Wir haben einen Kater. Meine Frau sagt immer, er sei uns zugelaufen. Aber das stimmt nicht. Mir ist er nicht zugelaufen. Zugestoßen, bestenfalls.
Meine Frau mag ihn, unser Töchterchen auch. Ein Blick auf ihn und ich wusste Bescheid.
Er ist schwarz. Ich behaupte: schwarz wie die Hölle, und sein Blick ist der eines Teufels.
Mein Lieblingsplatz ist auf dem Sofa, da sehe ich Fernsehen. Sofort nahm er ihn in Beschlag. Richtig hingelümmelt lag er da. Das war eine Provokation. Auf meinen sachlichen Hinweis, dies
sei mein Platz, reagierte er nicht. Ich hieß ihn, den Platz zu räumen. Er gähnte. Ich schubste ihn runter. Er fauchte.
„Na, fauch nur!“ sagte ich. „Ich bin hier der Herr, kapiert?“
Hatte er nicht. Am nächsten Abend zur Fernsehzeit lag er wieder dort. Kein Problem! Runter mit ihm.
Und so ging es die nächsten Tage. War schon gute Gewohnheit, offenbar in beiderseitigem Einverständnis.
Dann, eines Abends, Folgendes. Gerade das Tier runter geschubst, die Tür ging auf, meine Frau steckte den Kopf herein: „Abenbrot fertig!“
„Gleich! “ sagte ich. „Erst noch die Nachrichten!"
Nanu? Das klang ja wie „Miau“. Ein Ausrutscher. Sofort korrigierte ich mich, aber, hol's der Teufel, wieder ein Miau.
Die Tür knallte zu.
Ich der Frau nach in die Küche. Bemühte mich, ihr darzulegen, der Kater hätte mich verhext. Großer Fehler. Weil: ich miaute.
Erstaunlich, was eine Frau innerhalb weniger Sekunden einem an den Kopf werfen kann.
Glücklicherweise entsann ich mich meiner Schreibkunst. Also schrieb ich ihr die ganze Kater-Teufelei auf, jedes Wort genau überlegend, schließlich war es ihr Lieblingskater. Als ich fertig war,
staunte ich nicht schlecht: 112 mal „Miau“ geschrieben!
Und dann ertönte hinter mir ein kleines Miauen. Ich drehte mich um. Das Töchterchen! Es strahlte mich an und miaute
Zwei Jahre alt, konnte schon ganze Sätze mit vier Wörtern sagen, aber jetzt auf einmal: „Miau!“
Eine Katatstrophe. Ich hatte das arme Geschöpf angesteckt. Meine Frau riss die Kleine an sich und brachte es nach oben in Sicherheit. Da hörte ich das Mädchen schrein: „Will zu Papakatze!“
Na bitte. Bestes Deutsch. Hatte mich bloß nachgemacht, das Schätzchen. Große Erleichterung.
Als meine Frau zurück kam. äußerste sie, sie müsse über das Sorgerecht des Kindes nachdenken. Was sagt man in solch einem Fall? Auf Katzisch? Lieber nichts.
Die Nacht war höllisch. Ich lag im Abstellraum auf dem Klappbett. Ich tastete mich ab. Ich war noch immer ein Mensch, von Kopf bis Fuß. Jedoch, was mein Mund von sich gab, das war katzisch. Ich
begann mit stimmlichen Übungen, versuchte, die menschliche Sprache nachzumachen. Immer kläglicher wurde mein Gemauze. Bis von oben die Stimme meiner Frau erklang: „Halt endlich die Klappe!"
Dass ich am nächsten Morgen zu Hause blieb, versteht sich. Nicht auszudenken, was mein Chef zu meiner Aussprache sagen würde.
Meine Frau nahm die Kleine mit zur Arbeit, Sicherheitshalber. Ich war mit dem Kater allein, hockte mich vor ihm hin und teilte ihm – diesmal in seiner Sprache – höflich mit: Bekomme ich nicht sofort meine Sprache zurück, sehe ich keinen andere Möglichkeit, als ihn abzumurksen.
Der Kater gähnte – eine entzückend rote Zunge hat er! – und schlenderte Richtung Katzenklappe davon.
Ich holte ein Küchenmesser, setzte mich neben die Klappe und wartete. Aber das Biest kam nicht. Nach zwei Stunden gab ich es auf.
Am Nachmittag kehrten Frau und Kind heim, sie hüllte sich in Schweigen (Nebenbei: Wozu das? Um sich zu wärmen? Wir hatten Sommertemperatur!), ich dagegen schwieg aus vernünftigen Gründen. Nach
und nach wurde das Schweigen drückender und war am Ende sogar aggressiv. Woran man das merkte? Bitte, sehen Sie selbst!
Beim Abendbrot stand für mich nichts da, kein Bier, keine Schrippe, nicht mal ein leerer Teller. Offensichtlich war ich in den Augen meiner Frau nicht mehr vorhanden. Und da schob mir das
Töchterchen den Fressnapf des Katers hin, mit seinem Lieblingsfutter: Pastete „Ente mit Gans“.
So eine Rabenmutter, dachte ich. Verleitet das Kind zu solch einer Schandtat gegen den eigenen Vater!
Plötzlich: Katzengekreisch! Gott sei Dank nicht von mir, sondern vom Kater, der war auf den Tisch gesprungen und wollte an den Napf. Ich, von Wut und Verzweiflung überwältigt, schrie: „Runter, du
Scheißkerl! Das ist mein Fressen!“
Stille und großes Staunen.
Ja, was sagt man dazu. Perfektes Deutsch. Ich hatte meine Sprache wieder. Dank meinem Töchterchen. Ein kluges Kind! Hat den Kater ausgetrickst.
Und während der sich über seine Pastete hermachte, umarmten wir uns. Eine echt glückliche Familie! Anschließend große Versöhnung mit Frau und – auf ihre Bitte hin – auch mit dem Kater.
Am nächsten Tag kaufte ich mir ein eigenes Sofa.