Lesetheater
Dieter Lenz
Krimikomödie
Die Personen
HEIKE und ANJA, Schwestern (ANJA ist die jüngere)
KLAUS, Bruder von beiden und jünger als beide
MANN
FRAU
KOMMISSAR
NACHBARIN
Die beiden Schwestern sind dezent elegant gekleidet, Klaus trägt eine weiße Tuchhose, ein weißes kurzärmeliegs Hemd und Turnschuhe, die biedere Nachbarin einen Küchenkittel, die Frau ein sehr
kurzes Sommerkleidchen mit grellen Farben, der Kommissar ein Jackett und Cordhose, der Mann Jeans und T-Shirt.
Das Bühnenbild
Das Wohnzimmer in einer Villa mit einem offenen Kamin, halbrechts geht eine Tür in die Küche und zum Garten, halblinks ist entweder eine Treppe nach oben oder eine Tür zur Treppe ins obere
Stockwerk.
In der Mitte ein Fenster zum Garten, daneben die Tür zum Harten.
Rechts (an der Rampe vorbei) geht es zur Haustür.
Das Mobiliar ist gediegen, aber gemütlich: ein Tisch mit weißem Tischtuch und vier Stühlen, eine Chaiselongue und zwei Fauteuils – alles Möbelstücke, denen man eine großbürgerliche Vergangenheit
ansieht.
In einem Glasschrank befinden sich Kristallgläser und Spirituosen, auf dem Kaminsims stehen ein dreiarmiger silberner Kerzenhalter, eine Uhr, kleine Porzellankunstwerke u.ä.., alles aus
vergangenen Zeiten.
An der Wand ein großes Porträtfoto der Eltern und zwei, drei Gemälde in goldenen Rahmen.
HEIKE, ANJA und KLAUS beim Frühstücken
ANJA (zu KLAUS): Magst du nicht mehr?
KLAUS: Kläuschen ist satt. Will jetzt spielen.
HEIKE: Hat er seinen Saft ausgetrunken?
ANJA: Ja.
HEIKE: Dann darf er.. Was willst du spielen, Kläuschen?
KLAUS: Heute bin ich ein Mörderer..
ANJA: Aber Kläuschen.. Wie willst du das spielen?
KLAUS: Ist doch einfach.. Wirst du sehen.. Geh mich jetzt anziehn.. (ab durch die Treppentür)
HEIKE: Wie will er sich denn anziehen.. als Mörder? Haben die eine Berufskleidung?
ANJA: Das wirst du schon sehen..
(KLAUS, mit einer Augenklappe, schleicht sich aus der Treppentür heran)
KLAUS: Ich bin ein Mörderer und schleiche und schleiche.. Keiner sieht mich.. Ihr auch nicht.. Aber jetzt.. (springt am Tisch auf) Ihr
müsst Angst haben!
ANJA: Aber Kläuschen! Jetzt bist du kein Mörderer, sondern ein Seeräuber..
KLAUS: Nö! Seeräuber war ich schon mal..
ANJA: Eben.. Setz dir ne alte Mütze auf und zieh dir was Altes an.. Findest du alles auf dem Dachboden. (KLAUS schleicht davon, ab
durch die Treppentür)
HEIKE: Das ist doch Unsinn. Du weißt, Mörder sehen ganz normal aus. Wenn es eine Berufskleidung für Mörder gäbe, würden sie sich doch
verraten.
ANJA: Aber er verkleidet sich so gerne...
HEIKE: Wie kommt er überhaupt dazu, heute Mörder zu spielen?
ANJA: Ich weiß nicht.. Das Fernsehen ist voll davon und in den Zeitungen steht es jeden Tag.
HEIKE: Aber er liest doch keine Zeitungen...
ANJA: Dann liegt das Mördern eben in der Luft.
HEIKE: Das sollte mich nicht wundern. Die Luft da draußen ist eh schon so, dass sie einen umbringen kann.
KLAUS (schleicht aus der Treppentür heran, jetzt mit Mantel und Hut): Ich schleiche, ich schleiche... Ich will jetzt mörderen..
(springt auf vorm Tisch) Ich bin ein großer Mörderer! Ihr müsst jetzt Angst haben vor mir..
HEIKE: Also weißt du.. Wie kannst du wie ein Mörderer aussehen, wenn du Papas Hut trägt?
KLAUS: Das ist Papa? (küsst den Hut, schluchzt)
ANJA: Nun wein doch nicht gleich.. (zu HEIKE) Du bist grausam.
HEIKE: Es ist aber sein Hut. Das ist respektlos! Das geht zu weit... (zu KLAUS) Komm, gib ihn mir. Ich zeig dir, wie ein Mörderer aussieht.
(verstrubbelt sein Haar) So. Jetzt bist du ein richtiger Mörderer..
ANJA: Dann läuft aber eine Menge Mörder draußen herum.
HEIKE: So ist es, Liebes. Man hat sie nur noch nicht entlarvt.
KLAUS: Ich bin ein Mörderer.. Hurra! Jetzt geh ich mörderen..
HEIKE: Warte.. Gib mir den Mantel! Auch Mörderer tragen im Sommer keinen Mantel.. (zieht ihm den Mantel aus)
KLAUS: Bekomm ich ein Pistölchen?
HEIKE: Nein.
KLAUS: Ein Messerchen?
HEIKE: Nein.
KLAUS: Wie soll ich mörderen?
HEIKE: Lass dir was einfalln.. Na, geh schon..
KLAUS (schleicht davon): Uhh.. Ich schleiche, ich schleiche.. Nicht hersehn! Ihr dürft mich nicht sehn!.. Jetzt habt ihr hergesehn!
Ich bin traurig... Nein, böse! Ich bin böse und mördere!. Uhhh.. Ich schleiche, ich schleiche.. Der Mörderer kommt! (ab Richtung Haustür)
ANJA: Was meinst du, wie wird der Tag?
HEIKE: Lassen wir uns überraschen, Liebes.. Noch ein Löffelchen Kaviar?
ANJA: Nein, danke. Ich kann das schon nicht mehr sehen. Jeden Morgen Kaviar.
HEIKE: Tu was davon auf Ei.
ANJA: Dann fühl ich mich besser?
HEIKE: Es ist ein neuer Geschmack.
ANJA: Jeden Tag steht in der Zeitung, wie aufregend bei anderen das Leben ist.. Das macht mich neidisch.
HEIKE: Ja, Liebes, ich weiß.. Übrigens.. Ich hab gestern 50.000 Euro abgehoben. Sie sind in meinem Zimmer.
ANJA: Und wenn Einbrecher kommen?
HEIKE: Dann hätten wir etwas Aufregung. Weißt du, bisweilen steht in der Zeitung neben dem Klatsch auch etwas Geistvolles. Vorgestern zum
Beispiel, da las ich: Um sich zu langweilen, muss man genug Geld haben. Und wir haben mehr als genug, nicht wahr.
ANJA: Und deswegen hast du das Geld von der Bank geholt? Du willst es verlieren?
HEIKE: Verlieren ist das falsche Wort. Geld verlieren, so was käme mir nie in den Sinn. Ich zahle für etwas und erwarte, dass ich dafür etwas
bekomme.. Jedenfalls ist es riskant, so viel Geld im Haus zu halten. Das allein ist schon spannend. Das reizt doch die Einbrecher, oder? Warten wir ab, was kommt.
ANJA: Wie aufregend... Aber wie sollen das die Einbrecher erfahren?
HEIKE: Die riechen so was. (Es klingelt)
ANJA: Das ist Kläuschen. Was will er denn jetzt?
HEIKE: Ich glaube, er will uns erschrecken. Also tu ihm die Freude..
(ANJA ab Richtung Haustür. Dann ein Schrei von ANJA)
ANJA (stürzt herein): Gott, ist das aufregend!
HEIKE. Wie schön, meine Liebe.
(Ein MANN kommt, er trägt eine FRAU auf den Armen, dahinter KLAUS)
KLAUS: Ich hab gemördert! Jetzt müsst ihr Angst haben!
HEIKE: Gewiss, Herzchen.. Aber jetzt beruhige dich!
ANJA: Er sagt, er hat gemördert.
KLAUS: Ich bin ein Mörderer! Uhh.. Ich hab gemördert! Spielen wir weiter?
HEIKE: Das werden wir gleich sehen.. Darf ich wissen, wer Sie sind, mein Herr? Und wie kommen wir zum Vergnügen Ihrer Bekanntschaft?
MANN: Ob das ein Vergnügen ist, werden wir gleich sehn.. Wo kann ich sie hinlegen?
HEIKE: Hier bitte.. aufs Chaiselongue.. Ich hoffe, sie ist sauber.
MANN: Wie reden Sie von einer Toten!
ANJA: Sie ist tot? Echt tot?
MANN: Jajaja.. Meine liebe, liebe Frau.. (legt die Tote auf die Chaiselongue): Und dieser Wahnsinnige hat sie ermordet! Wieso redet
er von spielen..
KLAUS: Ein schönes Spiel.. Du musst mitmachen!
MANN: Aber sie ist doch tot, Mann! Tot, tot!
HEIKE: Beruhigen Sie sich. Es klärt sich alles auf..
MANN: Sie ist tot!
HEIKE: Sie wiederholen sich. Es würde uns interessieren, wie es passiert ist..
MANN: Also..
ANJA: Kläuschen soll es erzählen!
KLAUS: Ich schleiche und schleiche, ich gucke, ich schleiche und schleiche und gucke... und da sind welche, sehn den Mörderer nicht, sehr, sehr
schön.. .... und dann .. Bumm.. (zu MANN) Du hast es gesehn! Erzähl du!
HEIKE: Wenn Sie so freundlich sind.
ANJA: Gott, wie aufregend!
MANN: Da gibt es nicht viel zu erzählen. Es ging so schnell.. Hier, sehen Sie am Hinterkopf.. Blut! Da hat er mit dem Stein
zugeschlagen!
KLAUS: Ja.. Ging ganz schnell.. Bumm, und sie liegt da.. Ich mach das gleich noch mal..
ANJA: Mach erst ein Päuschen, Kläuschen.. Habt ihr gehört? Das hat sich gereimt! Kann man sich dann was wünschen?
HEIKE: Warum nicht? Aber bleib auf dem Boden!
KLAUS: Darf ich will mir auch was wünschen?
HEIKE: Aber natürlich, Kläuschen,,
KLAUS: Ich hätte gern ein Pistölchen..
MANN: Hallo! Hier liegt eine Ermordete!
HEIKE (zu MANN): Aber natürlich.. Sie müssen schon entschuldigen, wenn wir uns erst einmal um Kläuschen kümmern. Er ist doch noch ein
Kind.
MANN: Nun machen Sie mal einen Punkt..
ANJA: Er sieht viel älter aus, das täuscht.
MANN: Die Polizei wird sich nicht täuschen lassen.. Was denken Sie wohl, was die Polizei davon hält?
ANJA: Wie spannend! Was denn?
HEIKE: Aber, Liebes, die Polizei wollen wir lieber aus dem Spiel lassen..
KLAUS: Sehr schön macht das die Frau! Da liegt sie..
MANN: Die Polizei aus dem Spiel lassen? Ja, wie denken Sie sich das?
ANJA: Beruhigen Sie sich. Für alles gibt es eine Lösung.
HEIKE: Ganz recht, meine Liebe.
KLAUS: Ich will weiter mörderen. Uhh.. Ich bin ein Mörderer!
MANN: Er soll endlich aufhören damit... . Ich will Ihnen jetzt was sagen, und bitte hören Sie gut her und nehmen Sie das ernst!
KLAUS: Darf ich ihn mörderen?
ANJA: Jetzt nicht, der Herr will uns was sagen..
KLAUS: Aber ich will!
MANN: Sie werden das doch nicht zulassen?
HEIKE: Kläuschen, bist du so lieb, du musst dich ausruhen, geh auf dein Zimmer!
KLAUS: Ja, Kläuschen muss sich ausruhen.. So gut gemördert, denk mal an.. Und dann spielen wir weiter! (KLAUS ab durch die
Treppentür)
HEIKE: Und jetzt bitte.. Was haben Sie auf dem Herzen?
MANN: Auf dem Herzen? Ja wie denn? In so einem Fall hat man ein gebrochenes Herz! Begreifen Sie doch! Meine Frau ist tot und lebt nicht mehr!..
Geben Sie mir ein Glas Cognac, ich muss mich beruhigen...
HEIKE: Aber gerne .. Anja, den französischen!
(ANJA holt Flasche und Glas, schenkt ihm ein)
ANJA: Den gibt es eigentlich nur zu Weihnachten.
MANN: Echt? Bei dem wär für mich immer Weihnachten.... (trinkt) Tschuldigung.. Ich bin noch nicht ganz da..(trinkt) Es war so...
Mein Gott.. (trinkt) Wir gingen doch bloß spazieren.. Wie immer am See. Ein Morgenspaziergang bei schönstem Wetter..
ANJA: Ja, schon beim Aufstehen sagten wir uns: Der Tag verspricht schön zu werden!
HEIKE: Und er hat uns nicht enttäuscht, nicht wahr, Liebes?
ANJA: Du sagst es! (sie kichern)
HEIKE: Aber bitte, Sie wollten etwas sagen.
MANN: Ja.. Ich muss mich fassen.. Es ging blitzschnell. Er sprang aus einem Busch, schrie: Ich bin ein Mörderer und mördere euch! Er rannte
auf meine Frau zu.. wie wahnsinnig ..Und dann.. Sie sah gerade zum See.. Am Hinterkopf schlug er sie, mit einem Stein... Ich konnte nichts mehr tun.. Ich begreif es noch immer nicht.
Das ist ja wie ein Alptraum.. Und wenn ich mich hier umsehe: Alles atmet Frieden und Heiterkeit. Niemand in diesem Hause wird zur Gewalt fähig sein, denkt man. Aber dann passiert so
was!
HEIKE: Das nennt man Überraschung.
ANJA: Und wir lieben Überraschungen. Das ist doch normal, nicht wahr?
MANN: Achja? Und Ihr Mann sorgt dafür, was? Er sorgt sozusagen für die gute Laune im Heim?
HEIKE: Nicht gute Laune... Für ein gutes Leben.
ANJA: Und es ist nicht mein Mann.
HEIKE: Natürlich nicht. Er ist unser Bruder..
ANJA: Unser Nesthäkchen.
MANN: Ach wirklich? (Lärm von oben) Er tobt schon wieder!
ANJA: Ja, er spielt gerne.
HEIKE: Er ist eben ein Kind.
MANN: Ich finde ihn schon ziemlich ausgewachsen!
HEIKE: Äußerlich ja,.
ANJA: Er hatte eine traurige Kindheit.
HEIKE: Wir haben unsere Eltern verloren.
ANJA: Durch einen Flugzeugabsturz. Da war er erst fünf.. Wie soll er das verstehen..
MANN: Mir scheint, er ist ein Fall für die Ärzte..
HEIKE: Wo denken Sie hin. Sie wollen einer kindlichen Unschuld den Spaß am Spielen verderben. Dann ist unmenschlich.
ANJA: Einer wollte ihn sogar wegsperren.
HEIKE: Unser ganzes Glück! Das lassen wir uns nicht nehmen.
ANJA: Ja, wir haben schon so viel in ihn hinein gesteckt. Das ist ein Kapital!
HEIKE: Investition, heißt das, meine Liebe.
MANN: Wenn Sie Aktien ausgeben, geben Sie mir Bescheid... Verdammt... Worüber reden Sie? Er hat meine Frau ermordet!
HEIKE: Wir kommen für den Schaden auf.
MANN: Was?
HEIKE: Es wird jedenfalls nicht nötig sein, die Polizei zu rufen.
MANN: Wie bitte?
ANJA: Wir kommen selbstverständlich für Ihre Unannehmlichkeiten auf.
MANN: Sachte, sachte.. Ich bitte Sie zu bedenken, um was es hier geht... Ich meine, was ich verloren habe. Meine geliebte Frau! Sie ist
unersetzlich. Aber bitte.. Wie wollen Sie das bezahlen?
ANJA: Mit Geld natürlich.
HEIKE: Und jammern Sie nicht so. Herrgott, Sie haben bald wieder eine neue.
ANJA: Wir kennen die Männer!
MANN: Moment, Moment... Wenn ich Sie richtig verstehe..
HEIKE: Wenn Sie so freundlich wären..
MANN: Dann wollen Sie die ungeheuerliche Tat gewissermaßen wie eine Lebensversicherung zum Auszahlen einer Versicherungssumme
benutzen..
HEIKE: Unter Berücksichtigung, dass es sich um einen Unfall handelt..
MANN: Wie wär's mit einem Verkehrsunfall?
ANJA: Das müssen Sie wissen, Sie waren ja dabei..
MANN: Richtig.. Ja, wenn ich mich recht erinnere.. Ein Auto kam von hinten.. in hohem Tempo.. Ich wurde verschont, aber leider meine Frau.. Sie
schlug mit dem Hinterkopf.. Ja, ich sehe es wieder vor mir..
HEIKE: Ein schrecklicher Anblick!
ANJA: Wie aufregend! (Sie kichern)
MANN: Lassen Sie das.. Denn jetzt wird die Sache brenzlig.. Denn wenn es so war, muss es auch so aussehen..Also.. Erstens. Ein Verkehrsunfall
braucht einen Unfallort... Vielleicht zwei, drei Straßen von hier..
HEIKE: Bitte noch etwas weiter.... In unserer Nähe wünschen wir keine Menschenaufläufe.
MANN: Mein Wagen parkt unten am See.. Ich müsste meine bedauernswerte Frau – Gott, sie ist nicht mehr – zur Unfallstelle fahren.. und dann dort
sozusagen deponieren.... Ich vermute, das schwebt Ihnen vor.. .. Ach Gott, da liegt meine Frau und ist tot..
HEIKE: Das sagten Sie bereits.
MANN: Andererseits. Was alles auf Sie zu kommen könnte... Verhöre, Anklage, Gericht, Gefängnis oder Klinikeinweisung Ihres Bruders, täglich würde er
in den Zeitungen und im Fernsehn zu sehen sein.. Sie natürlich auch. Ziemlich unangenehm, was?
HEIKE: Das mögen wir nicht.
ANJA: Wir haben einen guten Ruf.
HEIKE: Du sagst es, Liebes.
MANN: Dagegen sind 20.000 Euro ein Klacks..... Und alles läuft wie geschmiert. Ich garantiere Ihnen, es werden Ihnen keine Unannehmlichkeiten
entstehen..
HEIKE: 20.000!
ANJA: So teuer war noch kein Spiel von Kläuschen!
MANN: Er hat schon öfter Schaden angerichtet? Sie führen wirklich ein aufregendes Leben..
HEIKE: Wir finden es angemessen, nicht wahr, Anja?
ANJA: Ich bin ganz deiner Meinung, Heike.
MANN: Jetzt hören Sie aber auf!
HEIKE: Ich weiß nicht, welche Schulbildung Sie haben, aber wenn Sie in der Historie bewandert sind und eine gute Schulbildung haben, dann sollte es
Ihnen leicht fallen, uns zu verstehen. Wir führen ein Leben wie im alten Rom.
MANN: Achja..
HEIKE: Um es deutlicher zu sagen: Brot und Spiele.
ANJA: Wobei es bei uns mehr als nur Brot gibt, um ehrlich zu sein.
HEIKE: Ja, die Zeiten haben sich etwas geändert.
MANN: Hören Sie, ich spiele nicht, kapiert? Nicht mit dem Leben meiner Frau!
HEIKE: Das ehrt Sie.. Aber jetzt zu Ihrem Angebot, das man, wie man so sagt, nicht ablehnen kann...Na schön.. 20.000. Zufälligerweise haben wir
etwas Geld im Hause... Wir holen es jetzt. Aber bitte, schaffen Sie die Verunglückte in Ihr Auto! Sie macht sich nicht gut auf unsere Chaiselongue .. Komm, Anja, suchen wir das Geld
zusammen (beide ab über die Treppentür)
MANN: Die haben alle einen Klaps weg, was meinst du.
FRAU (steht auf): Um so besser für uns... Da können wir mehr rausschlagen. .. (sieht sich um) Mensch, schau mal.. Alles vom Feinsten!
Da! Der Leuchter .. bestimmt aus Silber.. (nimmt ihn, prüft ihn) 800. 80 % Silber! .. Echt! Die haben Werte! Dann haben
die auch Kohle! Die blechen auch 30.000.
MANN: Und jetzt sind deine Fingerabdrücke darauf.. Wisch sie weg und stell das Ding zurück. (sie wischt den Leuchter mit dem Ärmel ab,
stellt ihn zurück) Glaubst du wirklich? 30.000?
FRAU (legt sich wieder hin): Da wett ich meinen Arsch drauf.. Wie sieht die Wunde aus? Gib zur Sicherheit noch was Farbe drauf..
(reicht ihm ihren Lippenstift)
MANN (malt die Stelle an): Der ist bald alle.. Noch ne Verwundung schafft er nicht.
FRAU: Nicht zu dick!
MANN: Das ist Blut, Herzchen. Und dein Köpfchen ist keine Lippe! (malt sie hinten an, sie legt sich wieder hin) Warte, das glänzt jetzt,
verdammt.. Da muss noch Haar drüber... So, fertig..
(HEIKE und ANJA kommen durch die Treppentür)
HEIKE: Sie liegt ja immer noch da..
MANN: Ich bring sie schon noch weg, keine Angst...Aber ich musste noch einmal nachdenken.. Es ist alles nicht so einfach.. Mir ist erst jetzt
richtig klar geworden, was ich da tu. Das Vertuschen einer kriminellen Tat! Das ist strafbar, darauf steht Gefängnis, ganz sicher..
HEIKE: Ich denke, es handelt sich um einen Unglücksfall oder irre ich mich?
MANN: Gewiss, gewiss.. Wenn Sie mich bitte ausreden lassen wollen? Ich möchte nur verhidnern, dass der geringste Verdacht aufkommt..
Sehen Sie, der Transport der Toten wird im Auto Spuren hinterlassen.... DNA-Spuren, Blutspuren.. Und darum muss ich den Wagen verschwinden lassen.. Und ein neuer Wagen kostet 20.000,
mindestens ... Aber ich will Sie nicht ausnehmen wie eine…ich meine, ausnutzen wie eine... nunja, genau das.. Jedenfalls.. mit 30.000 sind Sie aus dem Schneider.. Ich meine,
sind Sie auf der sicheren Seite! Niemand wird etwas erfahren!
HEIKE: Kann es sein, Sie wollen mit dem Tod Ihrer Frau ein Geschäft machen?
ANJA: Das würde uns nicht gefallen.
MANN: Ich bitte Sie! Denken Sie doch an meine Kosten! Die Beerdigung! .. Eine Lebensversicherung hat sie ja nicht! (schaut auf die Tote)
Ach, meine Frau! Und das Blut! Sehen Sie? Es war ein mörderischer Schlag!
HEIKE: Sie wiederholen sich. Mit 25.000 wären wir uns einig...
ANJA: Wo, sagten Sie, ist das Blut? Wir haben schon lange kein Blut mehr gesehen.. (will sich über die Tote beugen)
MANN (zieht sie zurück): Bitte.. Haben Sie Respekt vor einer Toten! Also gut.. 25.000..
KLAUS (stürmt durch die Treppentür herein): Bin wieder wach! Mir ist langweilig! Will weiterspielen! Das Mörderen war so schön, will es
noch mal tun.. (fängt an herumzuschleichen) Ich schleiche, ich schleiche.. Wo ist wer, den ich mördere? Uch, wo ist einer? (sieht MANN) Den kenn ich! Soll ich den
mörderen?
HEIKE: Anna, bitte, beruhige ihn.. Kläuschen, nachher ja? Nachher spielen wir weiter..
ANJA: Komm, Kläuschen.. Ich geb dir eine Schokolade und wir sehen uns deine Bilder an! Erinnerst du dich an das Feuer?
KLAUS: Oja! Ich wollte löschen, aber das Feuer war dann schon weg..
ANJA: Ja, ja... (beide ab durch die Treppentür)
HEIKE: Ich finde, wir haben genug geredet. Ich hole Ihnen die 5000. Das dauert einen Moment. Ich habe nur noch kleine Scheine.. Aber, wenn ich
bitten darf: Ihre Frau schaffen Sie jetzt weg! Sie liegt da.. Also wissen Sie! Für einen Schönheitsschlaf dürfte es bei ihr zu spät sein. (ab durch die Treppentür)
FRAU (steht auf): Eine freche Klappe hat sie. Würde ihr gern mal eine reinhauen..
MANN: Sei nicht so ordinär. Das passt nicht zum Stil des Hauses..
FRAU: 25.. Ich sagte 30.000.
MANN: Wir dürfen nicht übertreiben.
FRAU: Dafür nehme ich den Kerzenständer mit..
MANN: Lass das.. Ich hab ja auch schon einiges erlebt, aber das hier.. Das glaubt mir keiner.. Also geh! Schnell! Ich seh mich hier noch mal
um.. Und finde ich was Passendes, nehm ich's mit.. (FRAU ab Richtung Haustür, MANN schaut sich im Zimmer um)
HEIKE (kommt aus der Treppentür): So. Jetzt sind wir aber quitt.. Sie können es nachzählen.. (legt die Geldbündel auf den
Tisch)
MANN: Sehr wohl.. (Es klingelt)
HEIKE: Das ist Miss Marple.
MANN: Miss Marple?
HEIKE: Unsere Nachbarin. Sie schnüffelt gerne... Überall glaubt sie Verdächtiges am Werk.. (geht öffnen. MANN schaut sich im Zimmer um, nimmt
was vom Kaminsims, will es in die Tasche stecken, da kommen NACHBARIN und HEIKE)
MANN (hebt den Gegenstand hoch): Das ist etwas sehr Schönes.... Jugendstil?
NACHBARIN: Wollten Sie das nicht gerade in Ihre Tasche stecken?
MANN: O Pardon, sah das so aus? Ich habe erst kürzlich mit dem Rauchen aufgehört, aber wenn ich eine Zigarette sehe oder ein Zigarettenetui wie
dieses – es ist Jugendstil! – dann kommt der alte Reflex.. Und außerdem bin ich Antiquitätenhändler und was ich hier sehe, ist einfach traumhaft, man muss es anfassen, sonst glaubt man es
nicht.
NACHBARIN: Dann waren Sie das, den ich vor einer Stunde am Schuppen sah?
HEIKE: Wie kommst du darauf? Er war die ganze Zeit hier..
NACHBARIN: Merkwürdig.. Ich hätte wetten mögen, da war ein Mann beim Schuppen.. Ich versteh dich nicht, Heike. Dieser Schuppen ist doch
kein Lager für eure Kostbarkeiten..Auf den Stühlen saßen einmal Prinzen und Könige .. Oder so ähnlich.. Sag mal, hast du etwas Mehl für mich? Ich will einen Kuchen backen und hab leider nicht
genug ....
HEIKE: Du backst schon wieder? War das nicht erst vorgestern?
NACHBARIN: Du weißt ja.. Ich bin ein Schleckermaul.. . (HEIKE ab in die Küche) Und das Geld lässt sie einfach liegen. Was für ein
Leichtsinn!
MANN: Es ist von mir. Ich beabsichtige, hier einiges zu kaufen.
NACHBARIN: Dann sollten Sie sich unbedingt mal im Schuppen umsehen. Die beiden Hübschen sitzen auf einem Millionenschatz.
MANN: Danke für den Tipp..
HEIKE (kommt zurück): Ich gebe dir die ganze Tüte mit.. Ich hoffe, du hast dann alles..
NACHBARIN: Danke, meine Liebe. Was ich nicht brauche, bring ich zurück.. Und ein Stück von dem Kuchen bring ich euch auch.
HEIKE: Das ist nicht nötig, wirklich nicht! .
NACHBARIN: Doch, doch.. Ich bin kein Schnorrer! Und auch du kannst jederzeit bei mir was ausleihn.. Achja.. Und wenn ich dir noch was sagen darf:
Lass niemals Geld offen auf dem Tisch liegen. Da könnte man ja auf Gedanken kommen.... (ab Richtung Haustür)
MANN: Unglaublich! Für mich wäre so eine Nachbarin die reinste Plage.
HEIKE: Aber nein, man kann ihr nicht lange böse sein.. Sie haben das Geld ja noch gar nicht berührt.. Wollen Sie es nicht nachzählen?
MANN: Da ist noch was.. Ist es Zufall oder Schicksal.... Ich fühle mich immer mehr Ihrem Haus verbunden. Ich bin tatsächlich Antiquitätenhändler.
Mich würde schon interessieren, was Sie im Schuppen haben..
HEIKE: Nur uraltes Mobiliar.. Stammt noch aus der Zeit, als unser Vater sein Antiquitätengeschäft hatte.. Interessiert Sie das
wirklich?
MANN: Aber natürlich... Vielleicht kaufe ich Ihnen gleich was ab. Geld hab ich ja.
HEIKE: Na schön.. Dann gehen Sie, der Lichtschalter ist gleich rechts hinter der Tür... (MANN ab durch die Gartentür, KOMMISSAR kommt aus der
Küchentür)
HEIKE: Na so was..! Seit wann kommen Besucher aus unsrer Küche?
KOMMISSAR: Sie haben doch einen Hintereingang. Wussten Sie das nicht? Ein kleiner Scherz... Ich dachte, ich spreche erst mal allein mit
Ihnen... Ich bin Kommissar. Hier mein LKA-Auweis.. (zeigt eine Karte, steckt sie wieder weg)
HEIKE: Ach.. Sie wissen es?
KOMMISSAR: Natürlich.
HEIKE: Ich muss gestehn, das überrascht mich.
KOMMISSAR: Sie gestehen aber schnell.
HEIKE: Seien Sie nicht albern.. Wer weiß es noch?
KOMMISSAR: Ich weiß es, das genügt doch... (schaut sich neugierig um) Männer haben ein scharfes Auge für das, was da ist,
während Frauen Männern schöne Augen machen. Ich nehme an, so ist es auch Ihnen passiert.
HEIKE: Was soll mir passiert sein?
KOMMISSAR: So ist seine Methode. (sieht sich während des folgenden Dialoges die Gegenstände genauer an)
HEIKE: Was reden Sie da für einen Unsinn. Erstens machen wir Frauen keine schöne Augen, wir haben welche. Und was ihn betrifft, sieht er natürlich, was da ist, aber er sieht viel mehr als wir, nämlich was noch da sein könnte.
KOMMISSAR: Genau! Das ist das Besondere an ihm. Man könnte fast sagen: sein Talent.
HEIKE: Ja, er ist ein Kind, auch wenn er erwachsen aussieht, und darum ist er strafunmündig.
KOMMISSAR: Ein Kind? Hat er sich so verstellt?
HEIKE: Es handelt sich nur um ein Spiel!
KOMMISSAR: Ein Spiel? Da sind Sie aber schön reingefallen!
HEIKE: Wieso?
KOMMISSAR: Es wäre nicht seine erste Straftat.
HEIKE: Dann wissen Sie doch Bescheid..
KOMMISSAR: Na klar. Über ihn gibt es längst eine Akte.. Ich werde ihn verhaften müssen.
HEIKE: Wie ich schon einmal in einem anderen Zusammenhang sagte: Nur über meine Leiche!
KOMMISSAR: Sie schützen einen Einbrecher mit Ihrem Leben? (Kleine Pause)
HEIKE: Sie suchen einen Einbrecher, keinen Mörder?
KOMMISSAR: Mörder? Wie kommen Sie darauf? Ich bin vom Einbruchdezernat..
HEIKE: Lieber Himmel, warum sagten Sie das nicht gleich? Na wissen Sie..
KOMMISSAR: Wir gehen von Haus zu Haus und warnen die Eigentümer vor einem Mann, der hier in der Gegend herumschleicht..
HEIKE: Ja, das ist bekannt. Das ist doch kein Verbrechen!
KOMMISSAR: Und er gibt sich für was anderes aus.
HEIKE: Natürlich, er war sogar schon mal ein Wolf.
KOMMISSAR (nach einer Pause): Sagen Sie.. Sie reden vielleicht wirklich von etwas anderem? Vielleicht von Kind?
HEIKE: Die ganz Zeit! Von kindlicher Unschuld und, nebenbei, vom Glück unseres Lebens. Das lassen wir uns nicht nehmen. Von niemanden.
KOMMISSAR: Schön. Kleines Missverständnis. Lassen wir das Kind. Zur Sache. Wie viele Personen wohnen hier?
HEIKE: Ich, meine Schwester und unser Bruder.
KOMMISSAR: Und ein Kind.
HEIKE: Welches Kind?
KOMMISSAR: Sie sprachen doch von einem Kind?
HEIKE: Ja, aber damit meinte ich unseren Bruder.
KOMMISSAR: Aha... Sagen Sie mal ... Wie alt ist das Kind?
HEIKE: 32.
KOMMISSAR: Aha.. (Pause) Es scheint nicht der Mann zu sein, den ich suche, glaube ich...
HEIKE: Na, das meine ich auch. Sie sollten sich deutlicher ausdrücken. Also Sie suchen einen Mann.. Etwa mit einer Frau?
KOMMISSAR: Genau! Seine Komplizin! Sie arbeiten gemeinsam.
HEIKE: Dann ist er das. Er kam mir gleich so verdächtig vor. Gibt sich als Antiquitätenhändler aus..
KOMMISSAR: Sehen Sie!
HEIKE: Die Frau, glaube ich, können Sie vergessen.. Gerade jetzt schaut er sich im Schuppen die alten Möbel an..
KOMMISSAR: Genial.. Antiquitätenhändler! Dieser Kerl klaut den Stuhl unter Ihrem Hintern weg und Sie merken das nicht mal.. Ich
begreife, dass er Ihr Haus ausgesucht hat. Exquisite Sachen haben Sie hier.. Allerhand Kostbarkeiten.. Dieser Kerzenständer.. Echtes Silber, was?
HEIKE: Unser Vater war ein Sammler edler Gegenstände...
KOMMISSAR: Ja, das waren noch Zeiten... Heute ist ja alles aus Plastik.... Und dort im Schuppen, da lagern Sie die größeren Stücke? (schaut
hinaus) Da ist er ja! Unser Mann kommt näher.. Am besten Sie ziehen sich zurück! Das kann jetzt gefährlich werden, höchst gefährlich..
HEIKE: Ach bitte, ich möchte zusehen.. und meine Schwester sicher auch! Die Verhaftung eines Einbrechers! Das wäre für uns mal was
Neues...
KOMMISSAR: Nichts da! Das geht nicht ohne Gewalt! Gehen Sie! Und dass Sie sich alle ruhig verhalten! In Ihrem eigenen Interesse! Und kommen Sie erst
wieder, wenn ich Sie rufe! Nun gehen Sie schon! (HEIKE ab durch die Treppentür)
(MANN kommt durch die Gartentür)
MANN: Hej, was sucht du hier? Verschwinde, aber presto!
KOMMISSAR: Was du nicht sagst. Und warum?
MANN: Die hier mögen keine Männer..
KOMMISSAR: Und wieso bist du hier? Soll ich dir sagen, was ich nicht mag? Einen Kumpel, der auf eigene Rechnung ein Ding dreht.
MANN: Das war nicht geplant, das kam wie vom Himmel..
KOMMISSAR: Wusste gar nicht, dass du religiös bist.
MANN: Also jetzt im Ernst. Hier wohnt ein Verrückter, der glaubt ein Mörder zu sein und griff uns an, da hatte Jenny die Idee, eine Ermordete
zu spielen und damit eine kleine Erpressung zu machen.... Bis jetzt läuft es perfekt.
KOMMISSAR: Fantastisch... Aber jetzt kommt der Kommissar..
MANN: Dieser abgedroschene Trick!
KOMMISSAR:.. und will seinen Teil davon. Das hier ist das Geld, was? Sieht nach ner Menge aus..
MANN: Das gehört uns, dafür haben wir schwer gearbeitet, das kannst du mir glauben.. Also verschwinde!
KOMMISSAR: Tut mir echt leid. Als Kommissar muss ich das Geld leider konfiszieren.. (will zugreifen)
MANN: Pfoten weg!
KLAUS (kommt aus der Treppentür, schleicht heran): Ich schleiche, ich schleiche, ich schleiche .. Ich bin ein großer Mörderer.. . Einmal
hab ich schon .. (steht verdutzt vorm Sofa) Sie ist weg..
KOMMISSAR: Wer?
KLAUS: Die Gemörderte. (zu KLAUS) Wir mussten sie verstecken, Kläuschen..
KLAUS: Verstecken?
MANN: Ja. Vor der Polizei.
KOMMISSAR: Ich bin von der Polizei.
KLAUS: So siehst du nicht aus. Du bist ein Lügner!
MANN: Genau!
KOMMISSAR: Schluss mit dem Blödsinn. Her mit dem Geld .. (will zugreifen, MANN nimmt den Kerzenständer, haut zu, KOMMISSAR fällt zu
Boden)
MANN (gibt KLAUS den Kerzenständer): Kläuschen.. Denk mal an! Du hast schon wieder gemördert!
KLAUS: Uch! Hab ich gar nicht gesehn..
MANN: Ja, aber ich hab's gesehn. Hast du so schnell gemacht. Du bist ein ganz schneller..
KLAUS (schreit): Heike! Anja! Schon wieder gemördert!
(HEIKE und ANJA kommen durch die Treppentür )
HEIKE (sieht den KOMMISSAR): Um Gottes willen, der Kommissar!
ANJA: Ein Kommissar?
HEIKE: Na, das wird diesmal einiges kosten.. Kläuschen, das wäre doch nicht nötig gewesen. Einer genügt!
KLAUS: Uch! Jetzt müsst ihr Angst haben!
ANJA: Kläuschen, wir werden dir das Taschengeld kürzen müssen...
HEIKE (zu MANN) : Und Sie sind ein Einbrecher! Er wollte Sie verhaften!
MANN: Völliger Unsinn! Das hier ist ein Betrüger!
HEIKE: Das hätten Sie wohl gern... Kläuschen, was ist passiert?
KLAUS (zu MANN): Du hast es gesehen! Erzähl du!
MANN: Ja, wirklich... Nicht zu glauben! Unter anderen Umständen würde man Ihren Bruder bewundern. Was für eine Kraft der Junge hat.. Haut mit
dem Kerzenständer zu.. Und wie schnell er ist.. Unmöglich, ihn zurückzuhalten..
KLAUS: Ja, ich bin ein ganz schneller Mörderer.. Super, was?
ANJA (schaut sich den KOMMISSAR an): Und so ein hübscher Mann! Wie schade..
KLAUS: Er hat gesagt, er ist Polizist. Aber er hat gelogen..
MANN: Ja, das stimmt.
HEIKE: Aber er ist von der Polizei! Er ist Kommissar! Er hat mir sogar seinen Ausweis gezeigt..
MANN: Den möchte ich sehen. (untersucht die Taschen des Toten)
ANJA: Wie aufregend!
MANN: Er ist garantiert kein Kommissar. (findet den Ausweis) Bitte, sehen Sie! Das Foto auf dem Ausweis an. Offensichtlich von einem
anderen... (HEIKE sieht sich den Ausweis an)
HEIKE: Das ist er nicht. Dem Himmel sei Dank.
ANJA (schaut ebenfalls): Nein, das ist ein ganz anderer und der ist nicht so hübsch.. Ach Kläuschen, diesmal warst du wirklich zu
schnell.
KLAUS: Ja, ich bin ein ganz schneller. Aber jetzt bin ich müde..
HEIKE: Genug ihr beide! Ab nach oben! Er soll sich ausruhen!
KLAUS: Ja, mördern ist sehr anstrengend.
ANJA: Jetzt gehen wir in dein Zimmer und du ruhst dich aus. Komm, Schätzchen... (Beide ab durch die Treppentür)
MANN: Dieser Mann ist ein Betrüger und Einbrecher. Das steht fest. Er schlich sich hier ein, wollte sich nur umsehen und später dann
einbrechen..
HEIKE: Ja, seine Ausdrucksweise war recht merkwürdig.. Ein Betrüger und Einbrecher.. Mit so viel Aufregung an einem einzigen Tag haben wir wirklich
nicht gerechnet..
MANN: Ich muss Sie jetzt mal was fragen.. Das beschäftigt mich schon die ganze Zeit.. Ihr Bruder hat eine Art, Probleme zu machen... Wie können Sie
damit leben?
HEIKE: Das ist doch ganz einfach. Sie wissen doch, alles hat seine zwei Seiten. Die gute Seite in unserem Falle: mit unserem Bruder wird es nie
langweilig. Und was die andere Seite betrifft, nun, wir haben eine gewisse Kompetenz entwickelt, dieser Seite keine Beachtung schenken zu müssen.. Wenn Sie verstehen, was ich meine..
MANN: Nein..
HEIKE: Wir haben genug Geldmittel.
MANN: Wie angenehm. Aber jetzt zu Ihrem neuen Problem... Und wieder ist es ein Mord. Vielleicht sollten Sie Ihrem Bruder mal sagen, dass ein Mörder
gewöhnlich mit einem Mord pro Tag zufrieden ist..
HEIKE: Ähnliches sagte ich ihm schon.. Sie wollen mir sicher ein Angebot machen. Eines, das man nicht ablehnen kann.
MANN: Nicht doch. Ja, und jetzt werden Sie überrascht sein. Auch ich bin ein Mensch und habe Herz. Diesmal verlange ich nichts für meine
Hilfe. Ich mache das aus reiner Sympathie für Sie und Ihre Schwester..
HEIKE: Ja, das überrascht mich.. Ich muss zugeben, Sie werden mir immer sympathischer.
MANN: Wenn Sie das Bedürfnis haben, mir zum Dank etwas zu schenken, habe ich nichts dagegen.. Nur ein paar Kleinigkeiten. Der Kerzenständer
vielleicht oder die Uhr, ein paar Möbelstücke.. .
HEIKE: Das wird sich machen lassen.
MANN: Gut. Ich denke, wir haben den Dienst der Polizei nicht nötig.
HEIKE: Sie würde uns nur stören.
MANN: Ja, sie bringt nur alles durcheinander.. Jetzt muss uns bloß noch was einfallen.
HEIKE: Verkehrsunfall geht wohl nicht.
MANN: Eine solche Häufigkeit in kurzer Zeit... Davon würde ich abraten.
HEIKE: Nun denn.. Spaten und Schaufel sind im Schuppen..
MANN: Richtig! Natürlich... Das ist die einfachste und beste Lösung!
ANJA (kommt aus der Treppentür): Kläuschen schläft. (blickt auf den KOMMISSAR) Ach, wenn auch er bloß schlafen
würde...
HEIKE: Nu mach mal einen Punkt, Anja. Er ist tot. Mausetot. Und dieser Herr hat uns soeben angeboten, ihn im Garten zu begraben.
Kostenlos!
ANJA: Vielen Dank auch.. Aber schade ist es doch!
MANN: Um den ist es nicht schade. Er ist ein Betrüger und garantiert auch ein Einbrecher, den vermisst keiner, den kann man einfach verbuddeln und
ganz ohne Gedenkstein..
ANJA: Ja, das ist sogar lustig, meinst du nicht, Heike? Dann haben wir den hübschen Mann nämlich immer bei uns!
HEIKE: Das ist ein gruseliger Gedanke. Er wird nicht lange hübsch sein.
ANJA: Gruseln ist auch was Hübsches..
HEIKE: Ich will ihn schon jetzt nicht mehr sehen..In unsere Familie gilbt es nur Echtes, unser Vater ekelte sich geradezu vor einer Imitation, und
das hier. Die schauderhafte Kopie von einem Kommissar! Dass er sich nicht schämt!
MANN: Dafür dürfte es zu spät sein.
ANJA: Meinst du, er ist kein richtiger Mann?
HEIKE: Jedenfalls kein Kommissar! (zum MANN) Wenn Sie so freundlich wären... Anja, du fasst mit an. Er kommt in die Abstellkammer,
ich mach euch die Türen auf,. (öffnet die Küchentür, MANN und ANJA tragen den Toten durch die Küchentür, HEIKE folgt ihnen. Es klingelt. Es klingelt noch mal. ANJA kommt
und geht öffnen)
NACHBARIN (kommt mit ANJA): Nicht zu glauben, Anja, jetzt fehlen mir zwei Eier.. (HEIKE kommt aus der Küchentür) Hallo, Heike!
Stör ich dich beim Kochen?
HEIKE: Wir dinieren abends, nicht mittags!
NACHBARIN: Achja.. Hab ich vergessen.. War das vorhin nicht ein bisschen laut bei euch?
ANJA: Ja, du weißt doch, Kläuschen mag es gern laut..
NACHBARIN: Aber da waren doch Männerstimmen..
HEIKE: Nun, erstens ist Kläuschen ein Mann, wenn auch ein besonderer, und zweitens haben wir Besuch von einem Antiquitätenhändler. Er hilft uns im
Garten, und – weil du gleich danach fragen wirst – er macht das kostenlos, aus reiner Sympathie für uns.
NACHBARIN: So was gibt's noch?
ANJA (zeigt zum Fenster): Da geht er. Wie ein richtiger Gärtner. Mit Spaten und Schaufel.
(NACHBARIN kichert)
HEIKE: Was gibt es da zu kichern?
NACHBARIN: Mir fiel ein Spruch ein: Der Mörder ist immer der Gärtner.. Könnte doch sein, was? Mal angenommen...
HEIKE: Wir nehmen nichts an.
ANJA: Wir haben ja schon alles.
NACHBARIN (zum Fenster blickend): Wie der gräbt... Könnte es sein, er tarnt sich als Antiquitätenhändler und sucht heimlich auf euerm
Grundstück nach Wikingerschätzen?
HEIKE: Was dir alles so einfällt.. Er legt ein Blumenbeet an.
ANJA: Ein Veilchenbeet, das wäre schön, passend zu seinen Augen.
HEIKE: Wie kommst du darauf? Die waren doch zu..
ANJA: Ich hab's trotzdem gesehn!
NACHBARIN: Von wem sprecht ihr eigentlich? Der Mann, denn ich hier traf, hatte braune Augen.
HEIKE: Anja, hör endlich auf, dich dauernd mit Männern zu beschäftigen, das muss ja den Geist verwirren.
ANJA: Achja, entschuldige!
HEIKE: Manchmal denke ich, sie haben sich in deinem Kopf eingenistet. (NACHBARIN kichert) Was kicherst du schon wieder?
NACHBARIN: Im Kopf? Na weißt du..
HEIKE: Miss Marple, ich muss doch schon bitten... Was willst du eigentlich? Fehlt dir wieder was? Vielleicht an Verstand?
NACHBARIN: Nun sei nicht gleich sauer.. Das war ein Witz... Ja, es ist schwer zu glauben, aber mir fehlen noch zwei Eier! Ich hoffe, ihr habt welche
übrig?.
ANJA: Warte, ich hol sie dir..(ab in die Küche)
HEIKE: Miss Marple, jetzt hör mal gut zu. Du bist doch bloß neugierig! Aber hier im Haus passieren keine Verbrechen! Niemals! Es ist ein Heim
voller Freude und Frieden und Anstand! Bitte verhalte auch du dich so! Und dann zum hundertsten Mal: Achte darauf, dass dein Kühlschrank immer gut gefüllt ist, dann kannst du dir den Weg zu uns
sparen!
NACHBARIN: Sei bitte nicht böse, Heike, du hast ja recht, und ich denke auch daran, meinen Kühlschrank immer aufzufüllen. Ich habe ja auch Eier,
aber nicht genug für meinen Kuchen.. Stell dir vor, für ihn brauch ich sieben Stück. Warum gerade sieben? Das ist schon merkwürdig..
ANJA (kommt aus der Küche): Ich geb dir zwei mehr. Falls dir unterwegs was kaputt geht.. .
NACHBARIN: Wie klug von dir! Ich danke euch herzlich! Was täte ich nur ohne euch!
HEIKE: Ach, Lieschen, so ist doch gute Nachbarschaft, oder nicht? Pass schön auf, stolper nicht. (NACHBARIN ab) Manchmal wird sie doch
lästig.
ANJA: Aber Sie ist auch komisch, nicht wahr?
HEIKE: Und wir verscheißern sie, wo wir können.. Ach Gott, was habe ich da gesagt?
ANJA: Ich habe nichts gehört, Heike.
(Beide kichern)
Blackout
(Pause)
HEIKE und ANJA am Tisch, der noch immer gedeckt ist.
HEIKE: Es geht doch nichts über ein zweites Frühstück.. (ANJA gießt sich Kaffee ein) Pass auf, Liebes, dass du nichts auf das Geld
tropfst.
ANJA: Schieb es doch bitte beiseite..
HEIKE (tut es): Erstaunlich.. Er hat es bis jetzt liegen gelassen..
ANJA: Er hatte wohl keine Zeit dazu, er muss ja graben. (nimmt sich ein Hörnchen, beißt hinein) Was sind das für Hörnchen? Es
schmeckt nicht frisch.
HEIKE: Natürlich nicht. Die sind von gestern. Du weißt, ich werfe nichts Essbares weg..
ANJA: Sind die denn noch essbar?
HEIKE: Selbstverständlich. Ich vergaß nur, sie aufzubacken..
ANJA: Bitte mach das nicht wieder. So was kann den ganzen Appetit verderben..
HEIKE: Beruhige dich. Denk an Indien oder Afrika! Wie schlecht es den Menschen dort geht..
ANJA (seufzt): Ja.. Wie traurig...
HEIKE: Altbackene Hörnchen sind dagegen nur Kleinigkeiten, über die kann man doch nur lächeln. Viel wichtiger ist doch, dass jeder Tag etwas Neues
bringt. Etwas, das uns zeigt, dass wir mitten im Leben stehen.
ANJA: Das hast du schön gesagt, klingt aber ein wenig melancholisch.
HEIKE: Ich will damit sagen: wir brauchen kein Fernsehen. Das macht unser Kläuschen.
ANJA: Achja.. Und das ist besser als der Tatort, es ist live. Wenn das die anderen wüssten, hätten wir eine Menge Zuschauer.
HEIKE: Darum behalten wir das schön für uns.
KLAUS (schleicht heran aus der Treppentür): Uch.. Ich schleiche, ich schleiche.. Aber nicht richtig.. Ich suche und suche und suche.. Wo
ist die Gemörderte? (stellt sich am Tisch auf) Ich will das Versteck wissen! Sie gehört mir! Keiner darf sie mir wegnehmen! Ich muss sie finden... So ist die Regel. Und dann
darf ich wieder mördern (seufzt) Aber sie ist so gut versteckt!
ANJA: Heike, kann ich ihm etwas helfen und das Kalt-Heiß-Spiel machen?
KLAUS: Auja..
HEIKE: Nein. Fremde Hilfe ist gegen die Regel, das weißt du doch, Kläuschen..
KLAUS: Das ist eine hässliche Regel. (schleicht wieder) Ich schleiche, ich schleiche. Ich rieche Menschenfleisch.. Nein, das stimmt
nicht.. Wo war das?
HEIKE: Das war beim Wolfsspiel.
KLAUS: Achja.. Jetzt bin ich ein Mörderer und schleiche, schleiche... (ab durch die Gartentür)
ANJA: Männer sind doch aufregend, was meinst du?.
HEIKE: Ach was... Von Kläuschen mal abgesehen, was tun sie schon? Morgens rasieren sie sich, abends hocken sie vorm Fernsehn. Und in der
Zwischenzeit stehen sie im Wege.
ANJA: Hast du's auch schon bemerkt? Sie haben angefangen, sich nicht mehr zu rasieren.. Ist das vorteilhaft? Ich weiß es nicht. Manche haben
Gesichter wie kleine Hunde..
HEIKE: Ja, und warte nur ab, du wirst es erleben: eines Tages tragen sie wieder ein Fell.
ANJA : Doch nicht Kläuschen!
HEIKE: Da sehe ich keine Gefahr. Schließlich wissen wir mit Enthaarungsmitteln umzugehn.
ANJA: Nein, wirklich... ein behaartes Kind! Das würde überhaupt nicht zu seinen Spielen passen. Weißt du noch, wie er ein Feuerlöscher war?
Und wie aufregend, als die Feuerwehr kam. So viele hübsche Männer!
HEIKE: Und so viel Dummheit! Sie verlangten, wir sollten Kläuschen in eine Heilanstalt bringen. Niemals, sagte ich. Nur über unsere
Leichen!
ANJA: Wie aufregend!
HEIKE: Dabei hatte er ganz vernünftig gehandelt. Man muss erst ein Feuer machen, bevor man es löschen kann.
ANJA: Kaffee, Liebes?
HEIKE: Ja, bitte. (ANJA füllt die Tasse) Allerdings sind sie für manche Tätigkeiten gut zu gebrauchen. Schau mal, wie hübsch der
Witwer im Garten schaufelt!
ANJA (sieht hin): Ja, er tut brav, was man ihm sagt, das muss man ihm lassen.
HEIKE: Findest du auch, nicht wahr? Weißt du... Wenn ich so nachdenke.. Bei ihm könnte man vielleicht eine Ausnahme machen.
ANJA: Wie meinst du das?
HEIKE: 25.000 ist kein Pappenstiel. Die könnten wir sparen..
ANJA: Tatsächlich?
HEIKE: Und außerdem ist er Antiquitätenhändler! Hat Papa nicht immer gesagt: Nehmt euch einen Antiquitätenhändler zum Mann, dann habt ihr
ausgesorgt?.
ANJA: Gewiss... Wie kommst du darauf?
HEIKE: Nun, denk doch mal nach..
ANJA: Wie soll ich denn nachdenken? Ich muss doch aufpassen, dass die Kanne nicht tropft.
HEIKE: Ablenken gilt nicht. Du willst es doch, gib es zu. Ich werde es dir gewiss nicht verübeln. Dann ist wenigstens Ruhe.
ANJA: Ruhe ist doch genau das, was wir nicht haben wollen.
HEIKE: Schätzchen, das war geradezu schlagfertig! Aber bitte, lass mich ausreden.. Manche Frau braucht eben einen Mann, das ist leider so, und du
bist so eine Frau, sei ehrlich, Liebes.. Und er ist Witwer und dazu einer von diesen Männern, die eine Frau brauchen.
ANJA: Woher weißt du das?
HEIKE: Man muss ihm sagen, was er zu tun hat, er tut sonst nichts Gescheites. Das ist doch auch dir schon aufgefallen. Und außerdem ist er von Papa
empfohlen.
ANJA: Aber er gefällt mir nicht, er ist nicht so hübsch.
HEIKE: Hässlich ist er aber auch nicht.. Nun ist dir etwas Konfitüre auf das Geld getropft.. Wisch es weg! (ANJA tut es) Ach, Kleines.. Ich
geb dir einen Rat fürs Leben! Besser man hat einen Mann, dessen Frau tot ist, als einen Mann, der tot ist.
ANJA: Da ist was Wahres dran. Aber du übersiehst etwas! Er ist auf unser Geld aus und solche Männer haben wir weiß Gott oft genug
erlebt!
HEIKE: Das stimmt nicht. Für das Graben verlangt er kein Geld! Und sein Geld liegt noch immer hier auf dem Tisch.. Das ist doch ein gutes Zeichen,
ich möchte sogar sagen, es ist ein zarter Wink.. Er will uns zeigen, wie sympathisch wir ihm sind und dass er uns traut.. Ja, wir sind fast schon wie eine Familie für ihn. Und außerdem bleibt das
Geld in unserer Familie, wenn du ihn heiratest.
ANJA: Also weißt du, Heike. Du bist wirklich sehr klug, klüger als ich, aber jetzt gehst du zu weit! Für Geld willst du mich und mein Leben opfern!
Das ist schändlich! (schluchzt auf)
HEIKE: Aber nicht doch... Schätzchen, Kleines... War doch nur so eine Idee. Aber sie war hübsch, meinst du nicht?
ANJA: Die Idee vielleicht, aber nicht er, und das ist das Entscheidende.
HEIKE: Dass du so auf Äußerlichkeiten stehst.. Aber bitte, lassen wir das. Jedenfalls bist du die Hübschere von uns beiden und ich müsste mich sehr
irren, wenn er nicht ein Auge auf dich geworfen hat. (steht auf)
ANJA: Wohin gehst du?
HEIKE: Das Geld liegt einfach so rum. Das gefällt mir nicht. (nimmt es und schiebt es unter die Chaiselongue)
ANJA: Dort ist es sicherer als in deinem Bett?
HEIKE: Hier bin ich ja auch in seiner Nähe. (blickt nach draußen) Er schaufelt und schaufelt... Er fängt an, mir zu gefallen..(Es
klingelt) Gehst du bitte? (ANJA ab, HEIKE holt das Geld, versteckt es unter dem Schrank. Schrei von ANJA)
ANJA (kommt): Überraschung, Heike! Und was für eine! Die Tote, aber lebendig! (FRAU kommt, jetzt mit blonder Perücke)
FRAU: Wo ist mein Schwager?
HEIKE: Wahrhaftig! Sie ist es!
FRAU: Was habt ihr mit ihm getan?
HEIKE: Sie scheint von weither zu kommen..
FRAU: Reden Sie nicht so blöd! Sie wissen schon, was ich meine! Erst wird meine Schwester ermordet und dann ihr Ehemann, um den Zeugen aus der Welt
zu schaffen. Ist doch so! Oder nicht?
HEIKE: Liebes, was sagst du dazu?
ANJA: Wie aufregend!
HEIKE: Und was wir jetzt alles erfahren werden. (zur FRAU) Wie ist es da drüben, wenn man tot ist?
ANJA: Ja, ich bin ganz zappelig vor Neugier.
FRAU: Lenken Sie nicht ab.. Also, wo ist er?
ANJA: Wollen Sie sich nicht setzen? Wir haben Kekse!
HEIKE: Wenn sie aber lebt, Anja, dann müsste sie bluten, wenn man sie piekst.. Hast du eine Nadel parat?
ANJA: Leider nicht. Aber man könnte sie auch kratzen.. so.. mit den Fingernägeln..
HEIKE: Willst du dir die Mühe machen, Liebes?
FRAU: Sagen Sie mal, wie reden Sie mit mir? Sie verwechseln mich mit meiner armen Schwester! Sie liegt unten im Wagen. Tot. Ermordet.
HEIKE: Was sagst du dazu, Anja! Die beiden sind Schwestern!
FRAU: Zwillingsschwestern, jawohl..
ANJA: Aber die Tote hat schwarzes Haar, stimmt doch?
FRAU: Gefärbt, in Wirklichkeit ist sie genau so blond wie ich.
HEIKE: Und sie hat dasselbe geschmacklose Kleid an. Anja, sie muss doch tot sein. Nur Tote tragen so etwas.
FRAU: Wir tragen immer die gleiche Kleidung, das gefällt den Leuten...Und das mit dem geschmacklosen Kleid verbitte ich mir! Jetzt geh ich ihn
suchen. (ab durch die Treppentür)
ANJA: Gott! Wenn Kläuschen oben ist? Und hält sie für die Gemörderte? Das könnte ihn auf den Tod erschrecken!
HEIKE: Ach nein.. Er ist draußen. Ich sagte ihm, dass auch der tote Mann versteckt wurde. Jetzt sucht er beide Gemörderten.
ANJA: Glaubst du wirklich, es ist ihre Zwillingsschwester?
HEIKE: Niemals. Es ist die Tote.
ANJA: Aber wie geht das an?
HEIKE: Das möchte ich auch gern wissen. Aber weißt du, was das bedeutet?
ANJA: Das ist ein Wunder.
HEIKE: Wir können die 25.000 Euro behalten!
ANJA: Nein! Wie aufregend! Aber wenn es bloß ihr Geist ist?
HEIKE: Das glaubst du? Dann sollten wir sie mal pieksen.
ANJA: Geht das auch mit der Nagelschere?
HEIKE: Aber ja..
ANJA: Aber schneiden muss ich sie nicht. Oder?
HEIKE: Nur pieksen! Nur dass ein bisschen Blut fließt.Du magst doch Blut.
ANJA (kramt in einem Kästchen): Hier ist doch immer eine Ersatzschere.. Da! (zeigt die Schere)
HEIKE: Gut, und jetzt halt dich bereit. Ich hör sie schon die Treppe runterkommen.
FRAU (kommt durch die Treppentür): Oben ist er nicht.. Jetzt schau ich mich mal unten um. (wendet sich zur Küchentür)
HEIKE: Anja, die Tür! (ANJA stellt sich vor die Küchentür)
ANJA: Wie sagst du immer? Nur über meine Leiche!
HEIKE: Sehr gut, Liebes!
FRAU: So! Und warum?
ANJA: Das ist privat.
FRAU: So was macht mich besonders scharf.. (will an ANJA vorbei) Au! Sind Sie wahnsinnig? Sie hat mich gestochen!
HEIKE: Wirklich? Zeigen Sie mal..
FRAU: Hier! Es blutet! (ANJA und Heike schauen hin)
ANJA: Blut! Echtes! Wie schön!
HEIKE: Tatsächlich.. Unseren herzlichen Glückwunsch!
ANJA: Wunderbar! 25.000 Euro gewonnen.
FRAU: Wer bitteschön?
ANJA: Wir natürlich.
(MANN kommt)
MANN (zu FRAU): Sag mal, geht’s noch? Was suchst du hier?
FRAU: Was ich suche? Dich natürlich! Ich bin doch Kati, die Zwillingsschwester deiner Frau!
MANN: Kati?
HEIKE: Er kennt sie nicht!
FRAU: Du hast mich total vergessen.. Ich sitz im Wagen neben meiner toten Schwester und warte auf dich! Da muss ich ja denken, es ist was passiert.
Ich war in Sorge, verstehst du das?
MANN: Konntest du nicht ein bisschen länger warten?
FRAU: Ich sitz da mit einer Toten!
ANJA: Gott, wie aufregend..
MANN: Na und? Kommt es da auf die Minute an?
ANJA: Da fällt mir ein.. Wollen wir uns nicht lieber setzen, Heike?
HEIKE: Du hast Recht. Ist noch Kaffee da?
ANJA: Aber ja! (Sie setzen sich, ANJA gießt ein)
(KOMMISSAR kommt aus der Küchentür)
MANN (sieht ihn): Teufel. Der auch? Habt ihr das abgesprochen? Und was bist du jetzt? Zwillingsbruder Emil? Oder Karl?
Egon?
FRAU: Er muss uns nachgeschlichen sein.
KOMMISSAR: Wen meinen Sie? Mich? (reibt sich den Hinterkopf)
ANJA: Bei der Frau war das Auftauchen spannender.
HEIKE: Ja. Ihm fehlt es an Fantasie..
KOMMISSAR: Wer hat mich niedergeschlagen? Wer war das? Übrigens.. (zu MANN) Mit welchem Recht duzen Sie mich? Moment.. Ich kenne Sie
doch! (zur FRAU) Und Sie auch!
HEIKE: Vermutlich aus der Verbrecherkartei.
KOMMISSAR: Richtig. Aus der Verbrecherkartei... Das ist doch die Bande.. Ich werde sie gleich verhaften... Aber zuvor.. Lag hier auf dem Tisch nicht
Geld?
MANN: Ja, richtig. Wo ist das Geld?
FRAU: Die 25.000?
MANN: Ja! Menschenskind.. Die sind weg..
KOMMISSAR: Keiner verlässt den Raum! Jetzt wird gesucht!
HEIKE: Nur zu, Herr Kommissar! Männer sehen doch alles!
(MANN, FRAU und KOMMISSAR beginnen zu suchen)
ANJA: Ja, und wir helfen ein wenig, nicht wahr, Liebes? (KOMMISSAR sucht auf dem Tisch) Nein, kalt, gnz kalt. (KOMMISSAR wendet sich
zum Schrank) Noch kälter.. (KOMMISSAR wendet sich der Chaiselongue zu) Schon wärmer.
KOMMISSAR (sucht auf und dann unter der Chaiselongue) Verdammt! Da ist nichts! Die verscheißert uns.
HEIKE: Es ist ein Suchspiel für kluge Köpfe. Sie scheinen kopflos zu suchen, Herr Kommissar!
KOMMISSAR: Ich hau dir gleich eins in die Fresse!
ANJA: Wie aufregend!
HEIKE: Anja! Das geht zu weit!
ANJA: Entschuldige..
MANN (zu KOMMISSAR): Lass den Quatsch. Such lieber. Es muss hier irgendwo sein. (sucht)
FRAU (beim Suchen): Wir können doch nicht das ganze Haus durchsuchen. Das dauert ja ewig..
KOMMISSAR: Dann muss man es aus denen herausprügeln. Ich fang mal bei der an.. (geht auf HEIKE zu. NACHBARIN kommt)
NACHBARIN: Entschuldigung... (alles erstarrt) Die Tür war offen.. Heike, bitte, das ist das letzte Mal heute, ehrlich, das schwöre ich hoch
und heilig. Aber ich hatte übersehen, dass auf dem Rezept auch Puderzucker steht.. Ihr habt doch welchen?.. Nanu? Störe ich etwa?
KOMMISSAR: Schmeißt die alte Schachtel raus!
NACHBARIN: Mein Lieber, das nennt man Umweltverschmutzung! Damit haben Sie sich bereits strafbar gemacht.
FRAU: Ja, Sie stören! Verduften Sie!
NACHBARIN: Das werden Sie nicht riechen wollen..
MANN (zu KOMMISSAR): Such du in der Küche, wir suchen hier.
KOMMISSAR: Damit ihr mit den Kröten verschwindet?
HEIKE: Komm Lieschen, setz dich! Es ist eine Premiere!
ANJA: Wir sitzen in der ersten Reihe!
HEIKE: Kaffee und Kekse zum Knabbern haben wir auch.
NACHBARIN: Ihr schaut nur zu?
ANJA: So was Aufregendes haben wir schon lange nicht mehr erlebt, nicht wahr, Heike?
HEIKE: Wir werden heute nicht schlafen können, fürchte ich.
MANN: Sagen Sie uns einfach, wo das Geld geblieben ist, dann gehen wir!
FRAU: Ja, sonst sollen Sie uns mal kennenlernen!
HEIKE: Was sagt man dazu? Wir sollen sie kennenlernen!
ANJA: Achja, bitte. Herr Kommissar, sind Sie verheiratet?
NACHBARIN: Ich sag euch, wer sie sind.... Hier, seht euch die Fotos an. (zeigt die Fotos auf dem Smartphone) Erkennt ihr sie? Ja, das
Internet ist wirklich nett. Die hier sind eine Bande von Betrügern, gesucht von Interpol.
FRAU: Blödsinn. Ich habe blonde Haare, die hat schwarzes.
KOMMISSAR: Na schön.. Ich bin, ehrlich gesagt, kein Kommissar, ich bin vom Finanzamt, Sie haben noch Steuern zu zahlen. Also wo ist das
Geld?
HEIKE: Ach das Finanzamt... Wie süß!
ANJA: Und so blauäugig, siehst du, Heike?
HEIKE: Ich hoffe, Sie verzeihen uns, es ist in Sicherheit. Wir wollen doch nicht, dass es bei dem Durcheinander
verloren geht, nicht wahr, Liebes?
ANJA: Das wäre uns sehr unangenehm. Sagen Sie, sind Sie verheiratet?
HEIKE: Anja, das geht zu weit!
ANJA: Ach Gottchen.. Es ist mir so rausgeschlüpft.
MANN: Hören Sie! Tatsache ist, dass Ihr Herr Bruder uns mit der Absicht überfallen hat, uns zu ermorden. Also halten Sie sich an die Vereinbarung
und rücken Sie das Geld raus!
NACHBARIN: Ja, wo ist Kläuschen? Haben die ihn vielleicht..
HEIKE: Ach nein, wo denkst du hin.. Da ist er doch...(öffnet das Fenster, ruft) Kläuschen, sie sind hier! Du musst nicht mehr suchen!
(sie setzt sich wieder) Bitte, machen Sie weiter, und du, Lieschen, setz dich endlich! Du nimmst mir die Sicht!
NACHBARIN: Ihr findet das gut?
ANJA: Und wie. Ich mach mich gleich nass.. O Gott, Heike, was hab ich gesagt?
HEIKE: Das hat niemand gehört, hoffe ich. Lisa, setz dich, zum Kuckuck.. Einen Schokoladenkeks? (reicht ihr einen Keks)
KLAUS (kommt durch die Gartentür): Wo? Wo sind meine Gemörderten? (sieht sie, verzweifelt) Nein! Nein! Das ist falsch! Ganz
falsch! Das gilt nicht! Ihr müsst tot sein! So geht das nicht, so geht das gar nicht, ihr spielt nicht richtig.. ..Jetzt muss ich noch mal mördern! Uch..! Ich schleiche, ich schleiche.. Der
Mörderer kommt.. Und der hat ein großes Mordsinstrument... (greift den Kerzenständer) Gleich macht ihr Bums!
FRAU: Den will ich! Her damit! (Sie ringen)
KLAUS: Nicht du, du Doofe! Ich mördere! (hat plötzlich die Perücke der FRAU in der Hand) Uch.. Ich hab ihre Haare!
NACHBARIN: Das geht mir endgültig auf den Keks. (holt aus der Kitteltasche eine Pistole, schießt in die Luft.. Alle sind
erschrocken)
KOMMISSAR: Teufel. Das klang echt.
MANN: Sie hat einen Revolver.... Haun wir ab.
KOMMISSAR: Greift was ab und dann nichts wie weg!
(MANN nimmt das Zigarettenetui)
FRAU: Die Uhr! (greift nach der Uhr, schaut sich nach weiterem um)
KLAUS: Tantchen, ich weiß was: Du hast ein so hübsches Pistölchen, damit musst du jetzt mörderen und ich bin Polizist und verhafte
dich!
NACHBARIN: Aber gerne! (zeigt mit der Pistole auf die drei Betrüger) Wen soll ich mörderen? Die hier?
KLAUS: Auja.. bitte bitte..
NACHBARIN: Und die Polizei ist auch gleich da, ich hab sie schon alarmiert.
MANN: Entschuldigen Sie den formlosen Abschied! (Die drei wollen davon laufen. Polizeisirene)
NACHBARIN: Zu spät. Wenn Sie sich bitte aufs Sofa setzen wollen?
(MANN, FRAU und KOMMISSAR setzen sich)
ANJA: Ach, und jetzt noch ein hübscher Polizist, das wäre der Gipfel...
Blackout
ENDE