Alles, was lebte, fand in Gunnar einen geduldigen Freund und Begleiter. Zwischen Küken, kleinen Katzen und Menschenkindern machte er keinen Unterschied. Sorgfältig prüfte er sie und kam er zu dem Ergebnis, sie sind gesund, ließ er sie frei laufen.
So behandelte er auch seine Kinder und darum waren sie mit ihm sehr zufrieden, nur Lisa, seine deutsche Frau, hatte Einwände. Wenn er die Kinder zu irgendetwas bewegen sollte, bekam er nämlich Schwierigkeiten. Für den Augenblick folgten sie ihm, sobald er sich wieder einer Arbeit zuwandte, hatten sie alles vergessen. In ihren Ohren hatte der Befehl sowieso unglaubwürdig geklungen, er war mehr gekrächzt als gesprochen worden und jederzeit konnte man sich darauf herausreden, ihn nicht verstanden zu haben.
Ein Mittsommerabend. Lisa hatte die drei Kinder zu Bett gebracht, gerade verteilte sie die Karten für die erste Canasta-Runde, da ging oben ein Kindergeschrei los. In solchen Fällen stieg gewöhnlich sie hinauf, um die Kinder ruhig zu stellen, diesmal wollte sie es nicht, das sollte endlich auch mal ihr Mann tun.
Seufzend legte Gunnar die Karten auf den Tisch, nicht ohne uns einen warnenden Blick zuzuwerfen, und ging die Treppe hoch. Und dann geschah Folgendes:
„Nein, wir wollen nicht schlafen! Was denkst du! Es ist noch hell!“
„Jetzt ist die ganze Nacht hell, es ist Mittsommer.“ Gunnar zog die Vorhänge zu. „Und jetzt ist es dunkel!“
„Lüge! Mach die Vorhänge auf!“
Astrid, fünf Jahre alt, war die Vernünftigste. „Wir schlafen.. Aber erst eine Geschichte!“
Wenn Gunnar einen Witz erzählte, begann er prinzipiell mit der Pointe, keiner wusste warum. Was Geschichten betraf, davon hatte er mehr als einen Sack voll, er brauchte nur hinein zu greifen.. Es waren Geschichten aus seinem Vagabundenleben.
„Still.. Ich erzähl euch was. Ich war in Argentinien..“
„Mit einem Männchen?“ fragte Torsten, der jüngste, er war gerade vier.
„Ja, mit einem Männchen..“ Gunnar hatte gute Karten, diesmal konnte er gewinnen, er musste es kurz machen. „Es war in der Nacht..“
„Mitternacht“, sagte Lasse, sechs Jahre alt. Trotzdem knäulte er in seiner Faust noch immer sein Schlummertuch, ohne das er nicht einschlafen konnte.
„Mittsommermitternacht“, sagte Astrid und zog die Füße unters Nachthemd, so saß sie jetzt im Bett: eine kleine hockende Gestalt im Halbdunkel mit weißen Augen. Torsten hatte sich die Decke bis an die Augen gezogen.
Gunnar erinnerte sich. Den ganzen Tag – es war ein Sonntag – hatte er sich im Wald versteckt, weil seine Hose am Gesäß geplatzt war. Nachts deckte er sich in Herbstlaub zu. Sobald am Morgen die Geschäfte öffneten, wollte er sich Nähgarn kaufen.
„Gott sei Dank“, sagte er, „war alles dunkel, man konnte mich nicht sehen."
„Wieso“, sagte Lasse unzufrieden, „es war doch hell.“
„Nein, eben nicht. Das war doch das Gruselige!“ rief Astrid.
„Wieso?“ staunte Gunnar.
„Aber Papa!“ fuhr Torsten auf. „Da war doch ein Männchen!“
„Richtig..“ Himmel noch mal, das Kartenspiel! Jetzt aber flott! „Also das Männchen..“
„Wie sah es aus?“
Gunnar fiel etwas ein. Diese Argentinierinnen trugen verdammt kurze Shorts, so was hatte er noch nie gesehn. „Toll! Und da war eine Frau..“
„Ja!“ Vor Aufregung merkte Astrid nicht, dass sie ihre Beine losgelassen hatte und die Füße wieder ins Freie kamen. „Mit einem langen blaues Kleid und einer rote Schleife im Haar.“
Torsten,fing an zu plärren: „Ich will aber keine Frau! Ich will ein Männchen.“
Aus dem Dunkeln kam die verträumte Stimme seines Vater. „Jaha.. Also die Frau.. jaha.. war ein Männchen..“
„Ja!“ Fast sah man Torsten an, wie er selig nickte „Und es hatte Haare am Kinn wie eine Ziege. Und es trug auf seinem Rücken einen Sack, darin war... Was war darin, Papa?“
Am Sonntagvormittag war er mit den Argentinierinnen in einen offenen Auto durch die Gegend gefahren. Sack? Wieso? Achja, er hatte einen Rucksack.. Was war noch darin?
„Pferdedreck,“ sagte Astrid, „denn mit Pferdedreck kann man schmutzige Sterne sauber machen, und das will das Männchen tun! Dann ist wieder Licht!“
„Nein, was redest du da!“ Es hörte sich an, als schluchzte Torsten. „Wie will das Männchen in der Nacht Pferdedreck bekommen. Es ist doch dunkel! Und dann gibt es nur noch Traktoren.“
„Neihein“, widersprach Astrid. „Bei Jönssons stehen zwei. Hab ich selbst gesehen. Ein großes und ein kleines.“
„Ja, und ein schwarzes Schaf hat er auch“, ergänzte Lasse, „mit einem weißen Gesicht. Weil es seine Nase in einen Mehlsack gesteckt hat, sagt Tante Stina.“
„Also,“ sagte Astrid, „dann war es vielleicht ein Mehlsack, damit ging das Männchen zu den Sternen, um sie zu pudern.“
„Das ist besser,“ bestätigte Lasse. „Aber wie kommt es zu den Sternen?“
„Wenn es auf einen Baum klettert“, sagte Torsten. „Oder es reitet auf dem Schaf über die Wiese und immer weiter.“
„Jaha.. und dann?“, fragte Lasse verächtlich. „Dann steigt es ins Flugzeug, was?“
„Ja, dann steigt es ins Flugzeug“, sagte Torsten erfreut.
Darauf brach Streit aus, denn nirgendwo in der Umgebung gab es einen Flugplatz. Worauf Torsten vorschlug, einen Flugplatz zu bauen.
Es war still geworden und Gunnar kam nicht zurück, darum schickte Lisa mich hinauf. Als ich die Tür öffnete, brannte das Licht, die Kinder hockten auf dem Boden und bauten aus Legosteinen einen Flugplatz. Gunnar hing in einem Stuhl, die Beine von sich gestreckt, und schlief.