,,Oioioioioi . . . Das Leben ist herrlich!“ Gunnars Ruf flog einer Feldlerche unter die Flügel, die bekam einen Schub zur Sonne und kicherte von oben herab: ,,He! Gunnar! Noch mal!"
Der steckte seine schmale Nase gerade in einen Salatkopf und hatte volles Verständnis dafür, dass sich Schnecken darin aufhielten.
Ich bummelte herum. Gods own country? Ach was. Des Menschen eigenes Land. Selbst wenn es nicht größer ist als ein paar Fußballfelder nebeneinander, denn viel größer ist Odensjö nicht. Nahe den
Fliederbüschen bei Oskars Hütte lege ich mich auf die Böschung und betrachte die Pracht eines Frühlingstages.
Jede Farbe hatte Leuchtkraft und Frische. Die Farben kommen aus dem Herzen der Dinge, sie schwirren zum Himmel, dort bilden einen gelben Strudel. So betrachtet, ist die Sonne nichts andres als
der Ausfluss der Bäume, der Vogelpfiffe, der Acker, der Steine und Gräser und aller Lebewesen, großer und kleiner, sie ist das strahlende Ergebnis allen Strebens auf dieser Erde, und selbst das
Misslingen gibt einen Tropfen Glanzlack, einen Funken Wärme dazu.
Hoppla. Ich liege in Ameisen. Was besagt das nun wieder? Der Philosoph erhebt sich und trollt sich.
Dann am Nachmittag. Wir lichten den Wald. Gunnar fällt junge Fichten mit der Handsäge, ich entäste sie mit der Axt. In einer Pause foppt er mit einem Stock eine Kreuzotter. Sie kam an den Bach,
will trinken. Er steht gegenüber auf der anderen Seite.
,,Hejhej! Wartmol, brich dir die Zähne aus, Ötterchen! Na, haust du noch immer nicht zu?“
Die Schlange richtet sich auf, biegt sich zurück, folgt züngelnd der kreisenden Stockspitze. Das Wasser blitzt in der Sonne. Ich lehne mit dem Rücken an einer großen Fichte, fühle Krümel
der Borke in meinen Hemdkragen rinnen. Sie bleiben auf meinem schweißnassen Rücken kleben. Ich bin müde und glücklich.
Als Kind stellte ich mir oft vor, wie ich mir im Wald eine Erdhöhle baue. Dort würde ich leben, eine Kerze gibt mir Licht und die Wände sind mit Bretter verkleidet, Tisch und Stuhl sind
Baumstümpfe. Wann immer ich will, krieche ich durch ein Schlupfloch hinaus und sehe über mir Laubbäume, der Wind spielt in den Blättern, in dem Gewölbe über mir zwinkert der Himmel mit tausend
Augen mir zu.
Ein Gefühl des Geborgenseins, warmer Stille, sonntäglicher Ruhe beglückte mich bei meinem Fantasiebild, und ich malte es immer dann aus, sobald ich einen Druck in meinem Leben spürte. Dr kam von
den Erwachsenen, ich musste mich ihnen anpassen, sie nannten es Pflichten und Regeln, als handele es sich um Notwendigkeiten wie Essen und Trinken.
Sobald ich durch den Frankenwald strolchte, war ich vollkommen frei, und ich begann an den Worten der Erwachsenen zu zweifeln: Kein Baum, kein Busch, kein Eichhörnchen, kein Laubfrosch verlangten
von mir Anpassung, Gehorsam, Pflichten . . . Offenbar waren es doch nicht lebensnotwendige Dinge. Wir zogen in die Stadt, ich wurde älter, der Traum von einer Höhle im Wald hat mich nie
verlassen.
Und jetzt sitze ich oft am See, in einer stillen Bucht, die Laubwipfel sind eine Grotte für mich, ich bin geborgen.
Irgendwann steh ich auf, um meine Gastgeberfamilie zu suchen, von der ich weiß, dass sie badet. Ich finde sie zwei Buchten weiter, die Sonne schlägt ins Wasser, macht die Badenden schwarz im
silbernen Gegenlicht. Sie zucken und flackern und sind doch schon verkohlt wie abgebrannte Streichhölzer. Erst wenn sie zum Ufer waten, nehmen sie Menschengestalt an, die Gesichter leuchten auf
mit einem Glanz aus Nässe und Freude, Begeisterung und Lust... Hej! Das Leben ist herrlich! Und hier im Wasser hat es vor Urzeiten begonnen.
Und so kehren wir immer wieder zu der Quelle zurück und schöpfen neue Kräfte.
,,He, wo ist das Handtuch?"
Denn jetzt sitzen zivilisierte Menschen im Sand und klappern mit den Zähnen.