Seh ich Fußball im Fernsehn, lässt mich alles andere kalt. Selbst wenn die Welt unterginge, ich schau das Spiel bis zum Abpfiff. Und ich will
auch nicht gestört werden. Denn wenn man wegguckt, fällt ein Tor, das weiß ich aus Erfahrung. Als sich meine Freundin zum zweiten Mal vor den Fernseher stellte, fragte ich sie, ob ihr Vater
Glaser sei? Das war witzig und gut zu verstehen.
Nach dem Spiel mit blöden null Toren rief ich nach einem Bier. Keine Antwort. Stille. Sehr seltsam. Ich ging in die Küche und musste
feststellen: Sie war weg. Abgehauen, einfach so. Dabei fing der Abend doch grade erst an.
Plötzlich Türklingeln.
Wie lieb von ihr, dachte ich, hat eine Pizza geholt!
Irrtum. Vor der Tür stand ein Eisbär. Die Tür zuschlagen ging nicht, er hatte die Tatze dazwischen.
„Mach keinen Quatsch!“ brummte er.
Der Bär sprach! Wetten, wieder so ein Spaß von meinen Kumpels. Der Kerl im Bärenkostüm wälzte sich aufs Sofa.
„Wann kommt das Fressen?“
„Harry, du Fresssack“, sagte ich, „ich reiß dir den Kopf ab.“
Aber, Teufel noch mal, er hob die Tatzen - und die waren so was von echt. Und die Schnauze… so was von Zähnen!
„Keine Angst“, kam's brummig, „ich will hier nur wohnen. Der Nordpol ist mir zu warm geworden. Ich hab deine Freundin getroffen. Bei dir, sagte sie, würde ich mich sofort heimisch fühlen. Also,
was gibt es zu fressen?“
„Nichts!“
Er tappte in der Wohnung herum, hielt den Kühlschrank wohl für eine beschneite Eisscholle mit was zu fressen darunter. Das fand er ja auch und putzte
alles weg.
Gut, dachte ich, mit Gewalt kriegst du den nicht raus. Aber Schluss mit Gastfreundschaft! Ignorieren und eisiges Schweigen, das hält keiner aus.
Nach einer halben Stunde sagte er: „Wie behaglich es hier ist!“
Ich rief die Polizei an, die drohte mit einer Anzeige.
Also was jetzt.. Da ging mir ein Licht auf. Wärme! Ihretwegen war er ja ausgerückt. Dummerweise war Sommer, die Heizung ging nicht. Aber – Glück im
Unglück – war mir mächtig heiß wegen des Ärgers.
Ich zog mich aus, drückte mich an den Eisbären und flötete: „Mein Lieber! Noch Wünsche?“
Er sah mich traurig an und rückte beiseite.
Minuten später verschwand er. Am nächsten Tag, beim Fernsehn, sprang ich aus dem Sessel. Da sitzt doch der Bär neben einem bekannten Politiker, der die Grenzen für Flüchtlinge schließen und alle
Asylanten zurückschicken will. Wie sich der Bär an ihn kuschelte! Das war schon ziemlich unanständig. Außerdem, so sagte der Politiker, habe er einen Klimaexperten mitgebracht, der könne bestätigen, dass es keinen
Klimawandel gebe, nicht mal am Nordpol.
So ein Windhund, dachte ich. Wie schon Brecht sagte: Erst kommt das Fressen und dann die
Moral.
Und dann tippte ich eine SMS an meine Freundin ins Handy:
„Bitte, Liebling, komm zurück! Ich bin jetzt wärmer als der
Nordpol.“
Die letzten Tage des Kommissars
Erzählungen
140 S. Softcover, 18 x 11,5 cm, 9,50 €
Ein gerade pensionierter Kommissar gerät in das teuflische Spiel eines Genetikers.
Ein Dorf schrumpft, weil ein Wissenschaftler mit Gott eine Rechnung offen hat.
Ein Mann erkämpft sich die Herrschaft über das Universum.
Eine Birke treibt einen Dramaturgen in den Wahnsinn.
Ein Mann, süchtig nach der virtuellen Welt, kommt durch Körperkontakt mit einer Frau zurück in die Wirklichkeit.
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