Wir waren auf dem Weg zum Holzschuppen, da lief uns ein Küken über den Weg. Es musste aus dem Hühnerstall ausgebüxt sein. Gunnar blieb sofort stehen, das Küken setzte sich erschrocken hin, er
hauchte zwei, dreimal in seine hornigen Hände, dann hob er das Küken sanft auf und brachte es zu den anderen im Hühnerstall. Dann ging er zum Sägebock, reichte mir das andere Ende der Säge und
wir begannen das Stammstück zu zersägen.
Nach dem Mittagessen fuhren er und seine Frau mit den beiden Pflegejungen zu Bekannten nach Lidhult, Besitzer einer Kerzenmanufaktur, auch sie waren Pflegeeltern von geistig behinderten Kindern.
Ich blieb zurück, um auf das Baby achtzugeben.
Es war ein sonniger Tag, ich stellte den Kinderwagen in den Schatten des Fliederbusches. Und wie ich mich umdrehte, sah ich einen kleinen Hasen in drei Meter Entfernung sitzen. Er sah mich
treuherzig ab, aber das war schnell vorbei, denn ich jagte ihn und fing ihn. Mein Herz klopfte vor Aufregung. Ich hatte einen Hasen gefangen, das soll mal einer nachmachen. Ich wollte meine
Beute allen zeigen. Aber wo sollte ich den Hasen so lange aufbewahren? Mir fiel die Toilette ein und dort setzte ich ihn ab. Er hoppelte hinter das Klobecken.
Stolz sagte ich der Familie, kaum waren sie aus dem Auto gestiegen, dass ich einen Hasen gefangen und in der Toilette eingesperrt hätt, sie könnten ihn sehen. Mit einer Schnelligkeit, die ich von
ihm nicht kannte, lief Gunnar an mir vorbei ins Haus, totenbleich im Gesicht. Er kam zurück, mit dem Hasen in den Händen, und setzte ihn am Feldrand aus.
Mir war klar, ich hatte etwas Ungeheuerliches getan, ich überlegte, wie ich mich entschuldigen konnte. Oder zumindest erklären. Es war ja nicht böse gemeint, für die Jungen wäre es sicher ein
Erlebnis gewesen, den Hasen streicheln zu können.
Nun ja, dazu war es nicht gekommen.
Aber Gunnars Gesicht hatte mich zutiefst erschreckt, ich wagte nicht, ihn anzusprechen. Nur einmal hatte ich ihn so zornig gesehen, als er einen jungen Bauern vom Traktorsitz reißen wollte. Der
hatte sich geweigert, kehrtzumachen, als er mit dem Pflanzenschutzmitte sprühenden Ausleger Gunnars Gemüsegarten näher kam.
Die untergehende Sonne legte wie jeden Abend ihr magisches Licht auf die zimtbraune Fassade. Beim Abendbrot stand Gunnar plötzlich auf und verließ das Zimmer. Als ich den Tisch abräumte, kam ich
an den Fenstern zum See vorbei. Ich sah kurz hinaus. Im Schatten des Hauses stand eine dunkle Gestalt und als sie einen Arm hob, sehr langsam, wie mit großer Anstrengung, wusste ich sofort, das
war Gunnar, und was er tat, wusste ich auch. Die Hauskatze hatte vorgestern drei Junge geworfen. Zwei zu viel, hatte seine Frau gesagt.
Und dann schleudert er etwas auf den Betondeckele des Hausbrunnens. Es war das erste Katzenbaby, nur wenig größer als ein Männerdaumen. Dann nahm er aus der linken Hand das zweite und schmetterte
auch dieses auf den Betondeckel. Er bückte sich, hob die Leichen auf und verschwand hinter dem Schuppen.
Im Dunkel war sein Gesicht nicht zu sehen gewesen, ich dachte an seinen liebevollen Blick, wenn er ein Tier oder eine Pflanze betrachtete. Seine Augen mussten für immer tot sein. Es war noch
dunkler geworden. Es war Weltuntergang. Ich schlich in mein Zimmer.
Dort entschloss ich mich, das am Tag Erlebte aufzuschreiben. Trotz des Geklappers meiner Reiseschreibmaschine hörte ich Gunnar und seine Frau die Treppe hochkommen. Sie sprachen über die
Lindenbäume am alten Pfarrhof. Er sollte die Blüten pflücken, sie wollte sie im Webzimmer auf dem kleinen Tisch zum Trocknen ausbreiten. Im Herbst wären sie für einen Tee geeignet. Dann schlug
die Tür zu und ich hörte nichts mehr.
Also ein Tag wie immer.
Nein, war es nicht, jedenfalls nicht für mich. Und da ich mich für einen revolutionären Schriftsteller hielt, endete ich meinen Bericht mit einer anklagenden Frage:
„Dass ein Mensch, der das Leben so liebt, zwei Katzenbabys tötet, und dass ein anderer einen vor Angst zitterndes Hasenjunges fängt, nur um damit anzugeben, da fragt man sich doch: Das soll
Gottes Ebenbild sein?“
Klugerweise ließ ich die Frage unbeantwortet.
Heute erlaube ich mir, eine Antwort zu geben, sie wird nicht gefallen. Der Mensch ist Ursache der Kriege, des Terrors, der Vertreibung. Er hinterlässt Wüsten, wo Natur war. Zur gleichen Zeit
erobert er den Weltenraum und baut sich eine zweite Wirklichkeit. Er hat den Code des Lebens geknackt und wird so neue Geschöpfe schaffen. Eines Tages wird er auch das letzte Rätsel lösen. Er
wird Gott entdecken.
Aber statt Gott zu umarmen, wird er erschrecken:
Der Mensch ist wirklich Gottes Ebenbild.