Die Geschichte fing so an. Ich wollte was aus dem Keller holen. Zuvor hatte ich den Wetterbericht gehört. Regen war angekündigt. Also aufgepasst, mein Lieber! Nachher beim Einkaufen bloß nicht
den Regenschirm vergessen! Und dann stand ich im Keller und wusste ich nicht mehr, was ich holen sollte. Den Regenschirm? Aber wieso denn? Achja, der Wetterbericht. Aber bitteschön, was will ich
hier im Keller?.
Meine Frau sagte, ich solle sofort einen Arzt aufsuchen. Hinsichtlich meiner Person neigt sie zu schnellen Entscheidungen. Und dann meinte sie: „Und sag dem Arzt bloß nicht, dass du Alzheimer
hast. Ärzte wollen alles selber rauskriegen. Schließlich haben sie studiert Aber wenn du es ihnen verrätst, werden sie sauer und behandeln dich womöglich schlecht...“
Meine Frau ist klug, das sagen alle. Und darum murmelte ich auf dem Weg zurt Praxis dauernd vor mich hin: „Kein Alzheimer sagen! Kein Alzheimer sagen!“
Im Wartezimmer staunte ich. Da saßen auffallend viele Leute. Ich fragte mich, ob nicht etliche davon bezahlt sind, damit es immer nach einem vollen Laden aussieht. Man kennt ja solche
Tricks.
Gerade unterhielt ich mich mit einem angestellten Patienten, da rief mich die weibliche Lautsprecherstimme ins Behandlungszimmer. Im flüsterte mir zu: „Nicht Alzheimer sagen, nicht Alzheimer
sagen.“ Ich trat ins Zimmer, der Arzt saß schreibend am Schreibtisch. Ich sagte: „Guten Tag, Herr Doktor, ich habe Alzheimer.“
Gut, was soll man machen, man ist eben Mensch.
Der Arzt schrieb weiter. Er hatte eine schwarzer Hornbrille und war schon etwas kahl am Kopf, eigentlich sehr vertrauenswürdig. Er zeigte auf den Stuhl, ohne mit dem Geschreibse aufzuhören.
Ich setzte mich.
„Heutzutage weiß ein Patient Bescheid“, brummte er seinen Schreibtisch an. „Dank umfassender Information weiß er alles und sogar besser. Großartig.“
„Gott sei Dank.. Mal was andres. Ein Menschenfreund!“ dachte ich und lehnte mich erleichtert zurück.
„Sie sehen also Internet?“
Wieso fragte er das? Was hat das mit Alzheimer zu tun?
„Ich seh Fernsehen.“
Jetzt sah mich der Doktor an. Von so einem Blick würde ich ihm zukünftig abraten, dergleichen kann den Heilungsprozess nur negativ beeinflussen. Zu allem Überfluss bekam ich einen Hitzeanfall,
vielleicht Fieber, 39 oder so.
Und da ging mir ein Licht auf. Das war schon die Untersuchung! Klar. Alzheimer ist ja nichts Körperliches, sondern was Geistiges. Ich freute mich auf die nächste Frage.
Und da kam sie. Er hielt seinen Kugelschreiber hoch und fragte: „Was ist das?“
Ich wollte ihn nicht enttäuschen, schaute etwas länger hin und sagte wahrheitsgemäß: „Ein Kugelschreiber, Herr Doktor.“
„Und was ist das?“
Er zeigte mit dem Kuli auf die Tür.
Wie meinte er das? Eine Falle?
Vorsichtig sagte ich: „Eine Tür, Herr Doktor.“
„Genau, und durch diese gehen Sie jetzt und kommen erst wieder, wenn Sie meine Adresse vergessen haben.“
War das ein Schock, als ich kapierte, was er da gesagt hatte. Ich soll erst wieder kommen, wenn ich seine Adresse vergessen habe. Ja wie denn?
Jetzt war mir klar, warum er bezahlte Patienten hatte. Der hatte das nötig. Der war selber krank. Alzheimer.
Er begann schon wieder zu schreiben. Ich machte mich davon wie unsere Katze, wenn ich ihr Tropfen verabreichen will. Wollte noch die im Wartezimmer warnen. Aber weiß man, wie die reagieren? Er
war ja ihr Arbeitgeber sozusagen. Also schwieg ich.
So, das hab ich jetzt aufgeschrieben, in allen Einzelheiten, zum Beweis, bei mir ist alles in Ordnung. Wenn ihr aber einen echten Alzheimer sehen wollt, schaut euch meinen Arzt an!