Fotos: Björn Svensgård
Ich machte Ferien in meiner schwedischen Hütte. Gleich am ersten Tag kam mein Freund Gunnar mit einem blank geschälten, wie eine Wünschelrute geformten Ast und sagte, damit könne ich Wasser oder
Frauen suchen, aber wegen des Sees in der Nähe sei Wassersuchen wohl nicht nötig.
Nachdem er den halben Kuchen aufgegessen und drei Tassen Kaffee getrunken hatte, ging er mit dem Versprechen, mir morgen etwas Besonderes zu zeigen: die Dänengräber*) am Bolmen. Sie stammen aus
der Zeit vor 300 Jahren, als die Dänen Südschweden besetzt hielten, wogegen sich die Småländer heftig wehrten, auch hier in Odensjö.
Er kam mit Axt und Säge. Eine knappe Stunde später standen wir vor etwa zehn länglichen Erdbuckeln, darauf Gestrüpp aller Art. Eichen umringten den Platz, vom nahen Bolmen kam ein leichter Wind
und in den Baumkronen blinkte die Sonne.
„An die Arbeit! Wenn nichts getan wird, wächst hier alles zu. Eine Schande ist das. Also los, du gamla Indian!“
Wir begannen zu arbeiten. Plötzlich legte er sich rücklings auf ein Grab und murmelte: „Was für ein schöner Platz zum Sterben.“ Innerhalb von Sekunden war er eingeschlafen
Während ich arbeitete, warf ich immer wieder einen Blick auf den so behaglich Schlafenden. Dieser Mann, dachte ich, fängt Bienenvölker ein, er veredelt Apfelbäume, zieht in einem aus
Abrissfenstern errichteten Treibhaus Tomaten und Weintrauben. Nie radelt er über eine Ameisenstraße, sondern trägt das Rad hinüber und bevor er ein Küken anfasst, haucht er seine Hände an. Einmal
lässt er sich vor meinen Augen von einer Bremse in den Arm stechen und sieht ihr wohlwollend zu, wie sich ihr Körper mit Blut auffüllt.
Er behauptet, einmal am Tag scheine die Sonne für jeden Menschen ganz allein, man müsse bloß aufpassen, damit man den Moment mitbekäme. Wahrscheinlich gelingt ihm das immer, zumindest im Sommer.
Dann steht er abends auf der Haustreppe, das Gesicht zur Sonne gerichtet, die auf dem Berg untergeht, und mit seiner etwas krächzenden Stimme ruft er: „Livet är härligt!“ (Das Leben ist
herrlich.)
Er ist schon ein paar Jahre tot, ich wohne in einem Dorf nahe Berlin. Ich habe vor meinem Fenster einen Blick auf Kiefern, ich sehe, wie die Sonne die Stämme kupfern leuchten lässt und da ertönt
fern eine Stimme: „Livet är härligt!“
Und für einen Moment ist das Leben ganz nah bei mir.
*) Jahre später stellte sich heraus, dass es Wikingergräber waren.