionen